}i6. Lapitel
Sicherheit
Die unsichtbaren Tribute. — Hochfinanz und Locarno. — Die
Auseinandersetzung zwischen rechts und links. — Das französische
Sicherheitssystem. — Das Genfer Protokoll vom gerbst 1924. —
Deutschland und die englisch-französischen Garantiepaktverhand-
lungen.
Der große Kampf ist ausgekämpft und mit einem Zu
stand abgeschlossen worden, den die einen als Frieden, die
anderen als ein Zwischenstadium, eine Atempause bezeichnen.
England ist für die nächste Zeit mit den größeren Sorgen
seines Imperiums beschäftigt, die Auseinandersetzung mit
den Vereinigten Staaten steht bevor, es ist schon zu er
kennen, daß die beiden angelsächsischen Weltmächte den
weg eines vernünftigen, freundschaftlichen Kompromisses
gehen werden, der ihnen beiden die meisten Vorteile ge
währen wird.
Die beiden großen europäischen Festlandsmächte sind
vorläufig ganz durch ihre eigenen inneren Sorgen in An
spruch genommen. Frankreich und Deutschland müssen jetzt
die Folgen auf sich nehmen, die sich aus dem neuen, eben zu
Ende gegangenen Krieg ergeben. In Italien festigt der
Faschismus seine Stellung und baut sie durch kräftige innere
Reformen aus. Selbst Rußland hält sich zurück, die Periode
des Traums von der nahen weltrevolution ist vorüber.
Auch hier muß man einsehen, daß nur mit Wasser gekocht
wird und daß man erst das eigene Haus in Ordnung
bringen muß, wenn man Weltpolitik betreiben will.
Der Franken fällt, nicht in dem katastrophalen Tempo
wie seinerzeit die Mark, aber regelmäßig und mit einer
unheimlichen Konsequenz. Die französische Regierung weiß
jetzt, daß sie mit dem Trugbild unbegrenzter Reparationen
nichts mehr anfangen kann, was Frankreich in Zukunft
erhalten wird, ist im Dawesplan von der amerikanischen
Hochfinanz klipp und klar festgestellt worden. Mehr gibt
es nicht, man hat sich damit einzurichten. Die Vereinigten
Staaten drängen jetzt mit größerer Hartnäckigkeit auf die
Regelung ihrer im Kriege an Frankreich gegebenen Kredite.