Full text: Polizei-Humoresken [35/36]

Hamlich, der Theoretiker. 
Polizeiagent Hamlich — damals kannte man bei uns 
noch nicht den Titel von Kriminalbeamten — war immer ein 
glänzender Theoretiker gewesen. Er kannte alle einschlägigen 
Wissenszweige, welche die Kriminalistik in ihren Dienst gestellt 
hatte, war ein ruhig und logisch überlegender Denker, der sich 
alle Tatumstände zurechtzulegen verstand, bevor erx seine 
Schlüsse auf den Täter zog. Er kannte die einschlägige 
diteratur, ja er hatte sogar sich zuviel darin vertieft, nicht nur 
in den Büchern wirklicher Wissenschaft, sondern hatte mehr 
noch jene gelesen, in denen Idealfiguren alles wissender und 
alles aufrlaͤrender Detektivs geschaffen waren, Uebermenschen, 
die nur in dichterischer Phantasie und gar nie in der Wirklich⸗ 
keit existierten. Allen Ernstes hatte Polizeiagent Hamlich 
einmal den Vors chlag gemacht, daß man einen Studienkurs 
dafür schaffen sollte, um feststellen zu können, ob auf einem 
Tatorte vorgefundene Asche von einer Zigarre oder von einer 
Zigarette herrühre und welcher Art diese Zigarre oder 
Zigarette gewesen ist, um daraus Schlüsse über den Täter und 
seine Rauchgewohnheit ziehen zu können. Conan Doyles Ideal⸗ 
figur eines Sherlock Holmes schwebte ihm dabei vor, und als 
nan seinen Plan für verrückt erklärte, murmelte Hamlich in 
sich hinein, denn laut auszusprechen hätte er es sich nicht ge— 
rauti, daß es um die Polizei schlecht stehe, da sie fortschrittlichen 
Reuerungen abgeneigt sei. Aber Polizeiagent Hamlich war eben 
nur Theoretiker, von Bücherweisheit vollgepfropft, während er 
in der praktischen Betätigung ziemlich wenig Erfolge auf— 
zuweisen hatte. Er hatte da eben Pech, wie er sagte. Für ihn 
var der richtige Fall noch nicht gekommen, und wenn er einmal 
vielleicht doch schon nahe daran gewesen wäre, mit Hilfe der 
Theorie beweisen zu können, daß die Frau, die man ermordet 
der Wobhnung aufgefunden hatte, nach dem Aufstehen und 
bor dem Frühstückkochen sich die Haare auszukämmen pflegte, 
wozu sie stets einen Kamm benützte, so war dies noch ein sehr 
weiter Weg, um von dieser Feststellung auf dem Umwege zahl⸗ 
ceicher weiterer Schlußfolgerungen auf den Täter zu gelangen. 
Und vbevor Hamlich sich auch nur anschicken konnte, diesen weiten 
Weg anzutreten, hatte er gewöhnlich das Pech, daß ihm der 
Frfolg einige Kilometerlängen vor seiner Nasenspitze durch
	        
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