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Nach diesem Manne sei eindringlich zu forschen, er sei in
Arrest zu setzen, und der Chiffrenschlüssel sei ihm abzunehmen,
erläuterte der Kollege dem bereits im Zuge Stehenden. „Spion,
großer Chiffrenschlüssel, abnehmen, Arrest setzen!“ wieder—
holte Gibler gewohnheitsmäßig den an ihn ergangenen Auftrag,
und gleich darauf dampfte der Zug aus Bregenz ab. Kurz
nachdem er in Lustenau eingelaufen war, ertönte die Klingel
des Telephons im Amtszimmer der Grenzkontrollstelle in
Bregenz. Polizeiagent Gibler meldete sich, und durch das
Telephon konnte man das Triumphierende seiner Stimme ver—
nehmen, als er mitteilte, daß es ihm gelungen sei, nicht nur den
einen signalisierten Spion, sondern gleich ihrer neun zu er—
mitteln, und daß alle von ihnen große Chiffrenschlüssel bei sich
gehabt hätten. Die neun Personen habe er in Lustenau dem
Gendarmeriearrest übergeben, während er selbst mit dem
nächsten Zuge zurückkehren werde, um die den Verhafteten
abgenommenen Chiffrenschlüssel zu überbringen.
Man war des Staunens voll, als sich in den Kreisen der
Grenzkontrollorgane die Nachricht von der Verhaftung der
neun Spione verbreitete, die Herrn Gibler gleich bei seiner
ersten Kontrollfahrt geglückt war. Selig nahm er bei seinem
Eintreffen die Glückwünsche seiner Kollegen entgegen und begab
sich dann in das Zimmer des Beamten, auf dessen Schreibtisch
er neun Schlüssel der verschiedenen Größenausmaße nieder—
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Schlüssel, der wohl das Tor irgendeines Bauernhauses auf⸗
schließen mochte, ferner einen großen vorsintflutlichen Schlüssel,
der als Verteidigungswaffe bei einem Angriffe hätte genügen
können, und noch vier andre Sperrwerkzeuge größten Kalibers.
„Was soll das? Vielleicht das Rüstzeug eines Einbrechers?“
erkundigte sich der Beamte. — „Aber, Herr Doktor, das sind
doch die großen Chiffrenschlüssel der neun von mir im Zuge
entdeckten und verhafteten Spione!“ erklärte Gibler sichtlich
gekränkt. — Ach, so schauen Chiffvenschlüssel aus?“ fragte der
Beamte höhnisch und schwang dabei das größte Kaliber der
Giblerschen Errungenschaften drohend gegen den Polizei—
agenten. Dann fuhr er aber selbst nach Lustenau hinüber,
um die dank der Unwissenheit des neuen Staatspolizisten
Inhaftierten rasch wieder in Freiheit zu setzen. Gibler aber
mußte am nächsten Tage das Feld seiner so ruhmlosen Tätig⸗
keit verlassen und nach Wien zurückkehren, vermutlich um
zuerst das ehrsame Handwerk eines Schlossers zu exrlernen und
dann wenigstens soweit in die Geheimnisse der Staatspolizei
— —
außert einer seiner Kollegen, einen Kassenschlüssel von einem
Chiffrenschlüssel unterscheiden känne.