Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

Die Schlacht bei Tannenberg 
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Lierzu wurden alsbald alle Vorkehrungen getroffen. Als die deutschen 
Truppen sich bereit machten, ihre Gefechtsstellungen zu beziehen, quollen ihnen 
auf allen Straßen die Züge der flüchtenden ostpreußischen Bevölkerung ent¬ 
gegen, die dem wild hausenden Feinde zu entkommen trachteten. General¬ 
major v. Ludendorff sah sich gezwungen, sie von der Leerstraße zu weisen, um 
diese für die Bewegungen der Truppen freizumachen. An Feld- und Wiesen¬ 
rainen stauten sich die Wagenburgen der Anglücklichen, die zwischen die 
kämpfenden Leere und ins Verderben geraten mußten, wenn der Russe 
Sieger blieb. 
So war die Entscheidung in ein Dilemma gepreßt, das einen ungeduldigen 
Führer mit Fieber und Sorge erfüllt hätte. Der Mann, der sich mit seinem 
Berater zu Marienburg und später in Eylau über die Karten bückte und mit 
dem Moltkezirkel die Marschtiefen und Ziele seiner Armeekorps maß, wußte 
nichts von Fieber und Angeduld. Seine einzige Sorge war, den letzten Mann 
zur Entscheidung heranzuholen. Er schlug schon im Geiste seine Schlacht. 
Die großen masurischen Seen, die als blaue Binnenmeere in den grünen 
Wäldern und Triften Ostpreußens eingebettet liegen, füllen die Gegend 
zwischen Rastenburg, Angerburg, Lyck und Johannisburg; sie schaffen dort 
große natürliche Lindernisse. Weiter westlich blinken unzählige kleinere 
Gewässer, stille Teiche mit Hellem Grund und von Bächen gespeist, die sich 
bis zur welligen Erhebung des „Landrückens" hinziehen. In der Gegend 
zwischen Lautenburg, Lohensiein, Allenstein, Passenheim, Ortelsburg und 
Neidenburg erreicht dieses Labyrinth schweigender Wasser, grüner Tristen 
und lichter Wäldchen seine höchste Entfaltung. Cs wird bestimmt durch 
eine von Lautenburg nach Allenstein gezogene ideale Linie, die, in nord¬ 
östlicher Richtung führend, die Orte Gilgenbmg, Tannenberg und Lohen¬ 
stein berührt und 70 Kilometer mißt, und eine von Allenstein über Passen¬ 
heim in südöstlicher Richtung über Ortelsburg verlaufende Gerade, die 
40 Kilometer lang ist. Allenstein liegt am Scheitelpunkt eines durch die 
vorbestimmten Schenkellinien gebildeten rechten Winkels, der nach Süden 
offen ist. Die offene Strecke läßt sich durch eine von Lautenburg über Neiden- 
burg nach Ortelsburg ziehende, innen leichtgebogene Linie von 86 Kilometer- 
Länge bestimmen und dadurch die Konstruktion als Dreieck schließen. 
In dem auf diese Weise festgestellten Raume ist vom 24. bis 30. August 
1914 die größte Vernichtungsschlacht geschlagen worden, die die Kriegs¬ 
geschichte bis auf diesen Tag gesehen hat. Ein nach Süden offener Lalbkreis, 
der mit einem Lalbmesser von rund 43 Kilometern um Neidenburg be¬ 
schrieben wird und von Lautenburg über Allenfiein nach Ortelsburg zieht, 
umgrenzt die Lauptkampfstätten der neuen Schlacht bei Tannenberg. 
Am 24. August 1914 hatte die russische Rarewarmee die Linie Mlawa— 
Willenberg erreicht. Langsam und unter Gefechten gingen die Vortruppen 
des XX. Armeekorps v.or ihr auf Soldau und dte Linie Neidenburg— 
Stegemanns Geschichte des Krieges. I. 16
	        
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