Full text: Produktionszwang und Produktionsförderung in der Landwirtschaft [Heft 5]

gebaute „Industrie" unbedingt der steten Auffrischung durch Saat 
gut aus dem Osten; nach den Untersuchungen Remys steigt der 
Minderertrag bei älterem Nachbau bis zu 60 und 70 v. H. der vollen 
Ernte. Die Erschwerungen im Verkehr mit Pflanzkartoffeln im 
Frühjahr 1916 haben nach ihm für die Rheinprovinz einen Ertrags- 
ausfall in diesem Jahre von 10 bis 20 v. H. zur Folge gehabt. Eine 
rechtzeitige Bereitstellung von Saatkartoffeln, wobei die vorherige 
Auslese durch Prüfung und Anerkennung ebenso wichtig ist wie die 
ungestörte Beförderung, bewirken also vermutlich eine stärkere Er 
höhung der Ernte, als jeder irgendwie geartete Zwang es vermöchte. 
So hat denn auch der Haushaltausschuß des preußischen Abgeord 
netenhauses bei seinen Beratungen über die Volksversorgung in 
den am 1. Dezember 1916 abgefaßten Leitsätzen die Sorge für 
die ausreichende und rechtzeitige Sicherung von Saatkartoffeln für 
die Frühjahrsbestellung 1917 an die Spitze gestellt. 
Solcher allgemeinen Förderungsmaßnahmen gibt es natürlich 
noch zahllose; es seien nur genannt die Fürsorge für Kunstdünger, 
für Zugvieh, für Antriebsmittel (Benzin, Benzol, Treiböle, 
elektrischer Strom usw.), die Herstellung und Bereitstellung von 
Ersatzfuttermitteln und vieles andere mehr. Sie sind zum Teil 
allgemeiner Natur, zum Teil müssen sie von Ort zu Ort und von 
einem Zeitpunkt zunr anderen wechseln. Es handelt sich, wie schon 
oben gesagt, hier nur um eine Anpassung der Friedenspolitik an die 
durch den Krieg geschaffene und dauernd wechselnde Lage. Ihre 
besondere Färbung erfährt die kriegswirtschaftliche Förderung der 
Landwirtschaft erst durch weitere, nunmehr zu besprechende Maß 
nahmen. 
2. Förderung durch Preislenkung. 
Die Kriegslage machte es notwendig, daß erstens die landwirt 
schaftliche Produktion überhaupt so sehr wie möglich gesteigert wurde, 
des weiteren aber, daß sie sich bis zu einem nicht unbeträchtlichen 
Grade umstellte. Man hat mit gutem Grunde darauf verzichtet, 
die Umstellung durch Zwangsvorschriften zu bewirken, weil eben 
; eine Einsicht in die Leistungsmöglichkeiten jedes einzelnen Betriebes 
nicht gegeben ist. Auch konnte man nicht wiffen, inwieweit der 
einzelne Landwirt die technischen Fähigkeiten besaß, um neue, ihm 
bisher nicht vertraute Kulturen aufzunehmen. Der Umstand, daß 
der Staat einen sehr beträchtlichen Teil der Erzeugniffe ganz an sich 
zog, für einen anderen Teil, um den Verbraucher vor einer Ausbeutung 
durch den Erzeuger oder den Zwischenhandel zu schützen, mit Preis- 
regelung eingriff, bot die Gelegenheit, damit auch die Produktion
	        
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