Volltext: Das Weltkriegsende

Der Reichstag 
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amtes, Admiral v. Capelle, zur Sprache, daß der Versuch gemacht 
worden sei, Mannschaften der Flotte zur Gehorsamsverweigerung zu 
verleiten, um so die Flotte lahmzulegen und den Frieden zu er¬ 
zwingen. Da hierbei drei Abgeordnete der Unabhängigen Sozial¬ 
demokratie persönlich des Zusammenspiels mit den Matrosen be¬ 
schuldigt wurden, und der Reichskanzler die Partei der Unabhängi¬ 
gen als jenseits der Linie der Vaterländischen Front stehend bezeich¬ 
nete, entwickelte sich ein schwerer Konflikt zwischen ihm und dem 
Reichstage, der nunmehr seinerseits zu einer aktiven Politik über¬ 
ging. Der Rücktritt des Reichskanzlers Michaelis erschien dabei ge¬ 
radezu als eine Selbstverständlichkeit. Durch Vermittlung des Chefs 
des Zivilkabinetts v. Valentini wurde dem Kaiser am 23. Oktober 
ein Schriftstück der Mehrheitsparteien überreicht, das den Kanzler¬ 
wechsel bereits als unabänderlich erscheinen ließ. Wörtlich hieß es 
darin: „Sollte Seine Majestät der Kaiser zu dem Entschluß kom¬ 
men, einen Kanzlerwechsel eintreten zu lassen, so dient es dem höch¬ 
sten Staatsinteresse, für ruhige innerpolitische Entwicklung bis 
Kriegsende volle Gewähr zu schaffen. Rur hierdurch kann diejenige 
Geschlossenheit hergestellt werden, deren das Volk in Waffen und in 
der Heimat dringend bedarf. Der Weg zu diesem Ziel ist eine ver¬ 
trauensvolle Verständigung über die äußere und innere Politik des 
Reiches bis zum Kriegsende. Die innerpolitischen Schwierigkeiten 
der letzten Monate sind auf den Mangel einer solchen Verständigung 
zurückzuführen." 
Der Anspruch des Reichstages auf Mitberatung trat alsdann 
deutlich in den Schlußworten zutage: „Seine Majestät den Kaiser 
bitten wir daher, vor der von ihm zu treffenden Entschließung die 
zur Leitung der Reichsgeschäfte in Aussicht genommene Persönlich¬ 
keit zu beauftragen, sich mit dem Reichstag zu besprechen." Das be¬ 
deutete den ersten Vorstoß auf dem Wege zur Parlamentarisierung 
der Reichsleitung. 
Am 1. November 1917 genehmigte der Kaiser den Rücktritt 
des Reichskanzlers Michaelis und berief den bayerischen Minister¬ 
präsidenten Grafen Hertling an seine Stelle. Dieser hatte, wie bereits 
mitgeteilt, im Juli 1917 die Nachfolge des Reichskanzlers v. Beth- 
mann Hollweg abgelehnt. Nunmehr waren so dringende Ruse des 
Kaisers und des Königs von Bayern an ihn ergangen, daß er sich in 
vaterländischem Interesse verpflichtet fühlte, die schwere Bürde des 
Kanzleramtes im Alter von 74 Jahren auf sich zu nehmen. Sein Ent¬ 
schluß wurde ihm dadurch erleichtert, daß „die O.H.L. feierlichst er¬ 
klärt hatte, sich in die Führung der Politik nicht mehr einmischen zu 
wollen" 
9 „Ein Jahr in der Reichskanzlei", S. 14. 
Schwertfeger. Das Weltkrlegsende 
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