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einst muß der Kunde umworben, mit Reklame gelockt, mit reich
haltigen Lägern angezogen, mit Zahlungserleichterungen ermun
tert werden. Jedes Lebensmittel, jeder Gegenstand des täglichen
Bedarfes wird in der Krkegszeit vom Verbraucher so dring
lich begehrt und ist zugleich in den Verkaufsstellen des Kleinhandels so
knapp, daß der Großhandel ihn alsbald mit gutem Gewinn absetzen
und dem Verbrauch zuführen kann. Eben deswegen bedarf es nicht
der vielen Werbeorgane im Absatz, nicht der stets gefüllten Läger, nicht
der „Kulanz" bei der Bezahlung. Es verringern sich in Groß- und
Kleinhandel viele dieserAufgaben,- ekneAbkürzung der alten Handels
kette wäre wirtschaftlich sehr wohl möglich undistbeiWarenmitHöchst-
preisen und bei bewirtschafteten Waren auch tatsächlich oft erfolgt.
Der Kettenhandel tut das Umgekehrte. Er verkehrt das volks
wirtschaftliche Ziel des Handels in sein Gegenteil. Verbrauchsreife
Waren, deren der knapp versorgte Verbrauch dringend bedarf, werden
ihm vorenthalten. 2m Hasten nach einem Teil der immer noch möglichen
Preissteigerung wird dieWare, die immer weiter gehandelt wird, ganz
aus den Augen verloren. Sie wird nicht abgesetzt in derZeit, wo sie am
nötigsten gebraucht wird, oftmals nicht einmal zu der Zeit, wo sie
noch voll gebrauchsfähig ist. Nicht selten war sie schon während
des Kettenhandels verdorben und zum menschlichen Gebrauch un
geeignet geworden, wurde aber ahnungslos noch immer weiter ge
schoben, als die Partie schon längst jeden Handelswert überhaupt
verloren hatte.
Zu seiner volkswirtschaftlichen Rechtfertigung kann der Ketten
handel auch nicht für sich in Anspruch nehmen, was man dem Spe-
kulatkvhandel der Börse wohl zugesteht, daß er das Preisrisiko des
Effektivhandels auf seine Schultern nehme, und daß er durch Vor
wegnähme der künftigen Entwicklung die richtige Preisbildung und
damit die richtige räumliche und zeitliche Verteilung der Waren fördere.
Denn ein Risiko im wirtschaftlichen Sinne gibt es, zumal kn der
Krkegsernährungswirtschafi, nur ganz selten, gerade bei denLkeblings-
waren des Kettenhandels so gut wie nie. Die Beeinflussung der
Preisbildung hat aber nur dann einen Sinn, wenn eine künftige
Marktlage überhaupt erkennbar ist,- nur dann bildet fich gegenüber
der Hausse-Partei, die auf das Höhergehen der preise spekuliert,
auch sters eine Baisse-Partei, die mit niedrigeren preisen als jene
rechnet. Der Kettenhandel kennt keine Baisse-Partei. Er spekuliert
nur auf den gegenwärtigen Mangel und auf die Befürchtung noch
größerer Knappheit kn der Zukunft. Und daß dieser gegenwärtige
Mangel recht fühlbar wird, dazu wirkt er selber mit durch sein Ver
schieben der Ware, die den Bedarf befriedigen könnte.