Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wenn eine Familiennummer frei geworden war. In 
den israelitischen Matriken wiederholen sich die Be¬ 
zeichnungen „Schutzjud oder Familiant44 dauernd und 
reichen bis zum Jahre 1849. Interessant ist das Bitt¬ 
schreiben des „Treugehorsamsten Schutzjuden Ephra- 
jim Freudenberger44 mit eigenhändigem abschlägigem 
Bescheid des Johann, Fürsten Clary vom Jahre 1809. 
Das Gotteshaus aller dieser Generationen ist der in 
der heutigen Karlsgasse gelegene Tempel, der seit 
dem 16. Jahrhundert 28) bis zum Jahre 1882 als An¬ 
dachtstätte diente und seitdem in wenig würdiger 
Weise als Magazin und zeitweise als Arbeitstätte ver¬ 
pachtet, immer mehr einem traurigen Verfalle ent¬ 
gegen ging, bis er im Jahre 1925 wieder seinem heili¬ 
gen Zweck zugeführt wurde und seitdem einer 
Gruppe von Ostjuden, dem Vereine Bene Emunah, in 
verjüngter Schönheit als Andachtstätte dient; darüber 
wird später noch berichtet. Das Leben in den Gassen 
der Judenstadt, wie die Beratungen in der Gemeinde¬ 
stube spielen sich durch Jahrzehnte in fast unverän¬ 
derten Formen ab und die Probleme der Verhand¬ 
lungen bleiben nahezu dieselben. Es wiederholen sich 
die Beratungen über die Verpachtung des Fleisch¬ 
pardons, der Gemeindehäuser, der Judenbäder und 
des Aschenhauses. 
Die Gemeindeausgaben sind auch seit der Wende 
des Jahrhunderts sehr gestiegen. Hatten die Ausgaben 
1807 im ganzen 696 Gulden 41 Kreuzer betragen, 
so waren sie jetzt auf 1234 Gulden 81 Kreuzer ge¬ 
stiegen, und hatten die Einnahmen beträchtlich über¬ 
stiegen. Synagogenvorsteher Isak Horwitz — denn 
laut Patent für die Juden in Böhmen vom Jahre 
1797 gab es außer Prag keine Judengemeinde 
und keine Gemeindevorsteher — und Adam Willner, 
der als Ausschußmann zeichnet, haben für die Ein¬ 
bringung des gesteigerten Gemeindebedarfs zu sorgen. 
Die Pacht der Genieindeeinrichtungen mußte öffent¬ 
lich im jüdischen Genieindehause ausgeschrieben wer¬ 
den, worüber Isak Horwitz als „Polizeivorsteher" zu 
wachen hat. Der Rabbiner R. Naftali Hirz Emden, 
der 1799 208 Gulden und 6 Gulden 30 Kreuzer 
Akzidenzien pro Jahr erhalten hatte, bezog jetzt 
572 Gulden und 5 Gulden Holzgeld, wofür er unter 
anderem „2 Predigungen44 zu halten hatte. Sehen wir 
uns die Ausgaben des Jahres 1799, also am Ende des 
Jahrhunderts, einmal an. Da heißt es im Protokoll 
vom 3. März 1799. 
Sämtliche Abgaben zu den hochfürst- A- kr. 
liehen Renten jährlich .... 648 — 
Regens Chori 7 10 
Baccalauri . 
17 
55 
Rabiner Gehalt 
208 
— 
Demselben Accidenzien 
6 
30 
Jüdischdeutscher Lehrer Gehalt . 
156 
— 
Beysteuer zum Hauszins .... 
15 
— 
Zins für deutsche Schulzimmer . 
40 
— 
Zu beheizen 
15 
— 
Gemeindediener Moses Steinhauer Gehalt 
12 
30 
Accid 
4 
7% 
Dem Schuldiener Salomon Weis Gehalt . 
12 
30 
Demselben für Vorlesen der Thora . 
4 
16 
Josef Münzner 
12 
30 
Kircheninteressen jährlich .... 
8 
— 
An löbl. Stadtmagistrat jährlich . 
8 
— 
Dem Schulsinger Menasse Singer Gehalt 
samt Akzidenzien 
90 
— 
Für Patenten Abschreiben .... 
4 
— 
Nachtwächter 
2 
30 
Baademann 
2 
30 
Freywillige Geschänke, welche von jeher 
gewöhnlich waren ..... 
20 
— 
Röhrbohrer 
2 
30 
Beitrag als Interesse für das Kapital d. 
Seeligen Marcus David z. Jüdischen 
Kinderunterricht im jüdischen Fach , 12 — 
Kassierer Gehalt wie bisher jährlich . 22 30 
In Summa . . . 1332 28 
Das Protokoll ist dem löbl. Oberamt zur Bestäti¬ 
gung vorzulegen. Teplitz obigen Dato. 
Bemerkenswert in diesem Protokolle ist die Tat¬ 
sache, daß wir also schon am Ende des 18. Jahrhun¬ 
derts in Teplitz eine jüdischdeutsche Schule besaßen, 
die Lehrräume befanden sich im zweiten Stock des 
Gemeindehauses. Sie wird in den Protokollen auch 
als Normalschule bezeichnet. Der Schulsinger war 
auch der Schächter. Josef Münzner war Gemeinde¬ 
diener neben Moses Steinhauer. Der Röhrbohrer be¬ 
sorgte die Reinhaltung der Wasserzuleitungen zu den 
jüdischen Bädern. Der Rabbiner und der Lehrer 
wohnten im Gemeindehause, der Vorbeter und Ge¬ 
meindediener auch dort in der „Hintern44 Judengasse, 
jetzt Breitegasse. 
In späteren Protokollen werden auch ein Laternen¬ 
anzünder der Gemeinde erwähnt, der sein „Lantern- 
geld44 aus dem Gemeindesäckel bezog, ebenso wie 
die jüdische Hebamme. Die Gemeinde umfaßte 29) 
damals etwa 435 jüdische Seelen unter ungefähr 1450 
Einwohnern 30), als Vorsteher zeichnet in diesen Jahren 
Benjamin Liebling. Als Kassier wird genannt Juda 
Popper, der wie bisher für 3 Jahre „gegen Derne, dass 
er sich nach der Ihm vom löbl. Oberamte zugetheilt 
werdende Instruktion benehme44. Ihm folgte Josef 
Wagner in diesem Amte. Der Name des deutschen 
Lehrers ist uns unbekannt. Das oben genannte Pro¬ 
tokoll aus diesem Jahre ist von 34 Unterschriften 
gefertigt, die uns eine ansehnliche Reihe von Ge¬ 
meindemitgliedern bezeugen. Ich lasse sie folgen: 
Elias Philipp Zunz, David Liebling, Isaak Straszer, 
Salamon Straszer, David Goldenstein, Nathan Her- 
schel, Juda Hersehl, Abraham Gersuni, Marcus Blu¬ 
menberg, Juda Goldenstein, Jacob Dasch, Löwy 
Landesmann, Juda Popper, Jeremias (?) Conjirsch, 
Isaias Popper, Joachim Cohn, Jacob Cohn, Benedikt 
Cantor, Elias Fischer (in hebräischen Lettern), Mi¬ 
chael Stern, Josua Stern, Moses Stern, Seligman 
Teichner, Josef Goldenstein, Moses Zunz, Benjamin 
Liebling, Veuth Hirschmann, David Nagler, Josef 
Heller, Lazer Koller, Naphtali Lieberts, Moses Nag¬ 
ler, Abraham Spitz, Joachim Ulimann, und füge wei- 
Innenansicht des orthodoxen Tempels 
653 
Teplitz $
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.