Man kann und darf das erst dann tun, wenn es nicht
zur Erreichung phantastischer äußerer Ziele, sondern
zur Befriedigung. des’ inneren Seelendranges. unum-
gänglich notwendig wird, wenn es moralisch so un-
möglich wird, in den bisher bestehenden Verhältnissen
zu verbleiben, wie -es physisch unmöglich ist, ohne
Atmen zu- husten. Diesem Zustande bin ich nahe und
komme ihm von Tag zu Tag näher. |
Das, wozu Sie mir raten — meiner gesellschaft-
lichen Stellung zu entsagen, mein Vermögen unter jene
zu verteilen, die nach meinem Tode Anspruch darauf
zu haben glauben — das habe ich schon vor fünfund-
zwanzig Jahren getan. Aber das eine, daß ich mit
meiner Familie, mit Frau und Tochter, in schimpflichem
Luxus lebe, während mich die Armut umgibt, das quält
mich unaufhörlich und immer mehr und mehr. Es ver-
geht kein Tag, wo ich nicht daran denke, Ihren Rat zu
erfüllen.
Ich danke Ihnen vielmals für. Ihren Brief. Von
meinem vorliegenden Brief werde ich nur einen einzigen
Menschen in Kenntnis setzen. Ebenso bitte ich auch
Sie. ihn niemand zu zeigen.
Ihr
Sie liebender Leo Tolstoi.“
*
Trotzdem man. Tolstoi den einzigen Christen‘ ge-
nannt hat, den es in unserer Zeit gab, habe ich vielmehr
immer den Eindruck gehabt, daß er eine durchaus alt-
testamentliche Erscheinung war. So wie die heutige
christliche Frömmigkeit in ihrem Wesen der Gerechtig-
keit der Schriftgelehrten und Pharisäer gleicht, so
kommt mir Tolstoi wie ein alttestamentlicher Prophet
vor, der mit aller Gewalt die Welt den Geboten Gottes
unterwerfen wollte. Nur waren die Gebote Gottes, die
er vertrat, weniger alttestamentlich als buddhistisch.
Das grundsätzlich vegetarische Leben, die Eigentums-
losigkeit, die Art seiner Menschenliebe, die Gegner-
schaft gegen den Staat, die Verachtung von Kunst und
Kultur, der Verzicht auf den Reichtum der Daseins-
mittel und Liebensmöglichkeiten, die Verwerfung des
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