Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

306 Der Feldzug in Galizien und Südpolen bis zum 15. Sept. 1914 
zunehmen und den Vormarsch des Gegners aufzuhalten, bis die Truppen 
auf den Löhen nördlich von Jzdebno eine Verteidigungsstellung ausgehoben 
hatten. 
Am sich Luft zu machen und Zeit zu gewinnen, drang am frühen Morgen 
des 3. September das X. Korps im Gegenangriff noch einmal gegen Piaski 
vor, sah sich aber bald zur Amkehr gezwungen und in feiner Verteidigungs¬ 
stellung hart bedrängt. Die Angriffsbewegung der 1. Armee hatte ihren 
Gipfelpunkt am 2. September überstiegen und war jäh zum Stillstand ge¬ 
kommen. Schon erhob sich die Zweifelsfrage, ob der überlegene Feind sie 
nicht mit einem Ruck vom Gipfel in den Abgrund stürzen werde. Die Armee 
war nicht nur in die Verteidigung gedrängt, sondern kämpfte fortan auch 
unter starker Flankenbedrohung, denn die Kehrtwendung der Armee Aussen, 
berg hatte die rechte Flanke des X. Korps entblößt. Die kleine Streitmacht 
f des Erzherzogs, die das Bindeglied bilden sollte, war selbst in Gefahr, ein- 
> gekreist zu werden. Zwar hatte General Dankt zur Sicherung seiner rechten 
Flanke die Kavalleriedivision von links herangerufen, aber diese wurde schon 
unterwegs notwendig gebraucht, um einen Durchbruch südlich von Strjna 
verhüten zu helfen. Dort brachen die Russen am 3. September zwischen 
dem X. und V. Korps ein und überrannten die Verbindungsstaffeln. Da 
warfen sich die Reiter, die nach Turobin wollten, aus den Sätteln, tauchten 
mit dem Karabiner in die Gräben und stützten die wankenden Schützenlinien, 
bis der Angriff gestillt war. Die blanke österreichisch-ungarische Kavallerie, 
deren Reitergeist noch bei Königgrätz und Custozza, dort im Anglück, hier 
im Glück, triumphiert hat, lernte im europäischen Krieg rasch den Säbel mit 
dem Feuergewehr, den Bügel mit dem Spaten vertauschen und als Erd¬ 
wurm sich den Bedingungen einer neuen Kriegskunst bequemen. 
Als die Nacht sank, war die 1. Armee auf der ganzen Linie von Jzdebno 
bis Chodel auf die Verteidigung ihrer Lauptstellungen beschränkt. Wichtige 
Vorstellungen waren verloren, der rechte Flügel in Gefahr, jeden Augen¬ 
blick eingedrückt zu werden. Er wurde von den konzentrischen Angriffen 
der Russen, deren Batterien Tag und Nacht brüllten, vollständig zer¬ 
mürbt. Da rief General Dank! als letzte Verstärkung das preußische Land¬ 
wehrkorps heran. 
Ämter der feuerflammenden, unter dem russischen Anprall ächzenden 
Front marschierte das Korps Woyrsch auf den Spuren der voraufgesandten 
Kavallerie zur Verstärkung des ins Leere hängenden rechten Flügels. Schon 
machten sich rückgängige Bewegungen bemerkbar, zogen Fuhrkolonnen nach 
Südwesten, um dem zurückgehenden Gefecht nicht in die Quere zu kommen. 
Die russische Angriffsbewegung kam überwältigend in Gang. 
Das Korps Woyrsch war noch nicht in seinem Aufmarschraum angelangt, 
als die Russen auf der ganzen Linie zum entscheidenden Angriff schritten. 
Sie hofften die 1. Armee vom rechten Flügel aufzurollen und in die Tanew-
	        
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