„Item dieser Zeit befinden sich bei der Stadt 15
angesessene Juden, denen sind ihre 6 Häuser auf
W ohlgefallen zu kaufen gegeben worden und ist
jeder jährlich für seine Person zu Georgi und Galli
5 Schock dem Amte und Schlosse zu zinsen schul¬
dige zusammen 150 Schock. Außerdem haben die Ju¬
den beim Schlosse das Heu in die Schupfen zu räu¬
men und den Hafer auf den Hoff eidern aufzusam¬
meln.66
Die Rechtsverhältnisse der Juden wurden von der
Stadt mit einer besonderen Instruktion vom 19. Juni
1605 geregelt:
„Zwei in jedem Jahre gewählte Kirchenväter ha¬
ben die Gemeinde anzuhalten, daß der Gottesdienst
Abends und Morgens fleißig besucht und das Gebet
andächtig verrichtet werde.
Jeder der während des Gebetes oder beim Thora-
vorlesen mit Lachen oder Schwätzen die Andacht
stört, wird von denselben mit Strafe belegt. Selbst
die Roschekohls können diese Strafe nicht abhalten.
Sie müssen vielmehr den Kirchenvätern behilflich
sein. Wer den Erlag des Spendengeldes verweigertey
dem konnte der Tempelsitz in der Synagoge ver¬
weigert werden. Hat er sich innerhalb 3 Tagen
nicht gehorsam gezeigt, so wurde er vom Rabbiner
in Bann gelegt. Hat der Betreffende sich nach 3
Tagen nicht von dem Banne gelöst, so wurde er bis
zum vollen Erlag der Strafe und des Spendengeldes
in Arrest gehalten. Die Judengemeinde stand unter
der Leitung von 2 Roschekohls, die ebenfalls all¬
jährlich gewählt wurden und schwören mußten, mit
der Gemeinde ehrlich und treu umzugehen, das herr¬
schaftliche Interesse zu wahren, unparteiisch und
gewissenhaft Händel und Streitigkeiten zu schlich¬
ten und nötigenfalls zu entscheiden. Ihr Richteramt
erstreckte sich aber blos auf Bagatellen im Werte
von 5 Gulden. Sie konnten bei Ausgaben nur über
einen Dukaten verfügen, größere Ausgaben mußten
vorher von der Gemeinde beschlossen werden, der
auch die Strafgewalt oblag.
Alle Berufungen gingen an den Landesrabbiner,
wofür 1 Gulden 10 Kreuzer zu erlegen war.
Die Versammlung der Gemeinde fand statt, so
oft es die Notwendigkeit erheischte.
Wer nicht vor dem Roschekohl zum Judenrecht
kommen wollte, konnte mit Bann und Arrest belegt
werden. Jeden Monat wechselten die 2 Roschekohls
im Amte. Ende des Monates hatte der Betreffende
der Gemeinde über Einnahmen und Ausgaben Re¬
chenschaft abzulegen.
Alle Angelegenheiten, Einnahmen und Ausgaben
wurden in ein Gemeindebuch verzeichnet, welches
mit der Instruktion in einem Kasten verwahrt wur¬
de. Einer der Roschekohls hatte den Kasten in Ver¬
wahrung, der andere den Schlüssel. Bei Öffnung
des Kastens mußten beide Roschekohls, oder ein
anderer unparteiischer Mann anwesend sein,
Es war keinem Juden gestattet, mehr als 2 Kinder
hier anzusetzen, außer mit Einivilligung der Stadt¬
gemeinde, und durfte ein Haus nie einem Fremden,
sondern nur einem aus der Gemeinde überlassen
werden.
Der Schulmeister bezog für den Anfangsunter¬
richt bis zur Bibel für 1 Stunde 221/2 Kreuzer und
31/2 Kosttage. Der fehlende Betrag wurde der An¬
lage entnommen.66
Diese Instruktion verrät sofort die jüdischen Ver¬
fasser, obwohl sie von der Stadt erlassen wurde. Sie
zeugt aber auch vom toleranten Entgegenkommen der
Stadtbehörde.
Als Griindungstag der K. G. Tachau können wir
demnach den 19. Juni 1605 betrachten, an welchem
Tage sie behördlich anerkannt wurde. Daß schon lange
vorher ein rühriges Gemeindeleben in T, herrschte,
müssen wir als selbstverständlich annehmen. Dies ist
leicht der Instruktion zu entnehmen und es läßt sich
auch daraus schließen, daß zu jener Zeit bereits mehr
als 15 jüdische Familien in T. gelebt haben.
Die Synagoge wird auch schon als bestehende Tat¬
sache in der Instruktion fest angenommen und ist dies
jedenfalls dasselbe Gebäude, das am 28. April 1911
einem verheerenden Brande zum Opfer gefallen ist.
Im J. 1615 wurde der J. G., die schon früher be¬
nützte Stelle unweit des Kirchleins in der Au vor der
Stadt, als Begräbnisstätte zugewiesen, welche heute
noch in Benützung' steht.
Die Freude der Stadt an dem Pfandbesitz der Herr¬
schaft währte jedoch nicht lange.
Die Tachauer Bürger, die seit jeher mit der Refor¬
mation sympathisierten, schlössen sich dem Mansfel-
der an und unterstützten ihn mit Gut und Blut. Nach
der Schlacht am Weißen Berge sahen sie erst ihren
Fehler ein, doch war es schon zu spät. Sie wurden da¬
für hart gestraft.
Nebst allen Rechten wurde ihnen der Pfandbesitz
der Herrschaft ohne jedweden Ersatz weggenommen
und sie entgingen nur mit knapper Not der Leibeigen¬
schaft. Der Pfandbesitz der Herrschaft wurde dem
Feldobristen Hußmann verliehen, wodurch naturge¬
mäß die Juden in Abhängigkeit des Hußmann gerie¬
ten, der sie in Eid nahm. Diese Eidformel blieb uns bis
heute erhalten und lautet:
„3c£) fdjroöre gu 2lbonaj beni ©djäpfer ber Rimmel
unb beê ©rbret&ßt ba§§ wenn id) unwahr fdjmöre, mid)
übergebe unb cerare ba§ geuer ba§ über ©obom unb
(Somofjra niebergtng unb alie bte $iüc£)e, bte in ber
%í)oia gefdjrteben ftefjn unb baêê mir and) 5er raa^re
@ott, ber Scrub unb @ra§ unb alleê erraffen fyat, nim¬
mermehr gu i)ilfe, nod) gu Statten iomme in meinen
Sftöten unb ©adjen"7).
Im übrigen blieb die Lage der Juden unter Hu߬
mann dieselbe. Im Laufe der Zeit jedoch, erzeugte der
Druck den Hußmann ausübte, eine Unzufriedenheit,
die in Klagen gegen die Juden zum Ausdrucke kam.
Die Fleischer und die Gerber fühlten sich durch die
Juden geschädigt. Den Fleischern kam Hußmann mit
der Verordnung entgegen, daß die Juden nur von den
Metzgermeistern gemästetes Vieh kaufen dürften und
nach ihrem Belieben schlachten konnten. Den Gerbern
wieder mit dem Privileg, daß keiner für die Juden
Häute und Felle arbeiten dürfe; es dürfe keiner in
den Dörfern den Juden Häute, Felle oder Leder ver¬
kaufen. Eine Übertretung dieser Verordnung zieht den
Verfall der betreffenden Artikel nach sich8).
Im J. 1663 erfuhr die Judeninstruktion vom J. 1605
eine Ergänzung, nach welcher 2 Anleger und ein Er¬
satzmann aufgestellt und unter Eid genommen wur¬
den, daß sie ein jedes Mitglied zwecks richtiger Auf¬
teilung der Gemeindelasten, nach bestem Wissen und
Gewissen einschätzen werden. Die Durchschnittsquote
betrug von je 100 fl. 10 kr., nach dem Verhältnisse
des Bedarfes um 1 kr. mehr oider weniger.
Bei der Übernahme der Herrschaft durch den Gra¬
fen Losi von Losimtal wurden 8 Häuser mit 21 Juden¬
familien gezählt9).
Am 17. Oktober 1719 wurde vom Grafen Losi die
Judeninstruktion vom 3. Jänner 1663 erneuert, wobei
er sich die strikte Einhaltung derselben unter Andro¬
hung einer Strafe von 10 Dukaten angeloben ließ/Bei
dieser Gelegenheit wurde auch das Verhältnis des
Lehrers neu geregelt, nach welchem er auch Tosaphot
Tachau
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