Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Löwi die Aufsicht, um bald nach Entlassung Samuel 
Oesterreichers die gesamte Schechita zu übernehmen. 
Zu seiner Unterstützung wird auf Wunsch vorzügli¬ 
cher Gemeindekontribuenten der Teplitzer Samuel 
H er schei, Sohn des Josef H er schei, herangezogen. 
Die Teplitzer Juden sind damals nicht nur gute 
und opferwillige Mitglieder ihrer Glaubensgemeinde 
gewesen, sondern auch anhängliche und kluge Söhne 
ihrer Heimat. Wenn sie auch noch keine Bürger¬ 
rechte besaßen und an Herrschaft und Stadtgemeinde 
ihre Abgaben und Steuern leisten mußten, so ist doch 
das Verhältnis zwischen Juden und Stadtgemeinde 
ein verträgliches und erträgliches gewesen. Wir be¬ 
sitzen aus dem Jahre 1828 ein Zeugnis des güten Ein¬ 
vernehmens zwischen Stadt und Judengasse. 
Die Judengemeinde erbietet sich gern auf Auffor¬ 
derung des Magistrates „aus Hochachtung" einen 
Kanal in der hintern Judengasse bauen zu lassen, 
wozu 25 Mitglieder je 10 fl. als Baubeitrag unverzins¬ 
lich auf ein Jahr vorschießen. 
Beginn der Kultusreform. 
Die Umwälzungen der dreißiger Jahre im politi¬ 
schen Leben und der Kulturkampf in den jüdischen 
Großgemeinden Deutschlands und Österreichs zwi¬ 
schen den Anhängern eines streng traditionellen Kul¬ 
tus und den Vorkämpfern einer freieren religiösen 
Anschauung, die Wirkung des Auftretens des Schul¬ 
reformers Israel Jakobsohn und der Einführung der 
deutschen Predigten und deutscher Gebete, die Per¬ 
sönlichkeiten eines Geiger und Jellinek, eines Sulzer 
und Lewandowski strahlten aus den Zentren jüdi¬ 
schen Lebens auch auf die Provinzgemeinde aus und 
nicht zuletzt wandelte die Einführung der Orgel und 
geschulter Chöre das religiöse Leben und die Liturgie 
im Gotteshause um. So war auch in dem Jahrhunderte 
alten Tempel der Teplitzer Judengemeinde die neue 
Zeit eingezogen. 
Predigt, Orgel und Chor sollten dem Gottesdienste 
erhöhte Weihe schaffen, eine straffere Zucht und 
strengere Ordnungsmaßregeln die Würde und die 
Ruhe bei der Andacht verbürgen. 
Zwischen 1830 und 1836 trugen sich diese tiefgrei¬ 
fenden Änderungen zu: 
Am 2. Juni 1836 werden der Sehulsänger Singer, 
der Bassist Fink, der Synagogendiener Benedikt Fischer 
und der Gemeindediener Moses Walter auf diese Neu¬ 
ordnung nach Wiener Vorbild in Liturgie, Gesängen 
und Tempelordnung ausführlich und eindringlich 
aufmerksam gemacht und auf ihre Beobachtung ver¬ 
pflichtet. 
Der bisherige „Schulsinger" unterschreibt mit dem 
neuen Titel eines „Oberkantors" das Protokoll. 
Der bisherige Rabbiner Isaias Löwi war 1831 32) ge¬ 
storben, und da die hohe Landesstelle auf Anstellung 
des substituierenden Kreisrabbiners des Leitmeritzer 
Kreises, Rabbiners David Pick aus Ckyn drang, so 
einigt sich der Vorstand am 3. Juli 1836 auf dessen 
Anstellung als substituierender Lokalrabbiner von 
Teplitz auf die Dauer seiner Kreisrabbinatssubstitu- 
tion. Man verpflichtet ihn, „zur größeren Feierlich¬ 
keit unseres nach gegenwärtigem Zeitgeist geregelten 
Kultus" mindest alle 14 Tage eine Sabbathpredigt in 
reindeutscher Sprache, zweimal im Jahr eine Drascha, 
d. i. einen Lehrvortrag nach altherkömmlicher Weise 
zu halten, dem hebräischen Unterrichte der Jugend 
seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen und, 
wie es im Vertrage heißt, „die Bildung und Erziehung 
der israelitischen Jugend dem Zeitgeiste gemäß zu 
leiten". Dafür erhält er nebst freiem Quartier im 
vorderen Gemeindehause 5 fl. 20 kr. Conv. M. 
wöchentlich und die üblichen Emolumente. 
Überdies tritt als „Kultusdirektor" Aron Stern in 
Tätigkeit, dem der Ausschuß die Überwachung der 
Ordnung und! die Aufsicht und Einhaltung der vor¬ 
gezeichneten Richtlinien beim Gottesdienste über¬ 
antwortet. 
Der Vertrag ist vom Vorsteher Joachim Perutz, den 
Ausschußmännern Juda Hirschl und Salomon Katz 
und 20 Gemeindemitgliedern und dem Lehrer Stern 
gefertigt, überdies von Egidi Teschauer, als Abgeord¬ 
neten Oberämtl. Kommissär. 
Auffallenderweise verwahrt sich Juda Hirschl 
gegen die Aufnahme des neuen Lokalrabbiners und 
gegen die Neuregelung des Kultus. Der Rabbiner 
scheine ihm zu jung, und der Kultus stimme mit seinen 
gewohnten Religionsgrundsätzen nicht überein. 
Kreisrabbiner David Pick trat am 15. Juli 1836 
sein Amt an. 
Tagsvorher hatten sich Gemeinde- und Synagogen¬ 
vorstand mit der Beerdigungsbrüderschaft, deren 
Vorsteher Benjamin Liebling war, in bezug auf ältere 
Forderungen der Gemeinde an die Chewra und hin¬ 
sichtlich bestimmter Gebührennachlässe für die 
Chewrabrüder und deren Rechte auf gewisse Ehren¬ 
funktionen bei Festgottesdiensten geeinigt. 
Auch der Schulsinger legte wohl im Zusammenhang 
mit der Kultusreform sein Amt nieder, wurde aber 
auf sein Ansuchen mit einer Gehaltserhöhung und 
unter offizieller Verleihung des Oberkantortitels im 
Dienste belassen mit dem ausdrücklichen Hinweis auf 
die Einhaltung der im Juni dieses Jahres festgelegten 
Gottesdienstreform. 
Diese Reform wurde nunmehr durch die am 3. Juli 
1837 erfolgte Einstellung einer Orgel erweitert. Josef 
Goldstein aus Groß-Kanizsa in Ungarn wird als zweiter 
Kantor und, Adalbert Haftstein als Organist ange¬ 
stellt. Der letztere wird wegen Nachlässigkeit im März 
1839 durch Franz T s chus chiner ersetzt. Goldstein 
sollte nach der Resignation des Oberkantors Singer 
im September 1837 an dessen Stelle treten. Da aber 
vermutlich Goldsteins Vater den Amtsantritt seines 
Sohnes Josef nicht billigte, übernimmt Simon Lustig 
aus Milchdorf in Ungarn, der in Wien sechs Jahre und 
ein Jahr in Prag als Tempeltenorist gewirkt hatte, 
die Stelle des Oberkantors mit einem Monatsgehalt 
von 48 fl. W. W. Zunächst wird er durch acht Wo¬ 
chen als Tenorist am Chore erprobt und ab 16. Jänner 
1838 für ein Jahr aufgenommen, wobei sieben Ge¬ 
meindemitglieder einen Beköstigungsbeitrag von 
10 fl., jedes Vierteljahr, garantieren. 
Die Obsorge für die Ausgestaltung des moderni¬ 
sierten Gottesdienstes und besonders des Chores be- 
wog den Vorstand, Nathan Schießer, kgl. preuß. 
Staatsbürger aus Groß-Glogau, der zu Pessach eine 
Probe glänzend bestanden hatte und beste Zeugnisse 
vorwies, als Sänger und Regenschori ab 12. April 
1838 auf drei Jahre anzustellen, „da der Vorstand 
die Wünsche der Gemeindemitglieder, die Gebete dem 
Zeitgeiste näherzuführen, der Verwirklichung gerne 
entgegen bringt". Er hatte die Pflicht, die Chorknaben 
im Singen und in der Musik zu unterrichten und 
von Zeit zu Zeit für neue, den gegenwärtigen Ritus 
angemessene Gesänge Sorge zu tragen. Sein Gehalt 
betrug wöchentlich 14 fl. 24 kr. W. W. und 100 
Gulden Quartierbeitrag jährlich; dieser Vertrag 
wurde dann im Jahre 1840 auf weitere sieben Jahre 
erneut. 
Das Jahr 1839 brachte eine vom Oberamte erlassene 
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Teplitz 12
	        
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