Volltext: Der Kettenhandel als Kriegserscheinung [Heft 3]

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Vermittlertätigkeit aus, die in der vorliegenden Form mit der 
üblichen Maklerprovision abzugelten ist, die aber allermeist wirt 
schaftlich überflüssig ist, und für die diese Vermittler dann einen 
Verdienst überhaupt nicht beanspruchen können. Verlangen sie kn 
einem solchen Falle gleichwohl Entschädigung, so sind sie Ketten 
händler. 
Reinen Kettenhandel betreiben offenbar auch zahlreiche Gelegen 
heits-Kriegshändler, welche systematisch Aufträge ergattern und 
diese mit Abschlag an andere weiterverhandeln. 
Daß das einfache Abschreiben von Preislisten großer 
Unternehmungen unter Erhöhung der Preise und ihre Ver 
sendung an Bekannte und Unbekannte als eigene Angebote auf 
Fälle des Kettenhandels hinweist, bedarf keiner weiteren Erörterung. 
Bei der gerichtlichen Verfolgung des Kettenhandels kommen 
häufig Grenzfälle vor, kn denen das Vorliegen eines Ketten 
handels zweifelhaft, wohl aber bei einzelnen Gliedern der Handels 
kette übermäßige Preissteigerung an sich erwiesen ist. Nun klammern 
sich die betreffenden preisstekgerer fast stets an den Begriff Markt 
lage in der Bekanntmachung vom ZZ.Iuli 1915 und suchen darzutun, 
daß die Marktlage den genommenen preis oder noch höhere gerecht 
fertigt hätte. Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß zur 
Zeit des Erlasses dieser Bekanntmachung eine wirkliche Marktlage 
im Sinne unseres sonstigen Rechts für viele Artikel noch bestand, sich 
heute dagegen infolge unserer immer schärfer gewordenen Absperrung 
vom Weltverkehr, der immer größer werdenden Warenknappheit, der 
fortschreitenden öffentlichen Bewirtschaftung und ähnlicher Ursachen 
eine solche allermeist nicht mehr bilden kann. Infolgedessen hat 
das Reichsgericht*) derartige „Marktlagen" zutreffend als Not- 
marktlagen bezeichnet, denen rechtlich eine Beachtung nicht bek- 
gemessen werden könne. Müßten doch bei den zu berücksichtigenden 
Verhältnissen auch die die Marktlage selbst erst erzeugenden Umstände, 
wie die Angebot und Nachfrage regelnden Ursachen berücksichtigt 
werden. Mit Recht spricht daher der höchste Gerichtshof aus, daß 
bei solcher Notmarktlage die vom Gesetz gewollte richtige Berück 
sichtigung der „Marktlage" geradezu ein Heruntergehen unter den 
Marktpreis erheischt. Bei der Feststellung, ob eine übermäßige 
Preissteigerung vorliegt, kommt es hauptsächlich darauf an, welcher 
Gewinnaufschlag genommen ist. Ob der geforderte oder genommene 
*) Vergl. Urteile des Reichsgerichts vom 14. Februar und 10. März 1916 
— Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 49 S. 398 und 435, 
ferner abgedruckt in den „Mitteilungen der Reichsprüfungsstelle für Lebensmkttel- 
preise" S. 65 —.
	        
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