Volltext: Das Weltkriegsende

Der 29. September 
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geres Hinhalten. Der Feldmarschall und General Ludendorff sind 
unabhängig von einander zur Überzeugung gekommen, daß keine 
Stunde mehr verloren werden darf" “. 
Die entscheidende Besprechung unter Vorsitz des Kaisers, an der 
nur Hindenburg, Ludendorff und Hintze teilnahmen, begann zwischen 
11 und 12 Uhr. Hintze erstattete zunächst seinen Vortrag über die 
außenpolitische Lage. Darauf fragte ihn der Kaiser nach der Lage im 
Innern. Hintze meldete, hierfür fühle er sich nicht zuständig, und der 
Reichskanzler, der kompetente Beurteiler, werde am Nachmittage ein¬ 
treffen. Auf Befehl des Kaisers schilderte Hintze dann die innere 
Lage, so wie er sie ansah, ohne Folgerungen daraus zu ziehen oder 
Vorschläge daran zu knüpfen. Der Kaiser hörte ihn fast ohne Unter¬ 
brechung an und verlangte darauf den Vortrag des Feldmarschalls. 
Dieser sprach sich ebenso aus, wie General Ludendorff in der vorher¬ 
gehenden Besprechung zu vieren, und erklärte schließlich, das Heer 
bedürfe sofortigen Waffenstillstandes, was Ludendorff sodann be¬ 
stätigte. 
Der Kaiser befahl nunmehr Hintzes Vorschläge, der das Für und 
Wider einer Diktatur auseinandersetzte. Der Kaiser tat diesen Aus¬ 
weg mit dem Satze ab: „Diktatur ist Unsinn". Hintze entwickelte dar¬ 
auf die Gefahr einer Revolution und den Gedanken, sie dadurch zu 
„kanalisieren", daß eine stärkere Beteiligung an der Regierung ein¬ 
geleitet werden sollte. Sodann schlug er vor, den Präsidenten Wilson 
zur Herbeiführung einer Friedenskonferenz auf der Grundlage seiner 
14 Punkte mit Selbstbestimmung der Völker und unter Verwerfung 
des wirtschaftlichen Boykotts einzuladen und gleichzeitig, dem Verlan¬ 
gen der O.H.L. gemäß, einen sofortigen Waffenstillstand anzubieten. 
Der Kaiser hörte den Vortrag in beherrschter Bewegung und wür¬ 
diger Haltung an und erklärte sich mit dem entwickelten Programm 
einverstanden. Ein Abschiedsgesuch des Staatssekretärs v. Hintze 
lehnte er ab. Auch er war durch die Forderung eines sofortigen Waf¬ 
fenstillstandes völlig überrascht worden, fügte sich aber dem Votum der 
O.H.L. ohne weiteres. Auf den Versuch, den so außerordentlich be¬ 
deutungsvollen Entschluß zu erschüttern, hat er verzichtet und damit 
in seiner Eigenschaft als Oberster Kriegsherr die volle Verantwortung 
dafür persönlich übernommen. 
Der weltgeschichtliche Entschluß war gefaßt. Aber noch drohte 
eine neue Schwierigkeit. Sollten entscheidende Verhandlungen mit 
der Gegenseite angesponnen werden, so mußte eine verhandlungs¬ 
fähige Regierung vorhanden sein. Es war aber bekannt, daß der 
Reichskanzler Graf Hertling nach seiner ganzen Vergangenheit und 
18 Niemann, Kaiser und Revolution, S. 88.
	        
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