Volltext: Der Kettenhandel als Kriegserscheinung [3 = Sonderheft]

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gutem so dringend, daß sie geradezu anstelle des Geldes zum allge 
meinen Wertmesser werden, so daß man in manchen Gegenden 
Österreichs geradezu von einer „Tabakwährung " sprach. Der Höchst 
preis führte zur übermäßigen Berechnung kleiner Nebenleistungen 
(für Verpackung, örtlichen Transport, Kreditgewährung). Er führte 
zum Übergang zu Ersatzmitteln, und alsbald begann bei diesen das 
Spiel der Verteuerung aufs neue, bis solche Surrogate im preise 
höher standen als die preksgeschützte Ware und diese selber, um ihrer 
Bindung durch Höchstpreise zu entgehen, in die Ersatzmittel hineinge 
arbeitet wurde. Für viele andere Waren kamderVertragspreis, 
ein festgelegter Sah, der durch Vereinbarung zwischen Interessenten- 
Verbänden und Behörden entsteht. Wer dabei die Forderungen 
von Interessenten bezw. die vorgelegten „Selbstkostenberechnungen" 
mancher Verbände nachgeprüft hat, der mußte gelegentlich über die 
Unbefangenheit staunen, mit der einzelne von ihnen offene und ver 
steckte Gewinne weit über alles zu steigern suchten, was je im 
Frieden erreicht worden war. Und da mit den preisen zugleich 
auch die Qualitäten festgelegt werden mußten, so entwickelte sich in 
manchen Gewerbebetrieben der Mißbrauch, schlechte Qualitäten zu 
den für gute vorgeschriebenen preisen zu vertreiben. So wurde der 
„Qualitätswucher" eine neue Abart des Kriegswuchers. 
Es kam dann die Beschlagnahme und dazu für Lebensmittel 
die Kopfzuteilung unter Festsetzung mäßiger Höchstpreise. Alsbald 
wirft sich der Spekulant auf Auslandsware, soweit sie nicht gesetz 
lichen Preisbindungen unterliegt, auch aus Inlandswaren, die dieser 
Verstrickung entgangen sind oder ihr auf seltsamen, unten noch zu 
zeigenden Umwegen entzogen werden, um am ungedeckten Mehrver 
langen der bestbemittelten Volksschichten umso höhere preise zu ge 
winnen. Gelegentlich muß auch die Not der Mittellosen noch diesem 
Zwecke dienen: Abgesparte Mengen werden bei den ärmsten Bezugs 
berechtigten zusammengekauft und vermehren, im preise rasch und 
stark gesteigert, die „beschlagnahme- und verkehrsfreken" Vorräte,- 
selbst für gestohlene und abgesparte Brotmarken gab es in Groß 
städten gelegentlich so etwas wie einen festen Marktpreis, der anfangs 
die Höhe des gesetzlichen Brotpreises erreichte und diesen schließlich 
weit überschritt. 
Für alle anderen, nicht mit solchen gebundenen preisen belegten 
Waren kam allgemein die Bekanntmachung gegen übermäßige Preis 
steigerung vom 23. Jul! 1915. Diese bedroht mit schweren Strafen 
jeden, der für Gegenstände des täglichen Bedarfs „preise fordert, 
die unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse, insbesondere 
derMarktlage, einen übermäßigenGewinn enthalten, odersolche preise
	        
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