Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

Die strategische Lage am 21. August 235 
geriet der Vormarsch der Russen vollends ins Stocken. Nur Kavallerie 
gelangte über Friedland hinaus. Vergebens suchten die russischen Vortruppen 
den Äbergang über die Deime zu erzwingen, um vor Königsberg zu rücken. 
Mit echt russischer Anempfindlichkeit für Verluste und einem Starrsinn, der 
auf kunstvollere Operationen verzichtet, brachen sie immer wieder gegen den 
Fluß vor. Die Brücken waren gesprengt, am Flutdamme des Westufers 
lagen die schwachen Königsberger Streitkräfte in Deckung und überschütteten 
die Sturmgruppen mit sicherem Feuer. Da der Bau einer Lolzbrücke 
mißlang, wateten die Russen ins Wasser, aber die dichtgedrängten Kolonnen 
wurden von den Maschinengewehren strichweise niedergemäht und versackten 
schließlich an einigen Stellen das Flußbett bis auf den Grund. In Rudeln 
trieben die Leichen nach dem Lass. Bevor sich Rennenkampf zu einer aus- 
greifenden Operation aufraffte, wurde ihm das Gesetz des Handelns ent- 
wunden. 
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Die preußische Armee war in erschöpfenden Tag- und Nachtmärschen 
und mit der Bahn über Insterburg und Angerburg nach Südwesten in Be- 
wegung gesetzt worden. Das Oberkommando wollte die Truppen über die 
Weichsel zurücknehmen, ehe sie im Kampf mit der Abermacht und zwischen 
zwei feindlichen Leeren zerrieben wurden. Schon waren die Befehle zur 
Sprengung der Weichselbrücken ausgefertigt und Anweisung ergangen, die 
Stau- und Vorflutdeiche der Elbinger Niederung zu durchstechen. Das 
XX. Korps sollte so lange stehenbleiben und den Andrang der Armee 
Samsonow hemmen, bis die übrigen Korps die Linie Allenstein—Eylau 
erreicht hatten. 
Die Zurücknahme der Armee hinter die Weichsel enthielt zunächst den 
Verzicht auf aktive Führung der Verteidigung und gab alles Land östlich 
des Stromes dem Feinde preis. Zugleich aber enthob dieser Rückzug die 
russische Leeresleitung der Sorge um einen deutschen Angriff auf die linke 
Flanke und gestattete ihr, die 1. und 2. Armee zu vereinigen. Durch glück¬ 
liche Verteidigung der preußischen Weichsellinie wurde die russische Offensive 
nur örtlich gehemmt, der Vormarsch in der Mitte und die Abgabe von Ver¬ 
stärkungen an die Südgruppe zur Niederwerfung der Österreicher aber nicht 
verhindert. Zog sich die deutsche Ostarmee hinter den Weichselstrom zurück, 
so konnte die oberste russische Leeresleitung ohne Verzug einen Teil der in 
Ostpreußen frei werdenden Kräfte nach Süden werfen, die österreichisch¬ 
ungarischen Armeen, die sich wagemutig von der Karpathenrampe entfernt 
hatten und angriffsweise vorgebrochen waren, um bei Lemberg zu schlagen, 
vor Iwangorod in der linken Flanke packen und ihnen zwischen Weichsel, 
San und Bug den Antergang bereiten. Ob sie es getan hätte, statt bis 
zur Weichsel zu folgen und sich dort festzulegen, ist eine andere Frage, denn
	        
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