Volltext: Jugend-Fürsorge in Oberösterreich

Es herrscht vielfach die unrichtige Ansicht, daß jede Person 
das erste Mal bedingt verurteilt werden müsse, ferner daß an der be— 
dingten Verurteilung nicht viel sei. Diese Anschauungen sind ganz un— 
richtig. Auch die bedingte Verurteilung ist eine Verurteilung wie jede 
andere und scheint daher nicht nur bis zum Ende der Probezeit, sondern 
bis zur erfolgten Tilgung in der Strafkarte und Leumundsnote auf, was 
für den Verurteilten oft sehr unangenehme Folgen hat, denn er gilt als 
vorbestraft. — 
Die Strafverbüßung. *8 
Jede ausgesprochene Strafe, deren Vollzug nicht aufgeschoben wurde 
bedingte Verurteilung), ist grundsätzlich sogleich nach Rechtskraft des 
Arteils, d. i. in dem Zeitpunkte, in welchem das Urteil nicht mehr an ge— 
fochten werden kann, in Vollzug zu setzen. 
Bei Geldstrafen hängt es nicht vom Willen des Verurteilten ab, ob 
er diese zahlt, oder die an ihrer Stelle ausgesprochene Arreststrafe verbüßt. 
Die Geldstrafe wird vom Gerichte zwangsweise eingetrieben; kann die 
Geldstrafe nicht eingebracht werden, so faßt das Gericht Beschluß, daß die 
Arreststrafe zu vollziehen sei. Nach diesem Beschluß gibt es keinen Erlag 
der Geldstrafe mehr. 
Das Gericht kann sowohl bei Freiheitsstrafen, die nicht ein Jahr 
übersteigen, als auch bei Geldstrafen einen Strafaufschub gewähren, wenn 
besondere Gründe hiefür vorliegen; es kann auch bei Geldstrafen die 
Zahlung in Teilbeträgen bewilligen. Wenn die verurteilte Person zur 
Zeit des Strafantrittes geisteskrank oder körperlich schwer krank ist oder 
die Verurteilte schwanger ist, so unterbleibt der Vollzug der Strafe, bis 
dieser Zustand aufgehört hat (F 398, St.“P.O.). 
Die Strafe ist grundsätzlich bei dem Gerichte anzutreten, welches 
das Urteil in erster Instanz gefällt hat. Der Verurteilte kann aber an— 
suchen, die Strafe bei einem anderen Gerichte verbüßen zu dürfen, doch 
können Kerkerstrafen nicht bei Bezirksgerichten verbüßt werden. Ist die 
»erurteilte Person erwachsen, so wird sie zum Vollzug einer Freiheits— 
trafe, die über ein Jahr dauert, in eine Strafanstalt abgegeben. Bei 
zugendlichen Verurteilten besteht ein eigener Vollstreckungsplan, je nach 
der Dauer der Freiheitsstrafe und dem Sitze des erkennenden Gerichtes. 
Jugendliche männlichen Geschlechtes, die eine Freiheitsstrafe von mehr 
als vier Monaten zu verbüßen haben, werden an die Jugendabteilung 
der Männerstrafabteilung in Graz abgegeben, eine Freiheitsstrafe von 
nehr als einem Monat und nicht mehr als vier Monaten ist in der Jugend— 
gruppe im Gefangenhaus des Kreisgerichtes Wels zu verbüßen, wenn das 
Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, in Oberösterreich gelegen ist. 
Jugendliche weiblichen Geschlechtes, die eine Freiheitsstrafe von mehr als 
ꝛinem Monat aber nicht mehr als zwei Monate zu verbüßen haben, werden 
unter der gleichen Voraussetzung an die Jugendgruppe im Gefangenhaus 
des Kreisgerichtes Wels abgegeben; wenn sie eine Freiheitsstrafe von 
mehr als zwei Monaten zu verbüßen haben und dem römisch—atholischen 
Glaubensbekenntnisse angehören, an die Jugendabteilung der Weiber— 
strafanstalt Wiener Neudorf, sonst an die Jugendgruppe im Gefangenhaus 
des Jugendgerichtshofes in Wien. Kürzere Freiheitsstrafen als die oben 
angeführten werden in den Gerichtsgefängnissen verbüßt. 
Fiür den Strafvollzug bestehen besondere Vorschriften, so die 88 45 
bis 51, J.G.⸗“G., und der Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 
31. Jänner 1929, J.“A.“Bl. Nr. 4.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.