Volltext: England, der Feind [16]

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jenes Abkommen, welches für eine unbestimmte Zukunft dem 
Deutschen Reiche einen Kolonialbesitz in Aussicht stellte, der nicht 
Großbritannien gehörte, sondern Portugal. Portugal sollte nun 
nicht zur Abgabe seines Besitzes gezwungen werden und, wie die 
Folge zeigte, tat Großbritannien alles, um die portugiesische 
Regierung nicht etwa auf den Gedanken kommen zu lassen, ihren 
Kolonialbesitz zu verkaufen. Das war also eine politische Seifen- i 
blase, weiter nichts. Die erwähnte Chamberlainsche Politik eines 
engen Einvernehmens mit Deutschland aber war in ihrer Art 
sicher aufrichtig, wie dieser Staatsmann überhaupt. Chamberlain 
erblickte in einem solchen Einvernehmen eine unschätzbare Gewähr 
für die britische Machtstellung Äbersee und auf dem europäischen 
Festlande, besonders Rußland gegenüber. Man verfügte so, wie 
Bismarck einmal sagte, über einen dummen und starken Kerl auf 
dem Festlande, der die Streithändel für England dort auszufechten 
hatte. Es gehört zu den Verdiensten des Fürsten Bülow, daß 
er die Gefahr erkannte und durch seine Politik ablehnte, Deutsch¬ 
land in ein Vasallenverhältnis zu England gelangen zu lassen. 
Ein anderes Verhältnis konnte nach Lage der Dinge nicht bei 
einer engen Annäherung herauskommen, denn das Deutsche Reich ' 
hatte keine Flotte, konnte infolgedessen und weil es auf dem 
Kontinente mit Österreich-Angarn zusammen isoliert dastand, gegen¬ 
über der großbritannischen Suprematie zur See kein Gegengewicht 
auf die andere Wagschale des gegenseitigen Einvernehmens hinein¬ 
legen. Fürst Bülow vermied den Fehler, welchen Caprivi zehn 
Jahre früher gemacht hatte. Dieser Fehler wäre um die Jahr¬ 
hundertwende um so verhängnisvoller gewesen, weil damals die 
Grundlagen für den Ausbau einer deutschen Kriegsflotte in großem 
Maßstabe geschaffen worden waren. Es bedarf wohl keiner be¬ 
sonderen Deduktion, wenn wir behaupten, daß das Zustandekommen 
jenes damals von Chamberlain angebahnten deutsch-englischen 
Einvernehmens die Verwirklichung des deutschen Flottengedankens 
im Keime erstickt hätte. » 
Der politische Gedanke, welchem die deutschen Flottengesetze 
entsprungen sind, war, etwas anders ausgedrückt wie sonst: 
Deutschland in den Stand zu sehen, wesentlich gestützt auf die 
eigene Kraft, Weltpolitik zu treiben und in einem Kriege den 
Verteidigungskampf auch gegen den mächtigsten Gegner auf sich 
zu nehmen. Es handelte sich mithin um ein Programm der An- 
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