Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

Die strategische Lage am 21. August 
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es geschehen, daß eines Tages der entkräftete Arm des deutschen Kriegers 
das Schwert senkte, weil Deutschland hungerte. 
Auf der anderen Seite stand die große Zweifelsftage, ob die Lage im 
Westen die Abgabe stärkerer Kräfte nach dem Osten gestattete. And noch 
eins: gesetzt, dieser ganze Fragenknäuel wurde in dem Sinne entwirrt, daß 
es nötig sei, den Feldzug in Ostpreußen wieder aufzunehmen, daß nicht hinter 
die Weichsel zurückgegangen, sondern zwischen Weichsel und Memel das 
Schlachtenglück noch einmal angerufen wurde — wo war und wie hieß der 
General, der dieser Aufgabe gewachsen war? War überhaupt noch Raum 
und Zeit zu einer Kriegshandlung zwischen Weichsel und Memel, wo jetzt 
zwölf Russenkorps mit zahlreicher Kavallerie und mächtiger Artillerie 
aller Kaliber in zwei großen Kampfgruppen im Begriff waren, sich die 
Land zu reichen und mehr als 500 000 Streiter stark Masse zu bilden? 
Begrub nicht dieser Schwall jede Offensive, die sich im Gewirr der masurischen 
Seen zu entwickeln trachtete? Zwei Armeekorps und eine Kavalleriedivision — 
mehr konnte man ja dem neuen Führer als Verstärkung zunächst nicht 
mitgeben, und was bedeutete das, da das I. und XVII. Korps schon schwer 
gestritten und gelitten, das I. Reservekorps und die Landwehr nicht minder 
ihr Bestes getan hatten? And schließlich erhob sich sogar noch die strategische 
Frage, ob überhaupt zwischen der Weichsel und der Alle, wo die Versamm¬ 
lung der Armee allein noch möglich war, mit Aussicht auf Erfolg operiert 
werden konnte. 
Sümpfe und Seen, Busch und Wald sind im allgemeinen nicht die 
Gegenden, in denen eine Feldschlacht mit modernen Massenheeren gesucht 
wird. Sie dienen unter Amständen als Flankendeckung oder Fronthindernis, 
wenn es gilt, eine Verteidigungsstellung einzunehmen, sind aber auch dann 
gefährliches Gelände, da sie bei einem unglücklichen Ausgang der Schlacht 
den Rückzug erschweren. Das Gebiet der masurischen Seen und die Ope- 
rationsmöglichkeiten, die einer Armee in dieser verwunschenen Gegend 
blieben, waren seit vielen Jahren im deutschen Generalstab bearbeitet worden. 
Schroff schieden sich die Meinungen. Die einen hielten es für richtig, keine 
Armee in diesem gefährlichen Labyrinth von Sumpf, Wasser und Wald auf. 
zustellen, vor allem nicht im Gebiet der kleinen Seen zwischen Sensburg— 
Wartenstein und Soldau—Rosenberg, die anderen glaubten das Gelände 
zu einer Schlacht ausnützen und eine Einbruchsarmee in diesem Wirrsal zu 
Falle bringen zu können. Die Feldzüge Napoleons, der bei Eylau und Fried- 
land geschlagen hatte, und Bennigsens Kreuz- und Quermanöver in Masuren 
von 1807 konnten zur Lösung dieser Frage wenig Anhaltspunfte liefern, 
denn die Verhältnisse waren seither ins Riesenhafte gewachsen. Jedenfalls 
konnte zwischen Weichsel und Pregel nur ein Leerführer schlagen, der mit 
dem Gelände auf das innigste vertraut und in der Bewegung großer Truppen- 
körper erfahren war.
	        
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