Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

weihevollen Räume des Tempels einer religiösen Mu- 
sikaufführung, die der tTempelverein veranstaltete, 
um wenigstens teilweise seine großen Ausgaben zu 
decken, widmete jedoch einen Teil der Einnahmen 
dem jüdischen Hospital. 
Nun treten wir mit dem Beginn unseres Jahrhun¬ 
derts in die letzte Phase der bisherigen Gemeinde¬ 
entwicklung ein. 
Die neueste Zeit (1900—1932). 
Aus den Neuwahlen des Jahres 1902 ging an Stelle 
des bisherigen Vorstehers Ed. Rindskopf der Fabri¬ 
kant Ernst Steinwald als Kultusvorsteher hervor, 
Dr. Siegmund Hahn wurde sein Stellvertreter und 
Julius Hahn, Simon Taussig und Marcus Leder er wa¬ 
ren die Tempelvorsteher. Für den Religionsunterricht 
in Dux, wo nunmehr I. Rindskopf als Religionslehrer 
fungiert, wird Dr. L. Bäcker und nach seinem kurz 
darauf erfolgten Tode Dr. Fischer als Ortsschulrat 
nominiert. 
Gemeinde-Sekretär war der rührige Berthold Hor- 
witz bis 1913. 
Der wohltätige Sinn der Gemeinde wurde noch 
im selben Jahre durch eine von der Wiener israelii. 
Allianz angeregte Sammlung in Anspruch genommen, 
von der 8000 K für die notleidenden russischen Juden 
und 200 K anläßlich einer Judenverfolgung in Ru¬ 
mänien Verwendung fanden. 
Auch die Abbrändler in der benachbarten Berg¬ 
stadt Graupen wurden unterstützt40). 
Die Gemeinde konnte anläßlich des 25 jährigen 
Dienstjubiläums den Tempeldiener Dasch und bald 
darauf den Diener Hermann mit einer wohlverdien¬ 
ten Ehrung erfreuen. 
Der rührige Tempelverein denkt daran, den not¬ 
wendigen Bau eines Gemeindehauses in die Wege zu 
leiten, aber dieser wohlgemeinte Plan wird definitiv 
zurückgestellt und ist tatsächlich bis zum heutigen 
Taere unausgeführt geblieben. 
Die Zeremonienhalle auf dem Friedhofe wird durch 
eine schlichte Decken- und Wandmalerei mit dem 
Orte entsprechenden Bibelsprüchen zu einer würdi¬ 
geren Stätte ausgestattet und Ludwig Adler von der 
Chewra zum Friedhofsverwalter bestellt41). 
Die rührige Arbeit unserer Gemeindekorporationen 
wTird aber auch durch mehrere betrübliche Vorkomm¬ 
nisse gestört. Eine Differenz zwischen Rabbiner 
Dr. Kurrein und dem Vorstand wegen des Wider¬ 
standes des Rabbiners gegen den Religionsunterricht 
am Sabbath führt zu einer zeitweisen Resignation des 
Kultusvorstehers Steinwald, der Armenarzt Dr. Löwy 
tritt zurück, für den Dr. Oskar Abeles dieses Amt 
übernimmt, Eduard Rindskopf stirbt und der Tod des 
Duxer Religionslehrers Israel Rindskopf nötigt die 
Gemeinde Ersatz zu schaffen, der in Moritz Mandl 
gefunden wird. Fräulein Neumann veranlaßt durch 
ihre Kündigung die Neubesetzung der Lehrerstelle an 
der isr. Volksschule in Teplitz mit Fräulein Irma 
Klein, die derzeit als Schulleiterin und Lehrerin an 
der Anstalt noch tätig ist. 
Nach wie vor versucht der Stadtrat die Last, die 
ihm diese Schule aufbürdet, abzuschütteln und rich¬ 
tet nun wieder ein Ansuchen um Aufhebung dieser 
Privatschule an den Vorstand (a. a. 0.). 
Aber weit mehr wird die Gemeinde beunruhigt 
durch die jungjüdische Bewegung des Zionismus, die 
nun auch in Teplitz Fuß faßt. 
Eine Broschüre des Dr. Emil Margulies gibt den 
jüdischen Mitgliedern der deutschen Fortschritts¬ 
partei in Teplitz Anlaß, in der Vorstandssitzung auf 
die Unliebsamkeit derartiger Veröffentlichungen hin¬ 
zuweisen. Aber die Versicherung eines zionistischen 
Vorstandsmitgliedes, „daß es keinem Mitgliede des 
Zionsvereines einfalle, gegen die Fortschrittspartei 
Stellung zu nehmen und daß alle nach wie vor" — so 
heißt es im Protokolle — „als Deutsche fühlen", läßt 
vorderhand die Ruhe wieder eintreten. 
Immerhin hält „Zion" die Gemüter in Bewegung. 
Durch Monate entspinnt sich ein mitunter sehr hef¬ 
tiger Kampf um die Bewilligung von Toraspenden 
beim Gottesdienste für zionistische Zwecke. Scharf 
und heftig prallen die gegnerischen Stimmen der 
Zionsfreunde, unter denen Ernst Bechert der Rufer 
im Streite ist, und der deutschliberalen Zionsgegner 
aufeinander. Dieser Widerstreit der Meinungen dauert 
durch Jahre. Wenn auch derzeit, Dank der klugen 
Nachgiebigkeit, von beiden Lagern und nicht zuletzt 
infolge der konzillianten Führung seitens des Vor¬ 
sitzenden der Gemeinde, des Präsidenten Dr. Ernst 
Cantor, beide Parteien seit langem den Frieden wah¬ 
ren, so ist doch „weder die Eroberung der Gemeinde" 
noch die Abwehr der Liberalen gegen den zionisti¬ 
schen Gedanken ganz aufgegeben worden, Das Ver¬ 
ständnis für den Aufbau Palästinas ist auch in Teplitz 
in weitere Kreise gedrungen und zionistischerseits hat 
man mit der Zeit auf anders eingestellte Kreise unse¬ 
rer Gemeinde resignieren gelernt. Die Stellung des 
Rabbiners inmitten der beiden Lager war freilich seitdem 
gewiß nicht angenehmer und mancherlei Gegnerschaft 
aus politischer Stellungnahme erwuchsen dem geist¬ 
lichen Führer und gestaltete ihm das Amt nicht leichter. 
Bei der Neuwahl des Vorstandes im Jahre 1906 
wurden Dr. Stein I. Vorsteher und Emil Rindskopf 
II. Vorsteher; Dr. Karl Kraus, Simon Taussig und 
Moritz Langer Tempelvorsteher. Nach dem Tode 
Langers übernimmt für kurze Zeit Adolf Laufer, nach 
dessen Resignation Adolf Karpeles diese Ehrenfunk¬ 
tion, der seit dem Jahre 1924 gewissenhaft dieses 
Amt des Tempelvorstehers bis zum Jahre 1930 versah und 
gleicherweise seit vielen Jahren die Ehrenfunktion in der 
Beerdigungsbrüderschaft in würdiger Weise aus¬ 
übte 42). 
Adolf Karpeles, der bis zu seinem vollendeten 75. 
Lebensjahr vorbildlich in der Gemeinde gewirkt, 
wurde wegen seiner Verdienste zum Ehrenvorsteher, 
ferner zum Ehrenobmann der heil. Brüderschaft und 
zum Ehrenmitglied des fempelvereines ernannt und 
Karl Freund an seine Stelle gewählt. Neben ihm 
wirken Dr. Emanuel Sachs und Dr. Paul Kohn in Dux. 
Der Verein „Bene Emunah66. 
Unsere Gemeinde ist im Verlaufe der letzten 
Jahrzehnte auch der Sitz einer Gemeinde von Ost¬ 
juden geworden, deren ältere Generation die streng 
religiöse Richtung treu bewahrt. Schon in den vier¬ 
ziger Jahren hatte Seligman Ungerleider hier seinen 
Wohnsitz genommen, der als erster nach dem 
Jahre 1848 aus dem Ghetto in die Stadt gezogen 
war. Zu ihm kam als junger Mann Heinrich 
Ungerleider aus Michalovce der hier im Kreise 
der streng religiösen Juden, die sich im Laufe der 
Jahre hier ansiedelten, eine führende Stellung 
erlangte und auch in der Gemeinde durch seine viel¬ 
seitige Tätigkeit besonders im Verein zur Erhaltung 
der Friedhöfe sich große Verdienste erwrorben hat. 
— Etwa im Jahre 1907 hatte sich eine Anzahl Fami¬ 
lien strenggläubiger Gesinnung hier angesiedelt und 
bald wurde von Heinrich Ungerleider, Elias Semmel, 
Chajim Kalb, M. H. Unger u. a. ein Privatgottes- 
leplitz 19 
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