Volltext: Der Kettenhandel als Kriegserscheinung [3 = Sonderheft]

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einst muß der Kunde umworben, mit Reklame gelockt, mit reich 
haltigen Lägern angezogen, mit Zahlungserleichterungen ermun 
tert werden. Jedes Lebensmittel, jeder Gegenstand des täglichen 
Bedarfes wird in der Krkegszeit vom Verbraucher so dring 
lich begehrt und ist zugleich in den Verkaufsstellen des Kleinhandels so 
knapp, daß der Großhandel ihn alsbald mit gutem Gewinn absetzen 
und dem Verbrauch zuführen kann. Eben deswegen bedarf es nicht 
der vielen Werbeorgane im Absatz, nicht der stets gefüllten Läger, nicht 
der „Kulanz" bei der Bezahlung. Es verringern sich in Groß- und 
Kleinhandel viele dieserAufgaben,- ekneAbkürzung der alten Handels 
kette wäre wirtschaftlich sehr wohl möglich undistbeiWarenmitHöchst- 
preisen und bei bewirtschafteten Waren auch tatsächlich oft erfolgt. 
Der Kettenhandel tut das Umgekehrte. Er verkehrt das volks 
wirtschaftliche Ziel des Handels in sein Gegenteil. Verbrauchsreife 
Waren, deren der knapp versorgte Verbrauch dringend bedarf, werden 
ihm vorenthalten. 2m Hasten nach einem Teil der immer noch möglichen 
Preissteigerung wird dieWare, die immer weiter gehandelt wird, ganz 
aus den Augen verloren. Sie wird nicht abgesetzt in derZeit, wo sie am 
nötigsten gebraucht wird, oftmals nicht einmal zu der Zeit, wo sie 
noch voll gebrauchsfähig ist. Nicht selten war sie schon während 
des Kettenhandels verdorben und zum menschlichen Gebrauch un 
geeignet geworden, wurde aber ahnungslos noch immer weiter ge 
schoben, als die Partie schon längst jeden Handelswert überhaupt 
verloren hatte. 
Zu seiner volkswirtschaftlichen Rechtfertigung kann der Ketten 
handel auch nicht für sich in Anspruch nehmen, was man dem Spe- 
kulatkvhandel der Börse wohl zugesteht, daß er das Preisrisiko des 
Effektivhandels auf seine Schultern nehme, und daß er durch Vor 
wegnähme der künftigen Entwicklung die richtige Preisbildung und 
damit die richtige räumliche und zeitliche Verteilung der Waren fördere. 
Denn ein Risiko im wirtschaftlichen Sinne gibt es, zumal kn der 
Krkegsernährungswirtschafi, nur ganz selten, gerade bei denLkeblings- 
waren des Kettenhandels so gut wie nie. Die Beeinflussung der 
Preisbildung hat aber nur dann einen Sinn, wenn eine künftige 
Marktlage überhaupt erkennbar ist,- nur dann bildet fich gegenüber 
der Hausse-Partei, die auf das Höhergehen der preise spekuliert, 
auch sters eine Baisse-Partei, die mit niedrigeren preisen als jene 
rechnet. Der Kettenhandel kennt keine Baisse-Partei. Er spekuliert 
nur auf den gegenwärtigen Mangel und auf die Befürchtung noch 
größerer Knappheit kn der Zukunft. Und daß dieser gegenwärtige 
Mangel recht fühlbar wird, dazu wirkt er selber mit durch sein Ver 
schieben der Ware, die den Bedarf befriedigen könnte.
	        
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