Volltext: Das Weltkriegsende

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Das Herbeirufen der Politik 
bürg eingriff und den Wunsch äußerte, der Staatssekretär möge bei 
Friedensschluß die Annexion von Briey und Longwy durchsetzen, 
schnitt General Ludendorff das mit den Worten ab: „Dazu ist jetzt 
nicht mehr die Zeit." 
Der Staatssekretär v. Hintze sah sich in einer furchtbaren Lage. 
Für ihn stand die weitere Besprechung völlig unter dem Zeichen des 
Wortes: „Jede Stunde Verzuges ist eine Gefahr." AIs alter Marine¬ 
offizier und unerschrockener Mann hatte er für keinen der von ihm 
dargelegten Auswege irgendeine Vorliebe. Die Revolution von oben 
sollte für ihn nur ein Mittel sein, die Revolution von unten, die er 
für Selbstmord hielt, zu verhindern. Durch die Initiative des Mo¬ 
narchen in Szene gesetzt sollte sie einen Übergang bilden und die Um¬ 
stellung von Sieg auf Niederlage durch Heranziehung möglichst vieler 
Persönlichkeiten von allgemeinem Vertrauen zur Mitwirkung an 
der Regierung tragbar machen. Unter der Losung „Das Vater¬ 
land ist in Gefahr!" hoffte er alle wertvollen Kräfte der Nation 
zu sammeln. Das große, rein menschliche und sachliche Über¬ 
gewicht der Heerführer wirkte bei der Unterredung auf Hintze, 
wie bei anderen Gelegenheiten auch auf alle anderen Persönlichkeiten, 
so stark, daß Zweifel daran, ob die Kriegslage auch wohl zutreffend 
beurteilt werde, ob sie wirklich so ernst sei und vielleicht so schwere 
Schritte wie die Anbahnung eines Waffenstillstandes gar nicht erfor¬ 
dere, bei ihm überhaupt nicht aufkamen. Hintze faßte die ihm geschil¬ 
derte Lage so auf, daß es nur noch gelte, einer befürchteten Katastrophe 
vorzubeugen. Diese Ansicht hatte er immer schon gehegt. Er kam, wie 
er selbst bekundet hat, am 29. September 1918 nach Spa in der Auf¬ 
fassung, die O.H.L. zum Frieden bereit zu finden: diese begegnete ihm 
mit der dringenden Forderung nach sofortigem Waffenstillstand. 
Beide Heerführer stimmten seinem Programm kurz nach 11 Uhr vor¬ 
mittags mit der Maßgabe zu, daß sofort ein Waffenstillstand herbei¬ 
geführt werde. 
Auch der Kaiser war inzwischen von Herbesthal in Spa einge¬ 
troffen. Während der Autofahrt sprach er mit Major Niemann ein¬ 
gehend über die militärische Lage. Mit keinem Worte war davon die 
Rede, daß es nötig sein würde, unseren Feinden Waffenstillstand und 
Frieden anzubieten. Als Major Niemann gegen 9 Uhr früh, also 
noch vor der entscheidenden Besprechung der Heerführer mit dem 
Staatssekretär v. Hintze im Hotel Britannique, mit dem Kaiser in 
Spa eintraf, erfuhr er von dem Chef der politischen Abteilung des 
Großen Hauptquartiers, General v. Bartenwerffer, den Entschluß, 
den Feinden Waffenstillstand und Frieden anzubieten. Das übertraf 
Niemanns schlimmste Erwartungen. Er glaubte, sich verhört zu ha¬ 
ben. Darauf erklärte der General:: „Unsere Lage verträgt kein län-
	        
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