Volltext: Jugend-Fürsorge in Oberösterreich

5. Die Stellung des gesetzlichen Vertreters in Jugendsachen. 
Schon nach der Strafprozeßordnung hat der gesetzliche Vertreter im 
Strafverfahren gegen einen Minderjährigen gewisse Rechte, so kann er für 
diesen auch gegen dessen Willen einen Verteidiger bestellen, für ihn auch 
gegen dessen Willen gegen das Urteil Rechtsmittel ergreifen und die 
Vlederaumahme zu seinen Gunsten beantragen. (8 39, 282, 283, 354, 465, 
St.«P.⸗O. 
Das Jugendgerichtsgesetz räumt im 8 35 dem gesetzlichen Vertreter 
des Jugendlichen bedeutende Rechte ein. Er kann neben dem Beschuldigten 
bei bestimmten Amtshandlungen anwesend sein, so wie dieser Tatsachen 
vorbringen, Fragen und Anträge stellen. Weiters muß dem gesetzlichen 
Vertreter, wenn seine Person und sein Aufenthalt bekaunt und dieser im 
Inlande gelegen ist, auf dieselbe Weise wie dem Jugendlichen selbst bekannt 
gemacht werden; die Anklageschrift, dann jene gerichtlichen Entscheidungen, 
mit denen der Jugendliche einer strafbaren Handlung schuldig gesprochen, 
die Strafe bestimmt, die Haft über ihn verhängt oder eine in seine perfön— 
liche Freiheit eingreifende vormundschaftsbehördliche Maßregel ange— 
ordnet oder bestätigt wird; ferner die Anordnung einer mündlichen Ver— 
handlung. Schließlich ist der gesetzliche Vertreter berechtigt, für den 
Jugendlichen auch gegen dessen Willen Einspruch gegen die Anklageschrift 
zu erheben und alle Rechtsmittel zu ergreifen, die das Gesetz diesem 
gewährt. Bei der Berechnung der Frist zur Einbringung von Rechts— 
mitteln ist zu unterscheiden:t wenn dem gesetzlichen Vertreter die Ent— 
scheidung bekanntgegeben werden muß, läuft für diesen die Frist erst von 
dem Tage, an dem sie ihm eröffnet wird, sonst von demselben Tage; an 
dem die Frist für den Jugendlichen beginnt. Ein verurteilendes Erkenntnis 
zum Beispiel kann demnach erst rechtskräftig werden, wenn der gesetzliche 
Vertreter auf ein Rechtsmittel ausdrücklich verzichtet oder die Frist ver— 
streichen läßt. Kann der gesetzliche Vertreter den Jugendlichen im Ver— 
fahren nicht beistehen, sei es, daß er selbst der Beteiligung an der straf— 
baren Handlung des Jugendlichen verdächtigt oder überwiesen ist, sei es 
uus anderen Gründen, so gehen seine Rechte auf den Verteidiger über. 
Ddie Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren. 
832, J.G.⸗G., verpflichtet die Gerichte im Strafverfahren gegen einen 
Jugendlichen, dessen Lebensverhältnisse sowie alle Umstände zu erforschen, 
die zur Beurteilung seiner körperlichen und geistigen Eigenart, dienen 
können. In zweifelhaften Fällen soll der Jugendliche auch ärztlich unter— 
sucht werden. Daß diese Erhebungen notwendig sind, erhellt schon daraus, 
daß das Gericht sonst nicht in der Lage wäre, von einem Jugendlichen das 
richtige Bild zu gewinnen, insbesondere aber auch nicht die erforderlichen 
Erziehungsmaßnahmen zu treffen. Das Gericht muß einerseits die Schuld— 
frage prüfen. Zu dieser gehört aber nicht nur die Feststellung, ob der 
Beschuldigte die Tat wirklich begangen hat, sondern auch ob er hiefür ver— 
antwortlich gemacht werden kann und unter welchen Umständen die Tat 
verübt wurde. Was die Verantwortlichkeit betrifft, so kommt bei Beur— 
teilung dieser Frage sowohl in Betracht, ob der Jugendliche geistig gesund 
ist, also auch ob er etwa auch besonderen Gründen noch nicht reif genug ist, 
das Unrechtmäßige der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln 
(8 10, J.«G.«G.). Es sei darauf hingewiesen, daß hier besondere Gründe 
vorliegen müssen: die Einsicht und der Wille müssen demnach unter dem 
Durchschnitte sein. „Das Einsichtserfordernis des 8 10 des Jugendgerichts— 
gesetzes erstreckt sich nur auf das Unrechtmäßige und nicht auf die Straf— 
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