Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Die „Jtideiigemeinde Ckjn" und ihre Äste. 
Nach der Chronik der heutigen K. G. W. bestand 
um 1800 schon ihre Vorgängerin als Gemeinde 
Ckjn und hatte hier anstelle der heutigen Spiritus¬ 
brennerei eine Synagoge, die ihr der damalige 
Grundherr Graf Franz Sickingen später enteignete; 
eine Verwahrung des Vorstandes Josef K o h n dage¬ 
gen in persönlicher Audienz beim Kaiser hatte jedoch 
den Erfolg, daß der Grundherr verpflichtet wurde, 
eine neue Synagoge in gleicher Größe zu errichten. 
Diese wurde im August 1828 der J. G. als Eigentum 
übergeben. Vertragszeichner waren: der Gutsherr und 
dessen Amtsverwalter Wenzel Stepnitzka, Josef Hor¬ 
ner (Bevollmächtigter), Markus Fantes, Isak 
Zucker, Israel Haldek4), Matias K o h n, Matias 
Stein und K. V. Josef K o h n. Die „C k j n e r J u- 
d e n g e m e i n d e44 (worunter wohl nicht der Ort 
Ckjn, sondern der ganze Amtsbereich zu verstehen 
sein dürfte) zählte damals „an 60 Familienhäupter44. 
Als erste Rh. werden erwähnt: Zeckendorf, 
F reun d u. Back (später Herausgeber der „Israelit. 
Zeitschrift44 in Budapest); nähere Angaben fehlen. 
Außer Genannten erscheinen noch ab 1800 die Na¬ 
men: Math. Bloch (nach dem Gräberverzeichnis 
auch Rb. Mendl Bloch), Pick Moses, Isak Gans, 
Elias W e d e 1 e s, Wolf, Beck, Popper, Sin¬ 
ger, Fanti, Weil, Haschl (Toraschreiber, 1810), 
S c h a m s c h o n (ab 1812 in 3 Gliedern), Lede¬ 
rer, Hahn, ein Blum (1821). — 
Um diese Zeit hatte sich C e s t i t z (an der Straße 
Ckjn—Wolin) als 5. jüdische Siedlung angeschlossen 
u. zw. 1818 durch einen Nachkommen der A r n- 
steine r. 
1823 finden wir als 6. Siedlung Wolenitz durch 
Mejer L o w i t (Nachkomme des schon erwähnten 
Abraham). Übrigens scheint mit ihnen Wolenitz 
als jüd. Siedlung wieder ausgestorben oder aufgelas¬ 
sen; möglich ist bei den mangelhaften Ortsangaben 
auch, daß diese Siedlung schon viel älter war. 
Die 7. Niederlassung ist Pereschin (bzw. Pre- 
ein), mit Sicherheit festzustellen 1835 durch einen 
Moses, der aber möglicherweise dort bereits 1740 
einen Ahnen hatte; anderseits dürften Moses Klein, 
1859 dort gestorben, und ein gleichzeitiger Joseph K. 
in Zdikau Nachkommen sein. (Diese Orte liegen 
sämtlich im tschechischen Gebiete der K. G.) 
Laut einer Volks- u. Viehzählung der k. k. patrio¬ 
tisch-ökonomischen Gesellschaft im J. 1837 zählte 
Winter b erg bereits 243 Häuser mit 2121 Ein¬ 
wohnern, „mit Ausnahme von 3 Juden" deutsch¬ 
katholisch. Dieses überraschende Wachstum wäre — 
wenn nicht durch Rechenfehler — wohl nur durch 
die mächtig aufstrebende, erwähnte Glasfabrik 
„Adolf44 zu erklären, die schon damals 176 Leute 
beschäftigte und nach dem Gemeinde-Gedenkbuche 
die Erwerbs- u. Bautätigkeit günstig beeinflußte. 
Erwähnte Juden waren vermutlich Glieder der V o- 
c á s e k, vielleicht auch der Haldek (s. um 1800 
u. 1828 Ckjn) und ein Paul Fleisch mann, der 
im Grundbuch (Fol. 34/1836) erscheint. 
Wohl in oder um Ckjn erschienen mittlerweile 
die neuen Namen Spiro, 1832 je ein B osi e, 
Harsch u. Garber-Patsehl, ab 1835 die Fa¬ 
milie Löwy (mit 4 Verstorb.) und 1841 ein Gro¬ 
ger; ferner H o 1 u b, Kraus u. W u d 1 ; schlie߬ 
lich die Niederlassungen: Drtschinka (Drsinka), 
wo 1841 Jakob Fanti starb; sowie Bohumilitz 
(zwischen Ckjn u. W.), wo gleichzeitig die Gattin 
eines Josef Weil starb. Das mächtige Anwachsen 
der J. G., die nun schon 9—10 Orte umfaßte, zeigt 
auch die erreichte jährliche Durchschnittsziffer von 
2 Sterbefällen im Vergleich zu Anfang. 
1848 brachte die Befreiung von fürstl. Abhängig¬ 
keit und Leistungen, Freizügigkeit usw.; von da an 
dürfte die Zahl der Juden noch rascher gestiegen sein, 
denn heute noch heißt z. B. in W. im Volksmunde 
der Waldekplatz das „Judenplatzel" (mit Bezug auf 
mehrere dort sich niederlassende jüdische Geschäfts¬ 
leute). ü) 
1852 macht das Gräberverzeichnis durch eine Frau 
Ber Fischi aus Boschitz, 1853 durch K o z i- 
s e k aus Nezdasov und 1854 einen K i 1 n e r auf 
weiteren Zuwachs in zweifacher Beziehung auf¬ 
merksam. 
1859 weist das Geburtsbuch einen Hirsch T o c h, 
bzw. dessen Sohn Simon T. in Klein-Zdikau 
aus (der später in W. sich als Kaufmann niederließ) ; 
um diese Zeit kamen noch hieher: 1860 Adolf (recte 
Adam) W e d e 1 e s, s. oben unter „Judenplatzel44; — 
aus Kaltenbach der Handelsmann Seligmann K o h n 
als 3. Vertreter des schon in Ckjn begegneten Namens. 
Durch ihn war also auch Kaltenbach (zwischen 
W. und Außergefild) vorübergehend jüd. Siedlung. 
Günstigerer Boden war jedenfalls W. schon durch 
immer mehr sich entfaltendes gewerbliches u. indu¬ 
strielles Leben; zu einer buchstäblichen Weltfirma 
blühte ja z. B. erstaunlich rasch die um diese Zeit 
gegründete Buchbinderei und (kathol.) Verlagsanstalt 
J. Steinbrener auf, die auf der Höhe vor 1914 rund 
1000 Arbeiter beschäftigte. 
Ähnliches Schicksal wie Kaltenbach hatte dagegen 
wohl die nächsterscheinende jüd. Siedlung S c h a t- 
t a w a (zwischen W. u. Wallern) trotz der nahen, 
zweiten Glasfabrik „Eleonorenhain44; denn wir finden 
dort 1862 nur den Namen Hermann Z d e k a u e r, 
also ein von Zdikau ausgegangener Familienast, wie 
der 1864/65 sich in W. niederlassende Nathan Ignaz 
Zdekauer. 
1865 ist mehrfach bemerkenswert: durch die für 
das Anwachsen der K. G. in den seit 1688 verflosse¬ 
nen 177 Jahren (wo zwischen den ersten Sterbefällen 
12 Jahre lagen) bezeichnende Jahres-Höchstziffer von 
19 Sterbefällen, bzw. Durchschnittszahl von jährlich 
über 4; das bedeutet mit andern Worten etwa 48fache 
Kopfzahl. — Im selben Jahre finden wir in Mute¬ 
nitz einen Zweig der schon in Ckjn begegneten Fa¬ 
milie Fantes. — Im nächsten, dem Kriegsjahre 
1866, enthüllt das Gräberverzeichnis neue Interessen- 
kreise: In H o s t i t z (auch H u s c h i t z, 7 km osti. 
W., schon 1479 als Markt- u. Kirchort der Herrschaft 
erwähnt) ein Glied der in Boschitz aufgetauchten Fa¬ 
milie Fischi, in Zdikau erscheint der Name 
B r o z a m (abgeleitet wahrscheinlich vom deutschen 
Worte „Brosamen44). Zu erwähnen sind hier noch ein 
Hasterlik (1862), ein Katz u. Ehrlich 
(1866), Sehn ab 1 (1868) u. ein Stern (1869). 
1872 vermehrt sich die Judenschaft von W. um 
Alois Fantes, laut Gräberverzeichnis auch um eine 
Familie Hahn; 1874 ist Bürgermeister u. Apotheker 
Dr. Albert Popper Mitgründer der Knaben-Bür¬ 
gerschule. Borkenkäferfraß zog abermals 3000 Ar¬ 
beiter in die Umgebung. 
In dieser Zeit (1872) erscheint denn auch Ober- 
plan (Marktflecken und eig. Gerichtsbezirk an der 
Südostgrenze der K. G.) durch einen Todesfall in der 
Familie Jochim W e d e 1 e s, welchem Stamme wir 
nun schon viermal begegnen, in welch letzterem Falle 
wie bei Ogfolderhaid es sich aber vielleicht nur um 
Überführungen in die Heimat handelte. 
Im selben Jahre Böhmisch-Röhren (nahe 
der bayrischen Grenze, Gerichtsbez. Wallern) als 
693 
Winterberg 3
	        
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