Volltext: Im Reiche des Kalifen [94/95/96]

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Jerusalemer Telegraphendirektor klüger war als wir, die 
Zwecklosigkeit seiner Anfragen an seine Kollegen einsah und 
die Depeschenspesen für sich behielt. ... 
Die Einleitung war demnach durchaus nicht ermutigend; 
dennoch beschlossen wir, die seltsame Reise zu riskieren. Die 
Pferde wurden gesattelt, und wir ritten über Rabbatt nach 
Amman, um uns die Antwort selbst zu holen. Nachdem wir 
gegen Erlag von fünf Franken Gesundheitspässe erhalten 
hatten, um anstandslos die Brücke über den Jordan bei 
Jericho passieren zu können, brachen wir frühmorgens auf. 
Nach fünfstündigem, gemächlichem Ritte erreichten wir Jericho. 
Hier erzählte uns der Ortsvorsteher, daß wir zu gluͤcklicher 
Stunde angelangt wären. Vor acht Tagen hätte naͤmlich die 
Wache an der Brücke einen russischen Reisenden trotz seines 
Gesundheitspasses zurückgewiesen, und der Unselige war ge— 
zwungen, drei Stunden nwördlich den Jordan hinaufzureiten, 
wo ihn ein Araber gegenꝰ ein Trinkgeld von drei Napoleons 
heimlich über den Fluß brachte; vom andern Ufer mußte er 
dann seine Reise bis Rabbatt-Amman auf Eseln und Kamelen 
fortsetzen. Einigen katholischen Geistlichen gelang es allerdings 
später, die Brücke zu passieren; allein sie mußten, troßdem 
sie im Besitze von Gesundheitsattesten waren, dem wacht— 
habenden Offizier ein Extrabakschich von zwanzig Franken 
bpro Mann geben. Knapp vor unsrer Ankunft aber war dieser 
Offizier versetzt worden, und jetzt — versicherte uns der Orts— 
vorsteher — versieht ein andrer den Dienst, der sehr anständig 
sei und uns nichts expressen werde. Und er sprach die Wahrheit; 
als wir am andern Morgen von Jericho aufgebrochen waren 
und um halb sechs Uhr an die Jordanbrücke kamen, schlief 
die Wache noch und das Brückentor war geschlossen. Wir 
weckten die Wache, die Wache weckte den Befehlshaber — und 
Wunder über Wunder: als wir unsre Jerufalemer Gesund— 
heitspässe vorwiesen, ließ man uns sogleich passieren; in 
stummer Dankbarkeit drückten wir dem braven Offizier eine 
freiwillige Gabe von zehn Franken in die Hand. 
Der Ritt in der frischen Morgenluft war wunderbar. 
In anderthalb Stunden erreichten wir den Ort Nimrin und 
nach weiteren anderthalb Stunden befanden wir uns in einem 
herrlichen Tal, das wir in einer halben Stunde durchquerten, 
um dann eine Bergesspitze zu exklimmen. Ein weiterer Blick 
bot sich von hier aus über die ganze Jordanebene über Jericho 
hinweg bis zum Toten Meer und bis zum Oelberg Der 
Abstieg bringt uns nach zehn Minuten zu einem Felsen⸗Amphi⸗ 
kheater; das sind die Reste der einstmaligen Burg, die Hyrkan 
im Jahre 180 v. Chr. erbaut hat. Zertruͤmmerte Löwenfiguren 
sind die letzten Zeugen vergangener (Pracht. Im Weiterreiten
	        
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