Full text: Polizei-Humoresken [35/36]

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dem Schlafe jäh Aufgeschreckte und stürzte zu dem Apparat. 
„Heinrich? Bist du es?“ — „Hier Sicherheitsbureau der 
Volizeidirektion!“, klang es zurück. Der Herr Polizeirat 
möchte den Herrn Kommissär Dr. Simandl sprechen“ — 
„Meinen Mann? Der ist ja gar nicht zu Hause, der ist ja schon 
längst bei dem Mord!“ — „So? Der Herr Kommissär ist schon 
bei dem Mord in Mariahilf?“ — Ja! In der Stumpergasse! 
Ich glaube Nr. 36 ist es. Schon seit 10 Uhr abends ist mein 
Mann dort!“ — „Seit 10 Uhr?“, bam es etwas erstaunt 
zurück. „Einen Augenblick! Ich verbinde gleich den Herrn 
Vorstand!“ Kurz darauf sprach der Polizeirat in das Telephon: 
„Verzeihen Sie die Störung, gnädige Frau! Aber der Ins pektor 
meldet mir, daß der Herr Gemahl schon seit 10 Uhr abends bei 
dem Morde in der Stumpergasse ist. Da muß wohl ein Irrtum 
vorliegen, denn das Verbrechen ist ja erst nach zwei Uhr früh 
begangen worden! Vielleicht ist der Herr Gemahl wo anders, 
aber ich benötige ihm jetzt dringend, denn er muß auf den 
Tatort fahren!“ — „Ich .. ich.. kann nichts andres sagen,“ 
stotterte die Frau ins Telephon, „als daß mein Mannf chon 
abends auf telephonische Berufung hinausgefahren ist!“ — 
„So ? Nun, ich danke ergebenst, meine Gnädige, dann sehe ich 
ihn doch dort!“ 
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Um 5 Uhr früh kehrte Dr. Simandl heim, weidlich 
schimpfend über die Unselbständigkeit der Kommissariate, die zu 
jedem Falles das Sicherheitsbureau berufen, um diesem die 
Arbeit und die Verantwortung zu überlassen, auch bei solchen 
Vorkommnissen, an denen gar nichts daran sei. Ein erwiesener 
Selbstmord, bei dem das Kommissariat an die Möglichkeit eines 
Verbrechens gedacht hat. „Aber der Polizeirat ist doch erst 
um 3 Uhr morgens hinausgefahren und hat dich vorher hier 
noch zu sprechen gewünscht, Heinrich!“ sagte die noch immer 
nichts ahnende Frau und erzählte dann, wie sie aus dem Schlafe 
geweckt worden war. Dem Kommissär schwante irgendein 
Unheil, und schlaflos verbrachte er die zwei Stunden, bis er 
wieder aufstehen und ins Amt gehen mußte. Noch unangenehmer 
überrascht aber war er, wie er im Amte sofort zu seinem Vor⸗ 
gesetzten beschieden wurde und eine ausgiebige Nase erhielt, 
weil er in der Nacht nicht zu finden gewesen war. Tatsächlich 
war ein Mord, ein aufsehenerregendes Verbrechen vor— 
gekommen, unglückseligerweise gerade in der Stumpergasse, 
wenn auch nicht in dem Hause Nr. 36, verübt, welche Adresse 
der Kommissär in das Telephon hineingesprochen hatte, als er 
unter dem Anschein einer dienstlichen Berufung mit seinem 
Freunde sich verabredet hatte, um die Nacht durchzuzechen, 
während ihn seine Frau auf dem Tatort eines Verbrechens 
glaubte.
	        
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