Volltext: Branntweinwirtschaft und Volksernährung [30]

West- und Süddeutschland. Von den 556 006 Hektolitern Alkohol, 
die in landwirtschaftlichen und gewerbliche» Kornbrennereien im 
Jahre 1913/14 erzeugt wurden, wurden in den drei Provinzen 
Hannover, Rheinland und Westfalen allein 331 000 Hektoliter Alkohol 
gewonnen. Westfalen, die einzige preußische Provinz, die überhaupt 
keine Kartoffelbranntwein-Erzeugung hat, hatte allein eine Produktion 
non 161000 Hektolitern Alkohol aus Getreide. Aber auch in 
Schleswig-Holstein, Oldenburg, Baden und Württemberg ist die 
Getreidebrennerei stark vertreten. 
Man hat daher gesagt, daß für den Westen Deutschlands die 
Getreidebrennereien die gleiche Bedeutung wie für den Osten die 
Kartoffelbrennereien Hütten. Es würde deshalb eine ungerechtfertigte 
Benachteiligung der westdeutschen Landwirtschaft gegenüber der 
ostdeutschen bedeuten, wollte inan die landwirtschaftlichen Korn- 
brennereien ungünstiger stellen als die Kartoffelbrennereicn. Ferner 
läßt es sich nicht leugnen, daß auch die Schlempe der Korn 
brennereien ein schwer zu entbehrendes Futtermittel ist. Gerade 
in den dicht bevölkerten Jndustriebezirken Rheinlands und Westfalens 
bildet die Getreideschlempe ein Milchviehfutter, das für den dort 
starken Milchbedarf voir höchster Wichtigkeit ist. Die Klagen über 
den Rückgang der Milcherzeugung nach Einstellung der Kornbrennereien 
aus diesen Gebieten sind auf das stärkste laut geworden. 
Dem ist aber entgegenzuhalten, daß die Kornbrennerei einen 
Rohstoff benutzt, für dessen Verarbeitung zu Spiritus volkswirt 
schaftliche Vorteile, wie sie für die Kartoffelbrennerei als Verwer 
tungsgewerbe bestehen, nicht geltend gemacht werden können. Weiter 
ist darauf hinzuweisen, daß bei den hohen Preisen, die von dem 
Verbraucher für Kornbranntwein gezahlt zu werden pflegen, es 
durchaus im Rahmen des Möglichen zu liegen scheint, daß auch bei 
stärkerer steuerlicher Belastung die Kornbrennerei aufrechterhalten 
werden kann. Sollte sie indes die höheren Lasten nicht zu tragen 
vermögen, so hat die Kriegserfahrung gezeigt, daß ihre Umstellung 
auf Verarbeitung anderer Rohstoffe nicht undurchführbar ist. Ueber - 
Haupt scheint eine steuerliche Vorzugsbehandlung der landwirt 
schaftlichen Kornbrennereien gegenüber den gewerblichen in den dicht 
bevölkerten westdeutschen Gebieten, wo Stadt und Land häufig 
unmerkbar ineinander übergehen, nicht mehr voll zu recht 
fertigen zu sein. Auch die gewerblichen Kornbrennereien erzeugen 
Schlempe, und ob sie diese an eigenes Vieh verfüttern oder an klein 
bäuerliche Nachbarn verkaufen, macht für die zu fördernde Landes 
kultur keinen so wesentlichen Unterschied aus.
	        
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