Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1,1917)

230 Der Feldzug in Ostpreußen bis zum 15. September 1914 
Soldau—Warschau im Auge zu behalten und sich an derjenigen Stelle 
vor dem Feinde zu vereinigen, wo die größte Gefahr drohte. Die Armee 
war nicht gesonnen, kampflos vor den Russen zurückzugehen. Der deutsche 
Angriffsgeist steckte Führung und Truppe zu sehr im Blut, um selbst bei 
Anrücken von zwei großen russischen Leeren zu entweichen. 
And doch war die Lage dieser gleichsam auf verlorenen Posten gestellten 
Korps und Landwehren beinahe aussichtslos, wenn es dem Feind gelang, 
von Osten und Süden konzentrisch vorzurücken, sie zu schlagen, auf Königs- 
berg zurückzuwerfen und dort einzuschließen. Es galt also, den Gegner so- 
lange wie möglich an der Peripherie festzubannen, im raschen Lerumwerfen 
der eigenen Streitkräfte die Vorteile der inneren Linien auszunutzen und 
sich die Bewegungsfleiheit zu erhalten. Gegen Nordosten erleichterte der 
Memelstrom, gegen Osten der vielgewundene Lauf der Angerapp und Inster, 
gegen Südosten das masurische Seengebiet die Verteidigung, doch konnte mit 
so geringen Kräften an die Einrichtung einer durchlaufenden Stellung hinter 
diesen natürlichen Abschnitten nicht gedacht werden. Anmöglich endlich 
erschien ein Angriffsstoß, da man sich nicht von den rückwärtigen Verbin- 
düngen entfernen, in ein Vakuum hineingeraten und der einen oder anderen 
feindlichen Gruppe Rücken und Flanke preisgeben durfte. 
Die Tage schlichen. Vom Süden kamen die ersten Meldungen von 
Gefechten, die Osterreich-Angarns Leere auf dem Wege nach Osten lieferten; 
auch schlesische Truppen waren dazu aufgeboten worden und schon auf dem 
Vormarsch durch das wegarme Glacis des polnischen Vorlandes begriffen. 
Von Westen schlug der Nachhall der ersten Kämpfe im Elsaß herüber 
und verklang. 
Mit äußerster Anspannung aller Nerven und Sinne standen Ost. und 
Westpreußen auf der Wacht. Am 14. August war das Lerannahen großer 
russischer Streitkräfte von Osten her zu spüren. Der Russe kam! Schwer- 
fällig schob er sich heran. Bei Wladiflawow und Wilkowiszki, nördlich und 
südlich der Bahnlinie Kowno—Eydtkuhnen, wurden starke Truppenkörper 
sichtbar, von Drosdowka bei Marggrabowa und Scheuba in der Nähe von 
Lyck tönte Gewehrfeuer. Vortruppen des I. Korps und der 49. Landwehr¬ 
brigade waren an den Feind geraten. Bei Groß-Spalionen, südwestlich von 
Johannisburg, räumten die Karabiner litauischer Dragoner feindliche Sättel. 
Die größere und nähere Gefahr drohte von Osten. Die Armee Rennen- 
kämpf, die den Angriff gemäß dem ursprünglichen Feldzugsplane vortrug, 
rückte hier auf demselben Weg heran, den Apraxin, der General, der Kaiserin 
Elisabeth, vor 157 Jahren gezogen war, um dem Großen Friedrich in den 
Rücken zu fallen. Damals waren die Russen bis Großjägersdorf, östlich von 
Wehlau, gekommen und dort von den Preußen unter Lehwald angegriffen 
worden. Mit 20 000 Mann nahm der Feldmarschall Friedrichs des Großen 
den Kampf gegen 60 000 Russen und deren mächtige Artillerie auf und suchte
	        
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