Volltext: Das Weltkriegsende

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Das Herbeirufen der Politik 
tun, und ferner ermächtigt, diesen Auftrag dem Vizekanzler v. Payer 
als der für die Innenpolitik hauptsächlich verantwortlichen Persön¬ 
lichkeit zu übermitteln, konnte sich nun noch während der Fuhrt nach 
Berlin durch Major Frhr. v. dem Bussche über den Ernst der Lage 
unterrichten lassen. Danach kam es für das Friedens- und Waffen¬ 
stillstandsangebot „unter Umständen auf einen Gewinn nicht nur von 
Tagen, sondern von Stunden an." General v. Gontard sprach sogar 
von der Möglichkeit eines Durchbruches und Aufrollens von Teilen 
der Westfront und bat den Grafen Roedern dringend, alles irgend 
Mögliche für die Beschleunigung der Dinge zu tun. Dabei bezog er 
sich auf die Eindrücke, die er als alter Offizier in den zahlreichen Ge¬ 
sprächen der letzten Tage im Großen Hauptquartier gewonnen habe. 
Noch vor seiner Abreise aus Spa hatte Hintze am 29. September 
9 Uhr 40 abends dem Unterstaatssekretär W. v. Stumm nach Berlin 
mitteilen lassen, er möge auf Grund eines Befehls des Kaisers und 
der Zustimmung des Reichskanzlers in Wien und Konstantinopel 
vertraulich mitteilen, er schlage vor, dem Präsidenten Wilson auf 
Grund seiner 14 Punkte Frieden anzubieten und ihn einzuladen, eine 
Friedenskonferenz nach Washington einzuberufen unter Aufforde¬ 
rung zu sofortigem Waffenstillstand. Wenn unsere Verbündeten zu¬ 
stimmten, würde die in Bildung begriffene neue Reichsregierung den 
Vorschlag auf geeignete Weise an Wilson gelangen lassen, so daß der 
Vorschlag erst von ihr ausgehen würde. Rach Sofia teilte Hintze am 
30. September mit, die gesamte Lage zwinge uns, baldigst mit einem 
Friedensangebot an Amerika heranzutreten. 
Mit der Absendung des Telegramms an W. v. Stumm und den 
daraufhin verfügten Erlassen dös Auswärtigen Amtes an die Bot¬ 
schaften in Wien und Konstantinopel, die noch in der Nacht vom 29. 
zum 30. September abgingen, war ein unwiderruflicher Schritt ge¬ 
schehen. Deutschlands Verbündete wußten nunmehr amtlich, daß wir 
einen Schritt tun mußten, der weit über ihre Befürchtungen hinaus¬ 
ging. Dennoch bestand für die Absendung des Waffenstillstandsange¬ 
botes noch eine Gnadenfrist. Der Kaiser zwar hatte, offenbar von der 
Notwendigkeit des Schrittes innerlich nicht ganz überzeugt, den Vor¬ 
schlägen des Staatssekretärs v. Hintze zugestimmt. Dieser, seit meh¬ 
reren Wochen bereits befürchtend, daß die Lage an der Westfront ern¬ 
ster sei, als die O.H.L. zugeben wolle, bot nunmehr alles auf, um den 
von der O.H.L. so dringend geforderten Schritt von sich aus zu be¬ 
schleunigen. Noch aber war der für die Absendung des Angebots ver¬ 
antwortlich zeichnende Reichskanzler nicht gefunden, und es bestand 
noch die Möglichkeit, daß staatsmännifch überlegtes, ruhiges Durch¬ 
denken der Lage vielleicht doch noch zu einem anderen Ergebnis ge¬ 
langen würde.
	        
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