Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Als Nachfolger Rabbi Emdens ist Rabbi Josef 
Leipen14), der Sohn Rabbi Abrahams, des ehemaligen 
Rabbiners in Böhm. Leipa, anzusehen. Nach der In¬ 
schrift seines Grabsteines Nr. 103 ist er auch um 1800 
gestorben. Die Inschrift bedarf der genauen Nach¬ 
prüfung, da das Todesjahr bisher als das gleiche ge¬ 
lesen wurde wie das seines Vorgängers Herz Emden. 
Allerdings bezeichnet Rosenzweig im Gedenkbuch 
das Jahr 1796 als Sterbejahr Herz Emdens1). Die 
Grabschrift Josef Leipen besagt (Nr. 103): 
„Hier ruht der Lehrer, unser Rabbiner, der Vor¬ 
sitzende des Gerichtshofes Rabbi Josef s. A., 
der Sohn des großen Gelehrten Rabbi Abrahams, 
Gerichtsvorsitzenden der Gemeinde Leipen, gestorben 
und beerdigt am Montag den 26. Nissan 560 (1800)." 
Der darauffolgende Lehrer war Rabbi Isaias Löwi, 
der nach Rosenzweigs Aufzeichnung von stillem, 
frommen Charakter gewesen ist, nur in religiösen 
Dingen nicht zur Nachgiebigkeit neigte. Die Wirkun¬ 
gen der Aufklärung unter Josef II. und die Nachwir¬ 
kung Mendelssohnschen Geistes, die sich natürlich auch 
in der Teplitzer Judenschaft bemerkbar machten, 
scheinen dem geistlichen Oberhaupte mancherlei 
Widerwärtigkeiten bereitet zu haben, sodaß er in 
seinem Testamente den Wunsch äußerte, es mögen 
auf seinem schlichten Grabsteine nur sein Name, 
Geburtsort und Todesdatum angegeben werden, aber 
jeder Titel und irgendwelche Bezeichnung als Rabbi¬ 
ner seien zu unterlassen. Nach Rosenzweig 16) hat die 
Gemeinde später zu Füßen des Grabes noch einen 
zweiten Gedenkstein aufstellen lassen, dessen Auf¬ 
schrift dem Wesen und Wirken dieses Mannes ge¬ 
recht wird. Sein Todesdatum 25. Schewat 591 (1831). 
Grb. 129 a. 1807 starb s. Gattin Rifka, 6. Ijjar 5567 
(siehe Sterbeverz.). 
Nach ihm verwaltet Rabbi David Kulb aus Deutsch¬ 
land bis zum J. 1832 das Rabbinat. David Kulb, der 
uns auch sonst in der Gemeinde als Pächter verschie¬ 
dener öffentlicher Einrichtungen begegnet und das 
Amt eines Mohel bis zum Jahre 1841 ausübte, er¬ 
langte die Rabbinatswürde kraft seines anerkannten 
großen Wissens und seines guten und frommen Cha¬ 
rakters. Sein Grabstein Nr. 30 erzählt uns davon. Er 
starb, 75 Jahre alt, 11. Adar, 21./2. 1842. In der Toten- 
Matrike ist er als „Beschneider" eingetragen (Judeng. 
Nr. 28). 
Mit dem Jahre 1832 tritt Rabbi Dr. Zacharias Fran¬ 
kel, geb. 1801, als erster graduierter Rabbiner am 
26. April sein Amt an. Merkwürdigerweise enthalten 
die Archivschriften keinerlei Notizen über das Wir¬ 
ken dieses bedeutenden Geistes, der, wie man er¬ 
zählt, bei seiner für die damalige Zeit immerhin fort¬ 
schrittlichen Gesinnung durch verschiedene Anord¬ 
nungen im Gottesdienste sich heftige Feinde erwor¬ 
ben hatte. Es ist sogar die Kunde erhalten x), man habe 
eines Tages dem Unmute durch Steinwürfe gegen die 
Fenster der Rabbinerwohnung Ausdruck verliehen. 
Nach bloß vierjähriger Wirksamkeit verließ er Teplitz 
und folgte einem Rufe als Oberrabbiner nach Dres¬ 
den, von wo er als Direktor des jüdisch theologischen 
Rabbinerseminares nach Breslau berufen wurde. 
Noch im selben Jahre 1836 übernahm Rabbi David 
Pick das Amt des Teplitzer Rabbiners. In seine Wirk¬ 
samkeit fällt die Zeit der Umwandlung und Erneue¬ 
rung unseres Gottesdienstes, über die wir weiter unten 
im Verlaufe unserer Darstellung noch ausführlicher 
sprechen werden. Vorderhand sei nur erwähnt, daß 
Rabbi David Pick, der fast 40 Jahre hier wirkte, 
während dieser unruhigen Zeit der Umwandlung des 
Kultus durch sein kluges, mitunter auch nach¬ 
giebiges Verhalten äußerst verdienstlich gewirkt hat, 
daß ihm vom damaligen Kaiser Franz Josef I. an 
seinem 70. Geburtstage das goldene Verdienstkreuz 
verliehen wurde. Die Alten unserer Gemeinde er¬ 
zählten noch, wie Rabbi David Pick während des Ge¬ 
betes für den Kaiser plötzlich vom Tode ereilt wurde; 
am Sabbath, den 5. Tamus 5638, 6. Juli 1878 (Herz¬ 
schlag) 1T). Seine Gattin Antonie Pick starb 1897. 
In seiner Amtszeit wandelt sich auch die politische 
und soziale Stellung der Judenschaft des damaligen 
Österreich. Die Juden werden Bürger mit dem 
Rechte der Freizügigkeit, wirtschaftlich und auf dem 
Gebiete der Wissenschaft treten viele Juden auch 
aus unserer Gemeinde ihren Höhenweg an. Zur Ver¬ 
vollständigung dieser übersichtlichen kurzen Ge¬ 
schichte des Teplitzer Rabbinates seien auch die fol¬ 
genden Verwalter dieses Amtes genannt. Vom Jahre 
1878 bis zum 2. April des Jahres 1887 versah Dr. 
Adolf Rosenzweig das Rabbinat. Mit 28 Jahren trat 
er sein Amt an. Ich darf ihn am besten selbst über 
sein Wollen und Wirken in Teplitz sprechen lassen 
und führe die Schlußworte an, die er am Ende seiner 
öfter genannten Darstellungen über Teplitz im Ge¬ 
denkbuche uns hinterlassen hat. „Ich habe das Rechte 
angestrebt. Mit idealen Gedanken trat ich, 28 Jahre 
alt, mein Amt an — Gott als Weltenvater und Herr 
des Lichtes zu lehren, war mein Vorsatz und Ziel. 
Ich habe meine religiöse Anschauung nicht geändert, 
Ich habe redlich gearbeitet. Ich kannte nicht Schmei¬ 
chelei, Reichtum imponierte mir nicht, Macht 
schreckte mich nicht . .. 
Ich habe mit Ernst gearbeitet und bin für alles 
Gute und Edle eingetreten, das ist mein Bewußtsein 
das ist mein Lohn . . . und wenn nicht allenthalben 
das erreicht wurde, was ich und andere erwarteten, 
so liegt es an den eigenartigen Verhältnissen unserer 
Gemeinde. Ich scheide nicht mit Groll, aber nicht 
ohne Betrübnis. Der Indifferentismus nagt an unserer 
Gemeinde, der es leider an Männern fehlt, die ihre 
Intelligenz selbstlos dem Dienste der Gemeinschaft 
zuführten. 
Erwählet euch weise, biedere, charaktervolle Män¬ 
ner, solche sollen Gemeinden leiten. Mit eurer Ehre 
begründet ihr die Ehre Israels! Plato hat recht, nur 
weise Männer sollen herrschen! Die Torheit der Men¬ 
schen ist ihre Sünde! Unwissenheit äußert sich hier 
als Dummheit, dort als Bosheit — Dummheit und 
Bösheit sind die geschworensten Feinde aller Kultur 
und aller wahren Religion. 
Möge Gott euch mehren tausendfach 
und euch segnen, wie er verheißen 
Mit Lust und Liebe und Frieden. 
Amen! 
Teplitz, 1. Sept. 1887." 
Ihm folgte im Amte Professor Dr. Adolf Kurrein, 
der bis zu seinem Tode im Oktober 1919 hier ge¬ 
wirkt hat und am 13. August 1920 wurde der Ver¬ 
fasser dieser Darstellung, Dr. Friedrich Weihs, in das 
hiesige Rabbinat eingeführt18). 
Vorsteher der älteren Zeit. 
Über die Vorsteher der Gemeinde aus früherer Zeit 
erfahren wir aus den Quellen sehr wenig. Es werden 
in einem Vertrag von der Gemeinde mit der Stadt 
Elias Josef und Nathan Jud genannt, später Josef ben 
Isak (siehe weiter unten), ferner am Ende des 
17. Jahrhundert die bereits von Wanie 19) erwähnten 
Gemeindevorsteher Samuel Schmul, Judel Glaser, 
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Teplitz 4
	        
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