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Andr^ Tardieu, Clemenceaus Sekretär, entwickelt eine
unheimliche Geschäftigkeit. Er eilt von Rommission zu
Rommission, in zwanzig Rommissionen ist er aktives Mit
glied, und überall führt er durch Sachkenntnis und Dialek
tik. Die Engländer und Amerikaner sperren Mund und
Nasen auf, da können sie nicht mit. Tardieu verdoppelt
seine Arbeitskraft. Am Horizont dieser Bienengeschäftigkeit
taucht der Plan eines Vorfriedensvertrages mit Deutsch
land auf, in dem man kurzerhand alles zusammenfassen will,
was Clemenceau, Balfour und winston Churchill sich unter
dem Frieden vorstellen.
Einmal meint Tardieu mit leiser Besorgnis zu seinem
kranken Chef, der vom Bette aus den ganzen Apparat
leitet: „was wird Wilson sagen, wenn er zurück ist)" Cle-
meneeau starrt seinen Adlatus an. Er begreift nicht. Es
ist ihm ganz gleichgültig, was der Messias sagen wird. Er
wird toben, er wird drohen, er wird die Hände ringen —
was interessiert es ihn, Georges Llemenceau) Frankreichs
Blut hat den gefräßigen Rrieg viereinhalb Jahre lang ge
nährt — Frankreich wird den Frieden bestimmen.
Zu dieser Zeit wird in Trier der Waffenstillstand mit
den Deutschen verlängert. Die Bedingungen diktiert Mar
schall Foch. Man muß sorgen, die Boches ganz Ln die Hand
zu bekommen, damit sie nicht aufmucken, wenn sie die Be
stimmungen des Friedens erfahren. Je kräftiger man zu
faßt, um so glatter wird alles sich vollziehen. In Clemen-
ceaus Gehirn ist kein Raum für die Vorstellung, die Deut
schen könnten ihre Unterschrift im Ernst verweigern. Der
Sieg ist, wie sich herausgestellt hat, so hemmungslos, daß
es dem Sieger freisteht, über jede Grenze hinwegzuschreiten.
Die deutsche Regierung lebt von den Gewehren einer Hand
voll Soldaten und von dem Gutdünken einiger monar
chistischer Offiziere.
In den vier Wochen, in denen Wilson drüben erkennen
muß, daß sein eigenes Volk von dem idealen Flug seiner
Weltbeglückung nichts wissen will, wird in Paris von
seinem Völkerbund kein Wort gesprochen. Als der Prä
sident — diesmal am dreizehnten — zurückkehrt, müder, ab
gespannter, nervöser noch als bei der Abreise von Brest,
ist die Übereinkunft zwischen Clemenceau und den Englän
dern beinahe perfekt. Man will einen Präliminarfrieden