Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

citrorieiigelben Grundbuch auch den Kaufvertrag des Hauses 
CNr. 125 als IX 1/4 eintragen, zumal ihm dieses Haus wegen 
seiner günstigen Lage als das geeigneteste Objekt für diese 
Aktion schien. 
a7) Einer Familientradition der Dorns zufolge, hat Joisl 
Dorn für diese verdienstvolle Tat ein Feld zum Nutzgenusse 
von der Herrschaft — zu jener Zeit schon das Geschlecht derer 
von Windischgraetz — für sich und seine Nachkommen zuge¬ 
wiesen erhalten. Als die Familie es einmal unterlassen hat 
darum anzusuchen und später darum ansuchte, wurde den 
Gesuchstellern beschieden, daß das Recht verfallen sei, da 
darum nicht zur rechten Zeit angesucht wurde. 
18) Nach einer Familientradition im Hause Adler, der die 
Gattin des Prof. S. H. Lieben entstammt, erlitt eine Urahne, 
eine geb. Austerholz, vor Schreck, daß ihr ganzes Geld, 
welches sie auf dem Boden in mehreren Töpfen voll Silber¬ 
zwanziger aufbewahrt hatte, vom Feuer vernichtet wurde, einen 
Schok, der eine Frühgeburt zur Folge hatte, an welcher sie 
starb. 
19) Naphtali Schweizer aus Neu-Zedlisch übersiedelte schon 
anfangs des neunzehnten Jahrhunderts nach Tachau und wollte 
sein Geschäft — den Handel mit Schafwolle — von hier aus 
forcieren, wozu er mehrere ausgedehnte Räume brauchte 
Seinem Vermögen entsprechend beanspruchte er auch eine 
größere Wohnung. Nach verschiedenen fehlgeschlagenen Ver¬ 
suchen im Ansiedlungsrayon einen geeigneten Grundkomplex, 
zwecks Aufführung eines passenden Gebäudes, zu erwerben, 
kam ihm der Brand im Jahre 1818 sehr gelegen. Er kaufte von 
David Stern die Brandstätte des Hauses CNr. 125 mit dem dazu 
gehörenden Grundkomplex, der seinerzeit bei Auflassung der 
Fortifikationen diesem Hause zugewiesen wurde, und errichtete 
daselbst ein großes schönes Wohngebäude mit ausgedehnten 
Speichern, Stallungen und Lagerräumen. Dieses Haus steht 
noch heute im ursprünglichen Bauzustande und ist im Besitze 
einer Urenkelin des Erbauers. Es gelang ihm jedoch nicht, die 
grundbücherliche Einverleibung seines Besitztums zu seinen 
Gunsten zu erlangen. Mit dem Gubernialerlasse vom 
2. März 1820 fiel auch dieses an den Ursprungseigentümer 
Josef Steinhauser, beschworenen Wundarzt in Tachau, zurück. 
Alle seine Bemühungen hatten nur den Erfolg, daß ihm ge¬ 
stattet wurde, die Baukostensumme im Betrage von 8800 Gulden 
als Fordrung zu seinen Gunsten auf das Haus einverleiben 
zu lassen. Erst seinem Sohne, Dr. Josef Vinzenz Schweizer, — 
der wegen einer beabsichtigten Karriere als Militärarzt zum 
Katholizismus übergetreten war — konnte dieses Haus — nach¬ 
dem er in Tachau die Bürgerschaft erworben hatte — auf 
seinen Namen überschreiben lassen. Diesem Dr. Schweizer 
gelang es einen kaiserlichen Gnadenakt zu erwirken, wodurch 
auf Grund einer allerhöchsten Entschließung vom 26. April 1843 
der Frau Therese Geliert, geb. Schweizer, Schwester des 
Dr. Josef Vinzenz Schweizer, gestattet ward, das Haus 
CNr. 125 käuflich zu erwerben und das Eigentumsrecht zu 
ihren Gunsten einverleiben zu lassen. Dieses wurde am 
8. Feber 1844 durchgeführt. Grundbuch Stadt Tachau, Lit. H, 
FoL 175. 
2°) Rabbi Lazar Bloch, Rabbiner in Proswerk, gestorben in 
Tachau am 22. Jänner 1833. Geschichte der Juden in Tachau, 
S. 100. Adler Abraham, Lehrer in Biskupitz. Geschichte der 
Juden in Tachau, S. 94. Emanuel Hirsch, in Pur¬ 
schau. Geschichte der Juden in Tachau, S. 126. 
21) Dieses Manuskript, das sich als einziges von Rabbi 
Nachum erhalten hat, wurde von einem Rabbiner dem anderen 
in Tachau überliefert, bis es der hier verstorbene Rabbiner 
Dr. M. Wohl dem Herrn Professor Dr. S. H. Lieben, Prag, zum 
Geschenke gemacht hat. Näheres über Rabbi Nachum Sofer: 
Geschichte der Juden in Tachau. 
22) Schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts finden wir 
einen Löwy, Adler, Bloch und noch andere als Pächter von 
Glashütten und Flußhütten. In letzteren wurde Pottasche er¬ 
zeugt. Obwohl diese Unternehmungen oft weit von Tachau 
entfernt waren und oft in der Nähe einer anderen Kultus¬ 
gemeinde waren, blieben die aus Tachau stammenden Pächter 
der Muttergemeinde treu und zahlten auch weiter den auf sie 
entfallenden Beitrag, wozu sie sich auch schriftlich verpachte¬ 
ten. Eine derartige Erklärung liegt noch vor und lautete: Der 
tachauer Familiant Herr Moritz Bloch gegenwärtig in der Pum¬ 
perhütte hat als Mitglied der tachauer Judengemeinde an Vor¬ 
steher Herrn Adam Heller bis anno 1847 ll/C in 10/20 Stück 
gezahlt und sind H. Moritz Bloch mit dem Vorsteher Herrn 
Adam Heller übereinkommen, so lange H. M. Bloch nicht in 
Tachau wohnhaft ist, von Jahre 1847 weiter jedes Jahr hatt 
H. Moritz Bloch an der hiesigen jüdischen Gemeinde 4/C 10/20 
Stück zu zahlen. Tachau am 28. Juli 1847. Emanuel Hirsch. 
23) Der Pinax vom Jahre 1839 mit den von Lengsfelder verfaßten 
und geschriebenen Statuten ist noch vorhanden und zeigt gleich 
bei Gründung des Vereines einen Mitgliederstand von 34 Mit¬ 
gliedern. 
24) Ein Vertragsprotokoll vom 1. August 1847 ist noch vor¬ 
handen und lautet: Am untergesetzten Tag und Jahr ist zwischen 
den hier seit 10 Jahren fungierenden Prediger und Religions¬ 
lehrer, Herrn Salomon Lengsfelder Famiiianten auf der Herr¬ 
schaft Tachau, und dem Herrn Vorstand der tachauer Jugend¬ 
gemeinde, mit Bestimmung der letzteren folgende Aufnahme 
veranstaltet worden. Indem die hiesige Judengemeinde das all¬ 
gemeine notwendige Bedürfnis eines Seelenhirten zur Förderung 
des religiösen Lebens und zum Fortschritte des Geistes fühlet, 
nicht minder auch die Notwendigkeit, den Unterricht für die heran¬ 
wachsende Jugend zu überwachen einsiehet, so hat sie den obbe- 
nannten H. Salomon Lengsfelder vom heutigen Datum auf 3 nach¬ 
einander folgende Jahre, nämlich vom 1. August 1847 bis Ende 
Juli 1850 als Local-Rabbiner unter folgenden Bedingungen auf¬ 
genommen. a) Hat H. Rabbiner Sa. Lengsfelder jeden Sabbath 
und an jeden Feiertag zu predigen, b) Die Matriken zu führen. 
c) Für 2 aus der Gemeinde Verstorbene ihren Testamente zu 
folge ein Gebet täglich zu verrichten. I. Dafür verbindet sich 
die Gemeinde unter Dafürhaltung Einer für den Anderen und 
alle für Einen, demv Herrn Rabbiner Salomon Lengsfelder einen 
jährlichen Gehalt pro 160 C/ C. M. „sage Ein Hundert sechzig 
Gulden Con. Münze zu geben, den derselbe in vierteljährig Ra¬ 
ten bei dem Gemeinde Gassier zu heben hat. II. Hat Herr Sa¬ 
lomon Lengsfelder so lange er seinem Amte vorsteht, in dem 
Gemeindehaus Nr. IV geräumige freie Wohnung. III. Da diese 
Aufnahme nur auf drei Jahre von heute an geschlossen wurde, 
so wird für die Zukunft festgesetzt, daß im Falle, wenn nach 
Verlauf dieser drei Jahre, dieser Vertrag sich auflösen sollte 
und die Gemeinde willens wäre dem Herrn Rabbiner Lengsfel¬ 
der zu kündigen diese Aufkündigung ein halbes Jahr früher, 
das ist, am 1. Feber 1850 schriftlich geschehen müßte; dem 
Herrn Rabbiner hingegen wird dieser Vorzug gestattet daß er 
der Gemeinde selbst in diese 3 Jahre, und nur ein viertel Jahr 
vorher kündigen kann. Tachau den 1. August 1847. 
25) Das Regulativ ist noch erhalten. 
26) Die erbgesessenen jüdischen Familien in Tachau waren: 
Adler, Steiner, Bloch, Stern, Blaustern, Engl, Heller und Nadler. 
Die Familie Stern teilte sich schon um 1770 in Stern und Blau¬ 
stern, aus der Familie Nadler ging die Familie Österreicher her¬ 
vor, aus einer Familie Bloch die Familie Glauber. Letztere ist 
im Mannesstamme ausgestorben. Die heute hier lebende Familie 
Glauber stammt aus Langendersflas. Die Familie Blaustern und 
Nadler ist ausgestorben, die Familien Heller, Engl und Stern 
sind ganz ausgewandert, letztere zwei zum großen Teile nach 
Amerika. Die nach Amerika ausgewanderten Familien haben 
ihre Heimat nicht vergessen, so oft sich einem oder dem anderen 
die Möglichkeit bietet, besuchen sie die Heimat, sie gedenken 
ihrer oft bei Abfassung ihres letzten Willens, so hat erst vor 
kurzem Josef Auer, geb. am 2. September 1876, gest. St. Louis 
U. S. A. am 30. Oktober 1928, seiner Heimatsgemeinde geden¬ 
kend, der Kultusgemeinde Tachau ein Legat von 500 Dollar 
vermacht. 
2?) Für das Mischnahlesen erhielt statutengemäß der Rab¬ 
biner 2 fl. 10 Kreuzer für den Trauermonat und 52 Kreuzer 
für die Jahreszeit. Dieses Statut wurde in der am 7. Dezember 
1898 stattgefundenen Sitzung abgeändert. Die Vereine verpflich¬ 
teten sich, einen Pauschalbeitrag als Beitrag zum Rabbinerge¬ 
halte zu bezahlen, wofür der Rabbiner vertragsrechtlich an dem 
betreffenden Tage den Mischnahabschnitt zu lesen verpflichtet 
wurde. Interessant ist auch die vom Rabbiner Schidlof ver¬ 
faßte Einleitung zum Statute dieses Vereines: „Statuten des 
Frauenvereines Talmud Tora in Tachau, gegründet am Oster¬ 
feste 1856 als Festopfer, damit die Allgüte mit ihrer schützen¬ 
den Allmacht besonders wache über unserer glorreichen Landes¬ 
mutter, der erhabenen Kaiserin Elisabeth, da damals Ihre 
Majestät in gesegneten Umständen sich befand, um damit hoch- 
dieselbe einer glücklichen Erfüllung ihrer Wünsche sich erfreue." 
28) Die Behörden kamen der K. G. so weit als möglich ent¬ 
gegen. . An der sicherheitlichen Unzulänglichkeit des Tempels 
ließ sich nichts ändern, es war eine technische Unmöglichkeit. 
Sie gewährte immer und immer wieder Fristverlängerung zur 
Behebung der Übelstände, um die Kultusgemeinde davor zu 
bewahren, daß ihr der Tempel gesperrt werde; der Besitzer 
des Teilhauses, Adolf Engl, ließ jedoch von seinen Beschwerden 
nicht ab, die Sache begann sich bereits zu einem Skandal her¬ 
auszuwachsen; materielle Verhältniss endlich zwangen den Engl, 
seinen Hausanteil der K. G. zu verkaufen. 
29) Hier zeigt sich der ganze Jammer jener Zeit. Die Kultus¬ 
gemeinde nahm sich alle Mühe, für den Jubilar eine dem Stande 
eines Rabbiners würdige Auszeichnung zu erwirken. Man wollte 
sich bloß zu einem Verdienstkreuze herbeilassen, wie es für 
eine 40jährige Dienstzeit eines Dienstboten normiert war. Auf 
eine solche Auszeichnung glaubte die Kultusgemeinde verzichten 
zu müssen, weshalb jede Auszeichnung unterblieb. 
s0) Die Besitzer der Judenhäuser waren: Nr. 511 die Schorn- 
steinschen Erben, 512 Nathan Stern, 513 Emanuel Stern, 514 
Lotti Hamburger, Babette Stern, Therese Stern, Sophie Löwith, 
515 Heinrich Adler, 516 Kultusgemeinde, 517 Anna Rothschild 
und Kultusgemeinde, 518 Kultusgemeinde, 519 Löwy, 520 Kultus¬ 
Tachau 14 
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