Volltext: Jugend-Fürsorge in Oberösterreich

Nicht geleugnet kann werden, daß die Bundesländer zur Vollendung 
des Ausbaues ihrer bisherigen freiwilligen Einrichtung mit Recht 
Forderungen an den Bund wegen finanzieller Unterstützung zu stellen 
haben, denn:;: 
Wenn es auch im Artikel 94 der Verfassung ausdrücklich heißt „die 
Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt“, so hat sich 
dieser Grundsatz auf dem Gebiete der Jugendfürsorge bisher nicht vollends 
durchsetzen können, vielmehr sind die Gerichte noch vielfach mit reinen 
Jugendschutz- und Fürsorgefragen befaßt, während alle diese Agenden 
eigenen Jugendämtern und Fürsorgestellen zukommen. Es unterliegt 
keinem Zweifel, daß die Jugendfürsorge eine reine Verwaltungsange— 
legenheit ist. Aber die Gerichte sind auch im modernen Kulturstaate, der 
neben dem Rechtszweck auch noch andere Zwecke, vor allem die Sorge 
um die Wohlfahrt des Volkes kennt, mehrfach angewiesen worden, inner— 
halb der im 3. und 4. Hauptstück des J. Teiles des a. b. G.B. gezogenen 
Grenzen auch hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse der Minderjährigen 
ihre Fürsorge zu betätigen (J-M.«V. vom 10. November 1893, 3. 19.462, 
V.Bl. Nr. 313 J.M.«V. vom 3. Dezember 1899, V.⸗Bl. Nr. 493 J.⸗«M.V. 
vom 11. Mai 1901, V.Bl. Nr. 13). Durch Errichtung von öffentlichen 
Berufsvormundschaften der Länder, Gemeinden usw. werden die Gerichte 
von dieser Tätigkeit vollständig entlastet; die geschulten Berufsvormünder 
entlasten die Gerichte auch dadurch, daß sie ihre Eingaben und Anträge 
nicht erst zu Protokoll geben, sondern selbständig verfassen und überreichen, 
ja in jenen Fällen, in welchen sie die erweiterte Vormundschaft auf Grund 
des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1928, B.-G.Bl. Nr. 194, ausüben, die 
Beschäftigung der Gerichte mit Minderjährigen überhaupt überflüssig 
machen, so daß die gerichtliche Obsorge, ausgenommen wenn es sich um 
Abhilfe gegen Verfügungen der Berufsvormundschaften handelt oder um 
Angelegenheiten, die nicht zur Zuständigkeit der Berufsvormundschaften 
gehören, vollständig entfällt. 
Diese bedeutende Entlastung der Gerichte kann den Bund wahrlich 
veranlassen, den Ländern auf Grund des 8 6, Abs. (2) lit. b, und Abs. (4) 
des Finanz-Verfassungsgesetzes vom 3. März 1922, B.G.-Bl. Nr. 124, 
ein finanzielles Zugeständnis zu machen. 
Ferner hat der Bund bis zum 30. September 1925, das ist bis zum 
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel der Bundesverfassung, 
die Kosten der Ziehkinderaufsicht, welche durch Besoldung von Ziehkinder— 
ärzten und Fürsorgerinnen, durch Beheizung und Beleuchtung der Amts— 
räume usw. entstanden sind, inForm eines Pauschales getragen. Von 
dem angeführten Zeitpunkte an hat dex Bund diese Beiträge einfach ein— 
gestellt, bzzw. die Kosten auf die Länder überwälzt ohne den Ländern auch 
Einnahmen zur Deckung ihrer neuen Auslagen zu eröffnen oder bei der 
Abgabenteilung darauf Bedacht zu nehmen. 
Besonders hervorzuheben wäre noch der umfangreiche und mühe— 
volle Erhebungsdienst, der auf Grund des Jugendgerichtsgesetzes und 
der hiezu erflossenen Verordnungen in der Jugendgerichtshilfe von den 
Jugendämtern zu leisten ist. Eine richtige Durchführung des Jugend— 
gerichtsgesetzes ist, wenn das Gesetz seinen erzieherischenZweck und eine 
gerechte Beurteilung der jungen Rechtsbrecher erreichen soll, nur auf 
Grund umfangreicher Erhebungen und weitgehender Fürsorge seitens 
der Jugendämter möglich. . 
ESchließlich hat der Bund selbst ein Interesse an dem Gedeihen seiner 
jungen Bürger.
	        
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