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zu räumen — es brauche Deutschland nur mitzuteilen, daß
es auf Gnade und Ungnade kapitulieren müsse.
London holt zum Gegenschlag aus. Am )). August wird
ein Gutachten der englischen Rronjuristen veröffentlicht, Ln
dem die französisch-belgische Aktion im Ruhrgebiet als
außerhalb des Versailler Vertrags stehend, als ein Bruch
des Vertrages bezeichnet wird.
Dieser scheinbar so wuchtige Schlag landet im Wasser,
poineare ist es im Sinne seiner Verschleppungstaktik
höchst erwünscht, wenn er sich jetzt auf eine theoretische Aus-
einandersetzung über die Rechtmäßigkeit oder Unrecht
mäßigkeit seines Vorgehens einlassen kann. Mit Vergnü-
gen eröffnet er die Diskussion mit einem Gutachten fran
zösischer Juristen. Bald ist er mit einem Eifer bei der
Sache, als habe er sonst nicht das geringste zu tun. Er
spricht von Spa, von London, von der Besetzung Frank
furts, der Ruhrhäfen, er sucht mit den verzwicktesten juri
stischen ^Konstruktionen den Engländern nachzuweisen, daß
sie selbst Ln gewissen Zeiten über das Recht zu Sanktionen
einmal anders gedacht haben.
Die Engländer antworten, Poincar6 macht Replik.
Virtuos spielt er das Instrument seiner gerissenen Runst.
wie beiläufig nimmt er die Gelegenheit wahr, den Briten
die Gefahr auseinanderzusetzen, die ihnen von Deutschlands
Industrie später drohen wird, wenn nicht die Franzosen
— aus reiner alliierter Freundschaft, bei Gott! es kostet sie
Geld genug — dafür sorgten, daß dieser deutschen Industrie
ein wenig die Fingernägel beschnitten würden. Ist es nicht
besser, ruft er, den Spieß mit verblüffender Geste um
kehrend, wenn man sich freundschaftlich einigt, wo jeder
mann doch einsehen muß, daß die englischen Interessen mit
den französischen völlig übereinstimmen;
Und schon folgen die Lobeshymnen auf die alliierte
Waffenbrüderschaft im Rriege, die Erinnerung an die ge
meinsamen Ideale, der Appell an die Tränendrüsen des
Publikums, das Idol der Zivilisation, die es zu retten gelte,
das Gaukelspiel der Rniffe, die Schlitzäugigkeit der Phrase
ologie.