Volltext: Der Kettenhandel als Kriegserscheinung [Heft 3]

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ähnlich. Der Warenhunger ließ die hochentwickelte Warenkenntnis, 
dieses wichtigste Betriebskapital des Großhandels im Frieden, oft 
nebensächlich werden, das Risiko des Waren- oder Geldverlustes 
schwinden, machte Lagerhaltung und Lagerkapktal oft und öfter 
überflüssig. 
Diese Möglichkeiten des leichten Zwischengewinnes lockten aber 
aus zahlreichen andern Gebieten des Wirtschaftslebens die spekulativen 
Köpfe schnell und massenhaft in den Handel der, dringlichst begehrten 
Waren, der Nahrungsmittel, hinein. Viele anderen Geschäftszweige 
waren ja lahm gelegt,- der blühende Außenhandel unserer Seestädte 
erstarrte in großen Teilen mit einem Ruck, und manchen Erwerbs 
zweigen des Binnenlandes ging es bald nicht anders. So wurden 
aus ganz andern Wirtschaftsgebieten nicht nur Arbeitskräfte, sonderir 
auch Kapitalien frei, zumal gerade solche, die ohnehin stark spekulativ 
sich zu betätigen gewohnt waren: Buchmacherund Lottertekollekteure, 
zahlreiche Grundstücksmakler, auch Immobiliengesellschaften, Film- 
fabrikanten und Wäschekonsekttonäre, aber auch Kassiererinnen und 
Haushälterinnen und zahlreiche andere, die nie mit dem Lebensmittel 
geschäfte etwas zu tun gehabt hatten, drängten sich jetzt, wie oft fest 
gestellt, in dieses hinein. Kraft der Gewerbesrekheit hofften sie nun 
an diesem jetzt so heiß begehrten Artikel ebenso gut wie die anderen 
verdienen zu können. 
Die Nachfrage dieser herandrängenden Außenseiter mußte schon 
an sich im Großhandel die Preise steigern. Die meisten von ihnen 
waren aber zudem weit höhere Gewinnsätze gewohnt, als sie im 
Lebensmittelverkehr sonst erzielt wurden. Dieser hatte wegen 
schnellster Umschlags fristen, geringer Werbespesen, vorgeschrittener 
Vertriebsformen (Konsumvereine, Großfilialbetrkebe, Einkaufs 
verbände) mit weit niedrigeren Zuschlägen arbeiten gelernt als die 
weitaus meisten anderen Handelszweige. Die Außenseiter kamen 
aber meistens aus solchen, in denen schon im Frieden wegen lang 
sameren Umschlages, höheren Risikos und höherer Liebhaberwerte 
weit höhere Handels- und Vermittlerzuschläge üblich gewesen waren 
(z. B. Textklgewerbe, sonstige Modewaren, Export). Nun übertrugen 
sie die ihnen bisher geläufigen Aufschlagssätze ohne weiteres auch in 
den Lebensmittelverkehr. 
Auch Handelsbräuche, die dieser nie gekannt hatte: Wo irgend 
ein „Posten" Ware angeboten wurde, da suchten ihn diese Gelegenheits 
vermittler sich zu sichern und sofort in den Geschäftsformen des reinen 
Spekulantentums weiterzugeben. Sie brachten, wie unten noch zu 
zeigen, aus dem Auktionssaale das öffentliche Auffordern zu Höchft- 
angeboten, vor allem aber das Streben nach dem reinen Differenz-
	        
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