Viele Steine sind im Verlaufe von bald 300 Jahren
verwittert, die Inschriften unleserlich geworden und
die oben erwähnte vor Jahrzehnten durchgeführte
Übermalung der Buchstaben hat überdies eine be¬
dauerliche Verschlimmerung des Schriftsatzes herbei¬
geführt, so daß vielfach der Text verdorben, ja
geradezu unverständlich wurde. Es wird die Aufgabe
einer späteren Prüfung sein, die Inschriften dieses
alten ehrwürdigen Friedhofes zu erfassen und zu
enträtseln. Der letzte in diesem Hause des Lebens
Beerdigte war David Birnbaum am 4. d. 10. 1862.
Mit einer feierlichen Ansprache des damaligen Orts¬
rabbiners Rabbi David Pick wurde diese Ruhestätte
am 23. Oktober 1862 geschlossen und der neue Fried¬
hof eröffnet. Diese Predigt ist uns handschriftlich er¬
halten in dem oben genannten Sterbe-Verzeichnis der
Verstorbenen und auch im Drucke erschienen.
In einsamer Schönheit liegt dieser alte Friedhof,
fern dem Lärme der Stadt und im Hintergrunde ragt
die gewaltige Kuppel unseres herrlichen Tempels
empor, den Besuchern des Friedhofes ein stimmungs¬
volles Symbol der sich erneuernden Lebenskraft des
Judentums.
Dieses alte Erbe unserer Gemeinde steht, wie der
neue Friedhof, unter der treuen Obhut des vor eini¬
gen Jahren gegründeten Vereines zur Erhaltung und
Verschönerung der jüdischen Friedhöfe in Teplitz.
An einigen Tagen des Jahres öffnet sich die Pforte
des guten Ortes dem öffentlichen Besuche und Juden
und Christen besuchen die heilige Stätte, um die aus
Lippmann Saméis „Teplitzer Judengeschichte44 be¬
kannten Grabstätten Noteis, Frumets, Resel Mache-
weks und Peierl Fleischhackers zu besuchen27).
Einfache Denkmäler aus älterer Zeit und kostbare
aus der jüngsten Vergangenheit reden ihre eindring¬
liche Sprache, kündet vom Vergehen der Generationen
und! von der Wahrheit des Talmudwortes, daß die
Erde, die uns geboren, unaufhörlich nach ihren Kin¬
dern ruft: gib, gib! Immer weiter erstreckt sich der
belegte Raum.
Der neue Friedhof, eröffnet im Jahre 1862, birgt bis
heute gegen 2200 Grabstätten, darunter die Ruhestätte
etlicher Aschenurnen. Schlichte Denkmäler und künst¬
lerisch hervorragende weisen auf die hier Ruhenden:
Der Friedhof zeigt dank der Fürsorge des genannten
Vereines eine tadellose Erhaltung aller Grabstätten;
auch die Ärmsten und der Hinterbliebenen Entbehren¬
den finden sorgsame Betreuung ihrer Ruhestatt.
*
Die Gemeinde hatte um 1818 ein neues Gemeinde¬
haus gebaut, welches auch als Armen- und Kranken¬
haus diente. Es enthielt zu ebener Erde 2 Zimmer und
Küche mit 2 Backöfen, „worin die Pächter verbunden
sind die sogenannten Barches, das Sabbathessen, wie
sonst gewöhnlich gegen gebührende Zahlung, und die
Osterkuchen zu backen" und außerdem im ersten
Stock 2 Stuben, eine Kammer und eine Küche. Im
zweiten Stock 1 Stube, einen Alkoven und 1 Küche.
Ein flotter Wettbewerb unter den Juden Juda Golden¬
stein, Beer Perutz, Benedikt Kantor, Abraham Hor-
witz, Josef Herschel und Rafael Freudenberg erweist
den Erstgenannten als zahlungsfähigsten Pächter des
Gemeindehauses auf 3 Jahre (160 Gulden pro Jahr),
wobei in guter altjüdischer Fürsorge für fremde und
Arme dem Moses Steinhauer nebst einem Zimmer für
sich und für „ordentliche arme Fremde46 auch eine
Parterrestube für fremde Bettelleute überlassen wird.
Überhaupt hat die Gemeinde, wie es wohl überall der
Fall war, für die Bedürftigen und Durchwandernden
in der Weise Vorsorge getroffen, daß die Baale
Batim, die Familienväter, nach einer bestimmten Ord¬
nung „Boletten44 (Speisemarken) übernahmen, die den
Armen übergeben, ihnen Speise und Trank in den
Familien für eine gewisse Zeit sicherten. Schlaf¬
stätten fanden sie ja im Armenhaus. Die Armenpflege
scheint gut organisiert gewesen zu sein. Wir finden
im Jahre 1811 Isaias Popper als Armenvorsteher, dem
die Aufsicht und Führung der Armenpflege überant¬
wortet war. In späterer Zeit wird diese Armenfiir-
sorge weiter organisiert und wir finden dann eine
Anzahl von humanitären Vereinen, welche, wie wir
sehen werden, verschiedene Versuche zur Zentrali¬
sierung der gesamten Armen- und Krankenpflege
machen, darüber a. a. 0. Die Fleischpacht (der
Fleischpardon) war 1801 an Simon Blumberg über¬
gegangen, der mit 665 Gulden die andern Bewerber
schlug. Die Pacht des Bades hatte in diesen Jahren
Josef Steinhauer für 680 Gulden, nach dessen Tode
seine Witwe, die Steinhauerin, übernommen, der
allerdings das Pachtquantum i. J. 1810 bedeutend
erniedrigt wird, da die Einkünfte des Bades „durch
die eingefallenen Kriegszustände44 viel Schaden ge¬
litten und auch der Magistrat dem Pächter von
seinem Pachtschilling ein Ansehnliches nachgesehen
hatte. Übrigens bürgte sie ja nicht nur mit ihrem
Vermögen für den Zins, sondern auch ihr Schwieger¬
vater Moses Steinhauer diente ihr mit seinem Tem¬
pelsitze als „Cavent44 gegenüber der Gemeinde.
Es würde zu weit führen, im einzelnen die wech¬
selnden Pächter dieser Gemeindeinstitutionen aufzu¬
zählen und es sei nur bemerkt, daß oftmals Bäder,
Fleischkreuzer und Gemeindehauspacht unter fast
immer gleichen Bedingungen in einer Hand vereinigt
waren und daß uns als Pächter des Fleischpardons
überliefert sind:
David Kulb, der, wie schon oben bemerkt, be¬
reits im Jahre 1801 das Rabbinat übernommen
hatte, Josef Horwitz, Josef Steinhauer, Nathan
Fleschner, Rafael Freudenberg, Beer Perutz, Mi¬
chael Ochs, Moses Spira, Ephrajim und Rafael
Freidenberg (sie), Koppelmann Kantor und Juda
Ochs. Als Badepächterin mitunter auch als Gemeinde-
hauspächterin die oben genannte Wittib Steinhauerin,
Witwe nach Josef Steinhauer, der Schutzjud Abra¬
ham Spitz, Esther Zunz, Klara Wienerin, Josef und
Karoline Wienerin, Moses Eilenburg, Josef Herschel,
Emanuel Steinhauer. Im Jahre 1809 d. d. 20. Jänner
hat die K. K. jüdische Steuerdirektion in Prag eine
neue Verordnung bezüglich der Besteuerung erlassen,
welche laut der Wien 9. November 1808 angeordne¬
ten Verzehrungssteuerabgabe ab 1. Hornung 1809 die
Verzehrungssteuerabgabe verpachtet. 950 Gulden
werden als Pauschalquantum der Judenschaft an den
Kassier Benedikt Kantor abgeführt, der sich Bezirks¬
steuereinnehmer tituliert. Damit hört das Recht der
Gemeinde auf Besteuerung der Eßwaren auf, der
Fleischpardon endet und es wird dafür die Verzeh¬
rungssteuer verpachtet, welche das erste Mal mit
1591 Gulden an Rafael Freudenberg übergeht, wobei
die Orte Sensomitz und Türmitz in den Steuerkreis
eingezogen werden.
Mancher heute führende Name in Gemeinde und
Industrie findet sich schon um die Wende des 18.
Jahrhunderts, freilich als Schutzjude der Herrschaft,
als Familiant, d. h. als Inhaber einer der Nummern
hiesiger Judenfamilien, deren Zahl nur mit behörd¬
licher Genehmigung der Herrschaft überschritten
werden durfte und deren Söhnen, außer dem Erst¬
geborenen, eine Heirat im Orte nur dann erlaubt war,
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