Volltext: Das Wirken des Prämonstratenserstiftes Schlägl im letzten Jahrhunderte (1818 - 1918)

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sind nicht gering. Jn> Falle eines Unglücks werden die Angestellten vom Stifte 
nicht im Stiche gelassen und die meisten Arbeiter genießen im Alter eine Gnaden- 
pensivil. Alles in allem genommen muß die soziale Lage der Angestellten keine 
schlechte sein, sonst wären die Posten des Stiftes nicht so begehrt, sonst wären 
die ineisten nicht so viele Jahre im Stiftsdienste, sonst wäre es nicht so vielen 
Stiftsbediensteten möglich gewesen, ihre Kinder gelehrten Berufen zuzuführen, 
sonst wäre auch nicht das Sprichwort entstanden: „Wer sich nur ein wenig an 
das Stift anlehne» kann, der ist schon versorgt." 
Im übrigen ist das hilfsbereite Wirken des Stiftes so groß und viel 
seitig, als die menschliche Not. Da ist einmal die Schar von Armen, die sich 
im Stifte ein Almosen oder ein warmes Essen erbittet; die Gemeinden Aigen und 
Schlägl empfinden diese Wohltat an: ineisten. Dazu kommen die Vielen, welche 
ein Unglück getroffen hat. Der eine erbittet eine bare Gabe, der andere ersucht 
um Nachlaß oder Stundung einer Schuld, ein dritter nur billiges Bauholz für den 
Aufbau seiner Brandstatt, um ein wohlfeiles Stück Vieh vom Meierhofe, weil 
er Unglück im Stalle hatte. Da ist ein Künstler, der um Arbeit oder Abnahme 
seines Werkes vorspricht, ein Beamter, der eine diskrete Hilfe in momentaner 
Verlegenheit oder ein gutes, empfehlendes Wort bei Vorgesetzten braucht. Ein 
anderer sucht einen Posten und erreicht ihn durch die Empfehlung von Seite des 
Stiftes. Viele erinnern sich des heimischen Stiftes, wenn sie längst der Heimat 
den Rücken gekehrt haben und im harten Kampfe des Lebens Schiffbruch ge 
litten haben; die zahllosen Bittbriefe an den „gnädigen Herrn" beweisen dies. 
Ans Stift klopft natürlich auch fast jeder Wohltätigkeitsverein an, arme Kirchen 
und Missionäre, Vorsteher von Kranken- und Waisenhäusern und so viele andere. 
Dieses Wirken des Stiftes, welches die Schranken des Volles, des Landes, des 
Reiches, des Meeres nicht kennt, weil auch das menschliche Elend sie nicht kennt, 
laßt sich freilich mit Zahlen an: wenigsten belegen; es rechnet auch nicht auf 
Menschenlohn, sondern auf ein Plätzchen im Buche des Lebens. 
Erwähnt seien nur noch zwei Arten von Wohltätigkeit, die wohl eine Spe 
zialität unseres Hauses bilden. Es ist dies einmal die Gastfreundschaft gegen 
über den Studenten. In den Ferienmonaten kommen gar viele, arm am Beutel, 
aber reich an jugendlichem Frohsinn und Naturbegeisterung, welche die Schul- 
lnft mit der würzigen Luft des Böhmerwaldes vertauschen möchten. In Schlägl 
»rächen sie die erste Station, bevor sie zunr Plöckensteiner See und Dreisessel 
berg wandern, in Schlägl finden sie die erste Gratisherberge und Klosterkost, 
wenn ihr Zeugnis positiven Fortgang und keine schlechte Sittennote enthält; 
die Septimaner und Oktavaner wurden sogar zur Herrentafel zugezogen, ein 
Anklang an die alte Zeit, wo das Gymnasium mit der sechsten Klasse schloß. Die 
zweite Menschenklasse, bei denen Schlägl vor dem Kriege sehr gut angeschrieben 
war, sind die Handwerksburschen. Tief drunten in Ungarn oder drinnen in Tirol 
oder im Lande der Wenzelskrone erzählten sie sich in den Verpflegsstationen 
und Herbergen, daß inan iir Schlägl im Brauhaus einen „Spritzer" Bier, in der
	        
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