Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wurde in dieser Form zurückgewiesen, denn die 
Schuld fiel schließlich auf den „Schuelklopfer" (in 
unum ex nomine Schuolklopfar). gegen den die Klage 
zu erheben man den Bürgern freistellte. Welchen 
Schaden diese Feuerbrunst anrichtete, ist nicht be¬ 
kannt. Der zweite Brand, welcher die Judengasse 
heimsuchte, datiert vom 4. Juni 1597. Das Feuer kam 
beim Goldschmiede Wilhelm Schlechta (Eck der Dom- 
herrngasse, gegenüber der Volks- und Bürgerschule, 
heute Domherrnwohnung) zum Ausbruche, griff rasch 
weiter und äscherte 74 Stadthäuser und 8 Höfe in 
der Vorstadt ein. Die Niklasgasse, Pfaffengasse und 
Judengasse wurden am ärgsten mitgenommen. Die Sy¬ 
nagoge, die wenige Jahre vorher in Bürgerbesitz über¬ 
gegangen war, brannte ebenfalls nieder. Der Rat 
brachte am 14. Juli ein Majestätsgesuch um Steuer¬ 
nachlaß ein, der den Abbrändlern auch tatsächlich 
gewährt wurde. Manche der Häuser lagen viele Jahre 
in Trümmern. Der dritte große Brand, durch den die 
Judengasse in Mitleidenschaft gezogen wurde, war 
jener vom 24. Juli 1641, welchem 226 Häuser, 
64 Höfl und Scheuern, die Pfarrkirche, das Wenzels¬ 
spital, das Prager Tor und andere Mauertürme zum 
Opfer fielen. Jahrzehnte vergingen, ehe dieser große 
Brandschaden verschmerzt war. 
Die Juden kehrten nicht mehr nach B. zurück. Die 
einzige Ausnahme, die ihnen der Rat am 18. Juni 1538 
gestaltete, war der Zutritt zu den Märkten. Es heißt 
darüber, daß man die Frage aufgeworfen habe, ob die 
Juden während der Jahrmarktszeit wieder in die Stadt 
gelassen werden sollen? Der Rat entschied im günsti¬ 
gen Sinne, weil, sobald die „Freiung46 geläutet werde, 
ein jeder freie Mann Zutritt zum Markte habe und weil 
es ihnen ehemals auch nicht verboten war, hauptsäch¬ 
lich aber deshalb, weil die Neuchristen und Lutheraner 
ebenfalls zugelassen wurden, die doch schädlicher als 
die Juden seien. Warum solle man es den Juden verweh¬ 
ren, da sie dem Volke höchstens an dessen Besitze, aber 
nicht wie die Lutheraner an der Seele Schaden zufügen. 
Als man, um für einen Neubau Platz zu schaffen, 
im April 1908 das Haus Nr. 219 zu demolieren begann, 
stieß man auf die Spuren des alten jüdischen Tempels. 
Man ließ bei der Abtragung die größtmöglichste Sorg¬ 
falt walten und so wurde es möglich, aus den aufge¬ 
fundenen Überresten nicht nur die genaue Lage, son¬ 
dern auch die Größe, Bauform und Ausschmückung 
des alten Tempels festzustellen. 
Die Budweiser Synagoge war ein gotischer Bau von 
32*5 ni' Grundfläche (5 m breit und 6'5 m lang) und 
etwa 7 m Höhe. Man legte beim Demolieren die vier 
Strebepfeiler bloß und auch die Spitzbogen, welche 
ehemals gegen die Mitte der Wölbung zusammenliefen, 
wurden deutlich sichtbar. Der Haupteingang lag seit¬ 
wärts in der nördlichen Wand, ebenso befand sich in 
der gegenüberliegenden südlichen Wand eine größere 
Öffnung, wahrscheinlich eine Verbindungstür zum 
Nachbarhause, das vielleicht vom Rabbiner oder Tem¬ 
peldiener bewohnt wurde. Auf dieser südlichen Wand 
wurden auch Reste der alten Malerei und einige deut¬ 
lich erkennbare hebräische Buchstaben gefunden. Un¬ 
gefähr in der Höhenmitte der Mauer sah man einen 
etwa 10 cm breiten roten Strich, darunter abwechselnd 
je eine Rose, etwa 15 cm im Durchmesiser, und einen 
ebensogroßen sechseckigen Stern. Man hielt die Ro¬ 
sette ursprünglich für die Rose der Rosenberger, doch 
unterscheidet sie sich von dieser sowohl der Farbe als 
der Form nach. Die hier als Wandschmuck aufge¬ 
deckten Rosen, von denen ein Stück herausgenommen 
wurde, bestanden aus fünf runden Blättern, blaß rot, 
und einer gelben Kreismitte. Oberhalb des roten Stri¬ 
ches zeigten sich in der Höhe Reste einer in Schwarz 
gehaltenen Malerei, die etwa einem ausgespannten 
Teppiche, ungefähr 1V2 m breit und 1 m hoch mit vier 
seitwärts hervorstehenden Speeren glich. Unterhalb 
dieser Malerei knapp über dem Striche befand sich 
längs der ganzen Wand eine Inschrift in großen zier¬ 
lichen schwarzen Buchstaben, von denen jedoch nur 
drei ganz unbeschädigt waren. Diese Inschrift konnte 
nicht entziffert werden. Dagegen wurde ein Wort, 
beziehungsweise ein Satz, der sich über dieser In¬ 
schrift befand — in vier kleinen Buchstaben rot mit 
schwarzem Rande — deutlich erkannt. Es sind die 
Anfangsbuchstaben des Bibelspruches Ps. 34, 15: 
„Meide das Böse und übe das Gute." Da dies ein 
Bibelspruch ist, der mit drei anderen ebenfalls aus 
vier Worten bestehenden sehr oft vorkommt (auf 
alten Bettafeln usw.), so kann mit Sicherheit ange¬ 
nommen werden, daß auf den drei anderen Wänden 
eben die drei anderen Sprüche angebracht waren. 
Hier konnte leider nichts mehr entdeckt werden, auch 
auf der östlichen Wand nicht, die gewiß die meisten 
und interessantesten Inschriften und Verzierungen 
trug. Bei den häufigen Umgestaltungen, welche im 
Laufe der Zeit an diesem Baue vorgenommen wurden, 
hatte gerade diese Wand am meisten gelitten. 
Beim Graben im Grunde des Synagogenraumes 
stieß man auf zwei Herde. In einem fand sich ein 
Graphitgefäß, vermutlich ein Schmelztiegel. Diese 
Herde stammen jedenfalls aus der Zeit, in welcher 
die Messerschmiede ihr Handwerk im Hause ausübten. 
Das Budweiser Stadtarchiv besitzt auch eine Reihe als 
Umschlagdeckel oder Einbandeinlagen benützter, mit 
jüdischer Schrift beschriebener Pergamentblätter, die 
jedenfalls aus der alten Synagoge herrühren, da sie 
durchwegs dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahr¬ 
hunderte angehören. Zwei derselben wurden bisher 
vom Rabbiner Herrn Dr. Karl Thieberger untersucht 
und dieser stellte bei einem dieser Folioblätter fest, 
daß es einen Teil aus den Bußgebeten (Selichoth) für 
den Rüsttag zum Neujahrsfeste,, aber auch ein Gebet 
eines unbekannten Verfassers Mose enthalte und daß 
außerdem die Bibelsprüche in einer ganz eigenartigen 
Folge verzeichnet seien. 
* 
Bis zum j. 1848 durften die Juden die Stadt B. nur 
gegen ein Entgelt und bloß auf einige Stunden be¬ 
treten. Im J. 1849 erscheint bereits als Traitteur für 
die durchreisenden Juden Bernhard K o h n in der 
Prager Vorstadt. Als zweiter Josef Kafka. 1851 
kauft Josef F an-ti ein Haus in der Stadt, der auch 
der erste jüdische Hauseigentümer war. Derselbe er¬ 
richtete in seinem Hause einen Betraum. Als Lehrer 
und Schächter wurde um diese Zeit Markus Gans auf¬ 
genommen. Erst mit der Ansiedlung des Fabrikanten 
Emanuel Fürth und der Wahl desselben zum K. V. 
beginnt im J. 1858 ein jüdisches Gemeindeleben. Nach 
vielen Mühen und Beschwerden fand die Konstituie¬ 
rung der K. G. anfangs des Jahres 1859 statt. Ein bis¬ 
her als Tanzlokal benütziter Saal wurde für die Ab¬ 
haltung des Go ttesdienstes gemietet und Dr. B o n d y 
als Rabbiner angestellt. Sein Nachfolger wurde Kreis¬ 
rabbiner Adam Wunder (1868—1905). Gleichzeitig 
wurde ein Kantor und Religionslehrer aufgenommen. 
Im J. 1866 wurde von der Chewra-Kadischa unter Lei¬ 
tung ihres Obmannes Leopold Schneider eu\ 
Friedhof errichtet. Bis dahin fanden die Beerdigungen 
in dem nahe gelegenen Frauenberg statt. Schon nach 
kurzer Zeit erwies sich der Betsaal für die rasch an¬ 
wachsende Gemeinde zu klein und am 5. September 
1888 fand die feierliche Einweihung der herrlicheil, 
im gotischen Stile von dem bekannten Architekten 
Max Fleischer in Wien erbauten Synagoge statt. 
C. Budèjovice 4 
4? 
Böhm. Budweis 4
	        
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