Volltext: Das Weltkriegsende

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14 Politik und Kriegführung bis zur Großen Schlacht in Frankreich 1918 
Dingen tätigen Anteil zu nehmen begann. Der Bülowschen Kanzler¬ 
zeit blieb es vorbehalten, das allmähliche Hineinwachsen des Insel- 
reiches in die Verflechtungen der europäischen Politik, die Ent¬ 
stehung der Entente cordiale vom 8. April 1904 und der russisch- 
englischen Vereinbarungen vom August 1907 als kaum interessierte 
Zuschauerin so gefährlichen Geschehens zu erleben. 
Deutschland hat den Weltkrieg nicht gewollt. Es hatte, wie es 
der belgische Gesandte in Berlin wenige Wochen vor Kriegsausbruch 
am 12. Juni 1914 nach Brüssel berichtete, einen Krieg nicht nötig. 
Wörtlich erklärte er* bei seiner Betrachtung der deutsch-französischen 
Gegensätze: „In wenigen Jahren wird ein Gleichgewicht der Kräfte 
zwischen Deutschland und seinen Nachbarn nicht mehr möglich sein. 
Deutschland braucht sich nur zu gedulden, braucht nur in Frieden 
seine wirtschaftliche und finanzielle Macht dauernd weiter zu stei¬ 
gern, braucht nur die Wirkungen seines Geburtenüberschusses abzu¬ 
warten, um ohne Widerspruch und ohne Kampf in ganz Mittel¬ 
europa zu herrschen." Als der Weltkrieg nun doch kam, zeigte sich 
sofort, unter welcher schweren Anfangslage Deutschland, von allen 
Seiten umringt, seinen Kampf zu führen hatte. England stand auf 
der Gegenseite: das war die herbste Enttäuschung des Reichskanzlers 
v. Bethmann Hollweg, dem es eine unparteiische Geschichtsschreibung 
später einmal bestätigen wird, daß er kein Mittel unversucht gelassen 
hat, um die ihm von Bülow überkommene außerordentlich schwere 
Erbschaft mindestens durch Abbau des deutsch-englischen Gegensatzes 
ein wenig günstiger zu gestalten. 
Die politische Leitung. 
Daß es der deutschen Politik im Sommer 1914 nicht gelang, 
wenigstens die Neutralität Englands sicherzustellen, ist zweifellos der 
Ausgangspunkt für die Ablehnung Bethmann Hollwegs durch die 
Männer der militärischen Leitung gewesen. So war in dem Trium¬ 
virat der deutschen obersten Kriegsleitung von vornherein ein Ge¬ 
gensatz vorhanden, der schließlich auch den Personenwechsel in den 
maßgebenden Stellen überdauert hat. Dabei konnte kaum eine Frage 
wichtiger sein als die dauernde vertrauensvolle Zusammenarbeit 
zwischen den politischen und militärischen Trägern der Verantwort¬ 
lichkeit. Auf die Auswahl der Persönlichkeiten an den leitenden 
Stellen kam es in allererster Linie an; sie waren es, die dem tat¬ 
sächlichen Geschehen die eigentliche Richtung geben mußten. Keine 
friedensmäßige Vorarbeit aber kann die Sicherheit dafür geben, daß 
in den Bewährungsstunden eines großen Krieges Reibungen perso¬ 
neller Art ausbleiben. Im Gegenteil beweist es gerade die Geschichte, 
daß in solchen Zeitläuften Menschliches, Allzumenschliches sich häufig 
1 Baron Beyens.
	        
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