Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

del wieder. Aber nach dem Salzeinfuhrverbot von 
1706 verfiel der „Gold. Steig44. 
Daß inzwischen auch in Ckjn sich Juden angesie¬ 
delt hatten, dafür ist der jüdische Friedhof daselbst 
wohl der früheste und zugleich stärkste Zeuge. 
Nach einem Gräberverzeichnisse ist der älteste 
Grabstein der einer Riwkele, Frau des Cha- 
j i m, gestorben 10. Tebet 5448, d. i. 1688 gregoria¬ 
nisch (nähere Angaben fehlen; doch war sie vermut¬ 
lich die Mutter des Cha j im Lejb aus dem nahen 
Orte Eltschowitz). Der zweite Sterbefall wird 
erst nach 12 jähriger Pause (wenn nicht Zwischen¬ 
fälle mangels Grabsteinen u. a. Überlieferungen uner¬ 
wähnt blieben) verzeichnet, u. zw. Leyb (Sohn 
des M e i r) am 25. Tischri 5460 (1700), was ein Be¬ 
weis für die noch sehr schwache Judenkolonie wäre. 
Dann folgen bis 1712 in 3—4 jährigen Pausen je 1, 
noch überhaupt ohne Ortsangabe. Doch dürften diese 
Personen 1) auch dort herum gewohnt haben. Als er¬ 
ster Ort überhaupt erscheint Eltschowitz, u. zw. durch 
I s a k ben M e i r, gestorben 20. Tebet 5490 (1730) 
und dessen Gattin Giti (geborene Chajim Lejb), 
gestorb. 4. Schebat 5491 (1731); sie waren die Stamm¬ 
eltern des Freili. v. Zdekauer in Prag. (Ihre Grä¬ 
ber wurden 1906 renoviert.) 
In dieser Zeit erscheinen die weiteren Namen Erd¬ 
mann (vermutlich auch Jude), M a h 1 e r und Sü߬ 
kind (später Altmann aus Kolinetz, Bezirk Klattau). 
1723 wird inzwischen im Schwarzenbergischen Arch. 
Isak Fandl (ältester Sohn des erwähnten Mar¬ 
kus F. in W.), 23 Jahre alt, in Ckjn verheiratet, 
genannt; 1727 übersiedelte Markus Fandl aus dem 
Gemeindehause (jetzt „Altes Rathaus44, Ringplatz 
Nr. 8) in das heutige Stadthaus Nr. 1 und bezahlte 
der Staidt als Zins 18 fl. 33 Kreuzer. Außer genanntem 
Isak hatte Markus F. noch 2 Söhne u. 8 Töchter; als 
Dienstboten wohnten anno 1723 noch bei ihm der 
„Schulmeister44 Salomon aus Burlitz (Pohrlitz bei 
Nikolsburg?) in Mähren, ein Graf v. Zinzendorfischer 
Un ter than, u. ein Junge namens Meiler (vielleicht 
ein Neffe, siehe oben). Markus F. trieb „Handtl mit 
unterschiedlichen Zeigen, Tuch, Woll, Federn u. a. 
Waren44. 1735 wird der Eltschowitzer Schutz¬ 
jude Jakob Israel mit Weib und Kind in der Bin¬ 
derei neben dem herrschaftl. Bräuhaus in W. ange¬ 
siedelt. Eine Synagoge befand sich hier nicht, das Ge¬ 
bet wurde in einem Zimmerl des F. verrichtet. Die 
Bürger von W. beschwerten sich oft über die Juden, 
„weil sie ihnen die Nahrung wegnehmen44; aber die 
Grundobrigkeit (seit 1719, wie gesagt, Schwarzenberg) 
hat die Juden stets in Schutz genommen. In den fol¬ 
genden 40 Jahren erscheint hier kein weiterer Juden¬ 
name; vielleicht sind also obgenannte Familien teils 
ausgestorben, teils abgewandert. Die „F and l44 
führten in ihrem Petschaft einen Korb, die „M e 1 1 e r44 
zwei Fische. — Dagegen nennt das Gräberverzeichnis 
eine Moses, gestorben 1740. — 
Während des österr. Erbfolgekrieges (1742) waren 
in der ersten Jahreshälfte in W. u. W o 1 i n franz. 
Kürassierregimenter einquartiert; in Wolin liegt der 
franz. General Ximenes begraben, nachdem er bei 
einem Brande hier vergebens in W. Logis gesucht 
hatte. Nach dem österr. Siege bei Zahaj (unweit 
Frauenberg-Budweis) anfangs Juli zogen die Franzo¬ 
sen nach Bayern ab, verfolgt von hauptsächlich ungar. 
Husaren, die in der Winterberger Gegend lagerten. 
Diese sicherlich allgemeine Plage hielt aber nicht die 
Ausbreitung der Juden auf; so der C h a j i m s, Jo¬ 
seph (Sohn des K's e r i e 1, siehe unt. Moses), Sa¬ 
muel (mit 3 Verstorb. ab 1759), Me insteru. 1 
L e j s e r. Gleichzeitig (1771) erscheint in Ckjn als 
erster einer langen Reihe Fajbl S i 11 i g, dem 1775 
eine R e i n i t z (Kirobitterin) folgt. — 
Dann führt uns das J. 1777 abermals nach Wr. zu¬ 
rück, wo gleichfalls ein neuer Stamm auftaucht durch 
Abraham Beer Vo cásek aus Mireschau, der als 
k. k. Tabakverleger nach W. kam und später auch 
die Mauten bekam. Allerdings hatten sich gegen seine 
Ansiedlung der damalige kathol. Pfarrer und ein 
Großteil der Bürgerschaft heftig gewehrt — angeb¬ 
lich weil er am Ringplatze wohnte „in zu großer Nähe 
der Kirche44 —; jedoch bloß mit dem Erfolg, daß er 
gegen Ende des 18. Jhts. in das Haus Nr. 21 am 
Schloßberg übersiedelte, dias er erbgrundzinslich 
kaufte und das seither das „Judenhaus4' heißt. Übri¬ 
gens kam der jüdischen Anpassungsfähigkeit und Zä¬ 
higkeit das Josefinische Toleranz-Edikt und die gänz¬ 
liche Aufhebung dier Leibeigenschaft (1. November 
1781) zuhilfe, um leichter Fuß zu fassen. Anfangs des 
19. Jhts. wurde das „Judenhaus44 an eine zweite Ju¬ 
denfamilie namens H a 1 d e k 2) verkauft (von der es 
in den 50er Jahren vorigen Jahrhunderts die Herr¬ 
schaft rückkaufte). Die „W o c z a s e k" (wie ihr 
Name auch erscheint) übersiedelten in die Vorstadt. 
Neue Namen sind auch I t z i g (ab 1778 in 2 Glie¬ 
dern), Stampf (s. unt. Gans) und Leml (1794 
Eltschowitz). 
Auf der Herrschaft W. werden um diese Zeit auch 
von Josef Puhani „Juden44 erwähnt; es heißt dort: 
Damals wurden in den Wäldern Aschenbrennereien 
eingeführt, um diie große Masse Lagerholz (Rönnen) 
der gänzlichen Verwesung zu entziehen; anfangs be¬ 
trieb man die Aschenbrennerei sowie die daraus ge¬ 
folgte Salyseter-Siederei in eigener Regie, später wur¬ 
den dieselben zumeist an Juden verpachtet, wobei 
die „Aschensteige" oder „Judenwege" entstanden; z. 
B. im Revier K e 1 1 ne nächst dem Kubani östlich W. 
Auch die Einsammlung des Zünderschwammes 3) wur¬ 
de verpachtet, wozu sich später das Harzreißen (Pe¬ 
chein) gesellte. Von Kuschwarda zur bayerischen 
Grenze führt gleichfalls ein „Judenweg66, dessen Name 
aber so erklärt wird, daß sich angeblich „die im J. 
1815 aus Südböhmen ausgewiesenen Judien auf diesem 
Wege außer Landes begeben mußten44. Es kann sich 
aber um keine allgemeine Ausweisung gehandelt ha¬ 
ben, weil nach den vorliegenden Quellen z. B. die 
hiesige J. G. nicht nur keine Unterbrechung erfuhr, 
sondern sich im Gegenteil noch mehr ausbreitete; sie 
verzeichnete bereits um 1790 jährlich einen Sterbe¬ 
fall (vgl. ab 1688). 
Gleichzeitig mit W. oder unmittelbar anschließend 
waren inzwischen (nach dem Gräberverzeichnisse) die 
Nachkomen M e i r s von Eltschowitz auch bereits 
in Z d ik a u als 4. jüdischer Siedlung ansässig; u. zw. 
starb hier Joseph Wolf Zdekauers (Sohn des 
M e i r) Gattin 1794 (abgesehen von immerhin fragli¬ 
chen früheren Fällen). 
Wahrscheinlich leitet sich der hier schon erschei¬ 
nende Familienname Zdekauer ab von Zdikau, 
bzw. einer volkstümlichen Bezeichnung als „Zdikauer 
Juden44. Zdikau liegt zwischen W. und Bergreichen¬ 
stein im cech. Gebiet der K. G. und war nach Jos. Pu¬ 
hani schon 1318 ein Gut Groß-Zdikau, sowie Dorf 
Klein-Zdikau im Besitze der „Johanniter4', bzw. 
„Kreuzherren44 von Strakonitz. 
Im J. 1799 erwähnt die Matrik in C k j n die Schutz¬ 
juden Arnsteiner. Der Ort entwickelte sich nun 
jedenfalls zum Mittelpunkte, d. h. zur stärksten jüdi¬ 
schen Siedlung und damit zum eigentlichen Sitze dier 
ganzen jüdischen Diaspora-Gemeinde. 
Winterberg 2 
692
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.