Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Bearbeitet von 
Direktor Emil Mauder, Bodenbach a./E. 
Geschichte der Juden in Tetschen und Bodenbach 
In Bosenbach (c. Podmokly), das bis 1850 ein 
Dorf war, welches zur Gerichtsgemeinde Weiher 
(jetzt Ortsteil von Bodenbach) gehörte, dürften bis 
etwa 1700 kaum Juden ansässig gewesen sein. Tet¬ 
schen, das schon im 12. Jht. von Zupanen verwaltet 
wurde, besaß zwar kein Privilegium, nach welchem 
den Juden verboten war, sich niederzulassen, aber es 
übte seit jeher einen stillen Widerstand gegen deren 
Ansiedlung aus. Aus einigen urkundlichen Aufzeich¬ 
nungen aber geht hervor, daß polnische Juden schon 
im 17. Jht. mit Waren in Tetschen handelten und Bens- 
ner Papier aus der dortigen Papiermühle in osteuro¬ 
päische Länder ischafften. Nachweisbar wohnte zwi¬ 
schen 1720 bis 1756 ein Sa(li) oder Sa(muel) Rosen¬ 
zweig in Weiher, im Hause Nr. 26, unter dem Namen 
Franz Wernher, der Kleinhandel nach Ungarn und 
Rumänien betrieb. Er war oft ein ganzes Jahr unter¬ 
wegs, täuschte durch sein glatt rasiertes Gesicht und 
seine rotblonden Haare die Ortsbewohner und wahr¬ 
scheinlich auch die Behörden und soll seine Familie, 
die in der Prager Judenstadt wohnte, verlassen haben. 
(Aufzeichnung des Fabrikanten Adolf Pächter, Bo¬ 
denbach.) 
Der erste Jude, der sich um 1865 in T e t s c h e n 
niederließ, war der aus Dresden stammende Moritz 
Mannsfeld, der einen schwunghaften Getreide¬ 
handel betrieb und seinen Kahn bis nach Hamburg 
fahren ließ, von wo er ándete Waren nach Tetschen 
brachte. 
In Bodenbach wohnte ein Jakob Sonntag 
um 1863, der anfänglich Grenzpolizist war, aber im 
Jahre 1867 ein Wechselgeschäft und später ein Bank¬ 
haus errichtete, bei dem auch der nachmalige Bankier 
David* Taussig in der Lehre war. Letzterer "errich¬ 
tete 1885 ein eigenes Bankgeschäft in Bosenbach, das 
i. J. 1905 von der Anglobank übernommen wurde, 
später als „Allgemeiner Böhmischer Bankverein44 und 
schließlich als „Böhmische Unionbank44 in den glei¬ 
chen Räumen in der Poststraße bis jetzt weitergeführt 
wurde. (David Taussig, geboren 1853, gestorben 1916, 
erwarb sich um das Bankwesen in B. große Verdien¬ 
ste. Nachdem er seine Bank an die Anglobank abge¬ 
geben hatte, bekleidete er dortselbst die Funktion 
eines Bankdirektors bis 1908, in welchem Jahre er 
selbst wieder ein Bankgeschäft errichtete, das er 1914 
an den Wiener Bankverein, Filiale Bodenbaoh, ver¬ 
kaufte. Bei dieser Bank bekleidete er die Stelle eines 
Aufsichtsrates bis zu seinem Ableben.) 
Als einer der ersten Juden, die in B. geboren wor¬ 
den isind, dürfte der bekannte Anwalt und Verfechter 
der Interessen der deutschen Bewohnerschaft in Prag, 
Dr. Josef Eckstein (seinerzeit auch Stadtrat 
von Prag), zu nennen sein. Er wurde 1866 in B. im 
Keller des Laubischen Hauses (NC. 20) am selben 
Tage geboren, als gerade die Preußen in B. einzogen. 
Sein Vater hatte eine kleine Branntweinbrennerei mit 
Ausschank im selben Hause. 
Tetschen 1 
Schon vom Jahre 1874 an kamen die Juden in den 
Wohnungen der Glaubensgenossen zusammen, um ihre 
Andacht zu verrichten. Im J. 1885 schritt man an die 
Gründung eines Bethausvereines und stellte Fabrikant 
Adolf P ä c h t e r in seinem Besitztum (Steingu߬ 
knopffabrik in Bodenbach) einen Gartenpavillon als 
Betsaal zur Verfügung, den er zweckentsprechend 
Siegmimd Brauner 
Gottfried Pick 
aus eigenen Mitteln einbauen ließ. Da sich jedoch 
dieser Raum für die Glaubensgenossen namentlich zu 
hohen Feiertagen zu klein erwies, mußte an Fest¬ 
tagen der Gottesdienst im Saale des Zeughauses (bis 
1888) und später im Saale des Hohen Hauses (später 
Arbeiterheim, jetzt Volkshalle NC 344) abgehalten 
werden. 
Die Gründer des Israelit. Kultusvereiries, der sich 
am 30. Juli 1887 konstituierte, waren: Adolf Päch¬ 
ter, Bodenbach, Siegmund Brauner, Tetschen, 
Gottfried Pick, Weiher, Karl Heller, Tetschen, 
Moritz F ran kl, Weiher. Zum Präsidenten wurde 
Adolf Pächter gewählt; T. V. war Gottfried Pick. 
Die Zahl der Mitglieder betrug im Gründungs jähre 
48, die Seelenzahl 162. 
Schon 5 Jahre vor der gesetzlichen Bestimmung, 
welche die Gemeinden verpflichtete, für Beistellung 
Karl Heller
	        
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