Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Ignaz Lederer 
Alois Fantes 
Ignaz Fantes 
Schleichhandel, Wucher, Protektionswirtschaft usw. 
wurde hauptsächlich diesen Flüchtlingen und ihren 
hiesigen Glaubensgenossen vorgeworfen, aber zu Aus¬ 
schreitungen kam es nicht. Um dem allgemeinen Wa¬ 
renmangel tunlichst abzuhelfen, die Appro visionierung 
zu erleichtern und zu verbilligen, endlich um dem er¬ 
wähnten, stark konkurrierenden Konsumverein zu 
begegnen, gründeten die Geschäftsleute am 31. Okto¬ 
ber 1917 eine „Kaufmännische Einkaufs-Genossen¬ 
schaft44, der auch die jüdischen Großkaufleute Bert- 
hold E i s n e r und Adolf W e d e 1 e s angehörten, 
welch letzterer bei der Wiederauflösung 1924 auch 
Lipuidator war. 
Dagegen dürfte die sogenannte Banknoten-Stem- 
pelung vom März 1919 und Vermögenskürzung zu¬ 
gunsten der Valutaregelung auch der Judenschaft 
empfindliche Einbußen gebracht haben (ohne den be¬ 
kannten folgenden Schwierigkeiten im Kleingeld¬ 
wesen). Ende August d. J. folgte als Kultusvorsteher 
Emanuel Klier (siehe unter Josis & Löwenstein, 
1907). 
Die Wiederkehr des Freihandels vollzog sich be¬ 
kanntlich unter neuerlicher Preis- und Steuer¬ 
erhöhung, Geschäftsstockung usw. Diese und andere 
Schwierigkeiten verursachten nun 1922 auch den 
Übergang des ältesten örtlichen Großindustrie-Unter¬ 
nehmens — der wiederholt erwähnten Glasfabrik 
Adolf — in den Besitz der Aktien-Gesellschaft 
„Karlsbader Kristallglasfabriken Ludwig Moser & 
Söhne unid Meyrs Ne f f e4f8) ; für diese Ge¬ 
schichte deswegen von Belang, weil sowohl die Firmen¬ 
inhaber Mosers Söhne wie die Direktoren E p- 
stein und Benno Heß Juden sind. 
Um Mitte 1923 betrug die Seelenzahl der in W. 
selbst wohnenden Juden 76 (hievon 46 männl.), d. i. 
gegenüber dem J. 1837 — also in 86 Jahren — ein 
Zuwachs von 73 Köpfen, bzw. eine Verfünfund- 
zwanzigfachung (vorübergehende Kriegszuinahme 
gerechnet). Dem Berufe nach sind die meisten Kauf¬ 
leute und Handelsangestellte, je einer Zahntechniker, 
Rabbiner, sonst Studenten und Schüler; diese erhielten 
zweimal wöchentlich hebräischen Unterricht. Es be¬ 
suchten je 8 Schüler und Schülerinnen die deutschen, 
2 Schüler die tschechischen Volks- und Bürger¬ 
schulen, zusammen also 18 (hievon 10 männl.) Israe¬ 
liten. (Nach Eröffnung der tschech. Schule 1909 hatte 
die deutsche Mädchenschule einen Abgang von 5 israe¬ 
litischen Schülerinnen.) 
Die letzten wichtigen Ereignisse seit Bestehen der 
neuen K. G. sind: 1922 ein vierter Vorsteherwechsel, 
der Leo Schwarz an die Spitze brachte, unter wel¬ 
chem als bedeutsamste Schöpfung ein neues B e t- 
h a u s in W. errichtet wurde. 
Bethaus, Friedhof und andere Einrichtungen, 
Stärke und nationale Verhältnisse. 
Den Grund zu einem Tempelbau fond legten 
Spenden der Herren Salomon Hirsch, Simon T o c h 
und Emil Zdekauer in W. im J. 1897, welcher 
Fond durch Sammlungen (besonders beim Toravor¬ 
lesen nach Feiertagen) gestärkt wurde. 1910 spendete 
Herr Dr. Leopold Fantes z. B. 1000 K. Durch den 
weiteren Verkauf der alten Synagoge in Ckjn um 
35.000 Kc i. J. 1922 und einem Schluß-Sammelerträg- 
nis von rund 40.000 Kc war die Sache spruchreif ge¬ 
worden und erwarb der Kultusgemeindevorstand, 1924 
von der Stadtgemeinde W. eine Bauparzelle um 
11.430 Kc. Mit Vertrag vom 22. Juli 1925 wurde 
schließlich der Bau eines Bethauses mit Rabbiner- 
Wohnung und Gemeindestube zum Kostenaufwand von 
Winterberg 5 
Leop. Horner 
Si gm. Wedeies 
Leo Schwarz 
Anna Kolin
	        
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