Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

„Item dieser Zeit befinden sich bei der Stadt 15 
angesessene Juden, denen sind ihre 6 Häuser auf 
W ohlgefallen zu kaufen gegeben worden und ist 
jeder jährlich für seine Person zu Georgi und Galli 
5 Schock dem Amte und Schlosse zu zinsen schul¬ 
dige zusammen 150 Schock. Außerdem haben die Ju¬ 
den beim Schlosse das Heu in die Schupfen zu räu¬ 
men und den Hafer auf den Hoff eidern aufzusam¬ 
meln.66 
Die Rechtsverhältnisse der Juden wurden von der 
Stadt mit einer besonderen Instruktion vom 19. Juni 
1605 geregelt: 
„Zwei in jedem Jahre gewählte Kirchenväter ha¬ 
ben die Gemeinde anzuhalten, daß der Gottesdienst 
Abends und Morgens fleißig besucht und das Gebet 
andächtig verrichtet werde. 
Jeder der während des Gebetes oder beim Thora- 
vorlesen mit Lachen oder Schwätzen die Andacht 
stört, wird von denselben mit Strafe belegt. Selbst 
die Roschekohls können diese Strafe nicht abhalten. 
Sie müssen vielmehr den Kirchenvätern behilflich 
sein. Wer den Erlag des Spendengeldes verweigertey 
dem konnte der Tempelsitz in der Synagoge ver¬ 
weigert werden. Hat er sich innerhalb 3 Tagen 
nicht gehorsam gezeigt, so wurde er vom Rabbiner 
in Bann gelegt. Hat der Betreffende sich nach 3 
Tagen nicht von dem Banne gelöst, so wurde er bis 
zum vollen Erlag der Strafe und des Spendengeldes 
in Arrest gehalten. Die Judengemeinde stand unter 
der Leitung von 2 Roschekohls, die ebenfalls all¬ 
jährlich gewählt wurden und schwören mußten, mit 
der Gemeinde ehrlich und treu umzugehen, das herr¬ 
schaftliche Interesse zu wahren, unparteiisch und 
gewissenhaft Händel und Streitigkeiten zu schlich¬ 
ten und nötigenfalls zu entscheiden. Ihr Richteramt 
erstreckte sich aber blos auf Bagatellen im Werte 
von 5 Gulden. Sie konnten bei Ausgaben nur über 
einen Dukaten verfügen, größere Ausgaben mußten 
vorher von der Gemeinde beschlossen werden, der 
auch die Strafgewalt oblag. 
Alle Berufungen gingen an den Landesrabbiner, 
wofür 1 Gulden 10 Kreuzer zu erlegen war. 
Die Versammlung der Gemeinde fand statt, so 
oft es die Notwendigkeit erheischte. 
Wer nicht vor dem Roschekohl zum Judenrecht 
kommen wollte, konnte mit Bann und Arrest belegt 
werden. Jeden Monat wechselten die 2 Roschekohls 
im Amte. Ende des Monates hatte der Betreffende 
der Gemeinde über Einnahmen und Ausgaben Re¬ 
chenschaft abzulegen. 
Alle Angelegenheiten, Einnahmen und Ausgaben 
wurden in ein Gemeindebuch verzeichnet, welches 
mit der Instruktion in einem Kasten verwahrt wur¬ 
de. Einer der Roschekohls hatte den Kasten in Ver¬ 
wahrung, der andere den Schlüssel. Bei Öffnung 
des Kastens mußten beide Roschekohls, oder ein 
anderer unparteiischer Mann anwesend sein, 
Es war keinem Juden gestattet, mehr als 2 Kinder 
hier anzusetzen, außer mit Einivilligung der Stadt¬ 
gemeinde, und durfte ein Haus nie einem Fremden, 
sondern nur einem aus der Gemeinde überlassen 
werden. 
Der Schulmeister bezog für den Anfangsunter¬ 
richt bis zur Bibel für 1 Stunde 221/2 Kreuzer und 
31/2 Kosttage. Der fehlende Betrag wurde der An¬ 
lage entnommen.66 
Diese Instruktion verrät sofort die jüdischen Ver¬ 
fasser, obwohl sie von der Stadt erlassen wurde. Sie 
zeugt aber auch vom toleranten Entgegenkommen der 
Stadtbehörde. 
Als Griindungstag der K. G. Tachau können wir 
demnach den 19. Juni 1605 betrachten, an welchem 
Tage sie behördlich anerkannt wurde. Daß schon lange 
vorher ein rühriges Gemeindeleben in T, herrschte, 
müssen wir als selbstverständlich annehmen. Dies ist 
leicht der Instruktion zu entnehmen und es läßt sich 
auch daraus schließen, daß zu jener Zeit bereits mehr 
als 15 jüdische Familien in T. gelebt haben. 
Die Synagoge wird auch schon als bestehende Tat¬ 
sache in der Instruktion fest angenommen und ist dies 
jedenfalls dasselbe Gebäude, das am 28. April 1911 
einem verheerenden Brande zum Opfer gefallen ist. 
Im J. 1615 wurde der J. G., die schon früher be¬ 
nützte Stelle unweit des Kirchleins in der Au vor der 
Stadt, als Begräbnisstätte zugewiesen, welche heute 
noch in Benützung' steht. 
Die Freude der Stadt an dem Pfandbesitz der Herr¬ 
schaft währte jedoch nicht lange. 
Die Tachauer Bürger, die seit jeher mit der Refor¬ 
mation sympathisierten, schlössen sich dem Mansfel- 
der an und unterstützten ihn mit Gut und Blut. Nach 
der Schlacht am Weißen Berge sahen sie erst ihren 
Fehler ein, doch war es schon zu spät. Sie wurden da¬ 
für hart gestraft. 
Nebst allen Rechten wurde ihnen der Pfandbesitz 
der Herrschaft ohne jedweden Ersatz weggenommen 
und sie entgingen nur mit knapper Not der Leibeigen¬ 
schaft. Der Pfandbesitz der Herrschaft wurde dem 
Feldobristen Hußmann verliehen, wodurch naturge¬ 
mäß die Juden in Abhängigkeit des Hußmann gerie¬ 
ten, der sie in Eid nahm. Diese Eidformel blieb uns bis 
heute erhalten und lautet: 
„3c£) fdjroöre gu 2lbonaj beni ©djäpfer ber Rimmel 
unb beê ©rbret&ßt ba§§ wenn id) unwahr fdjmöre, mid) 
übergebe unb cerare ba§ geuer ba§ über ©obom unb 
(Somofjra niebergtng unb alie bte $iüc£)e, bte in ber 
%í)oia gefdjrteben ftefjn unb baêê mir and) 5er raa^re 
@ott, ber Scrub unb @ra§ unb alleê erraffen fyat, nim¬ 
mermehr gu i)ilfe, nod) gu Statten iomme in meinen 
Sftöten unb ©adjen"7). 
Im übrigen blieb die Lage der Juden unter Hu߬ 
mann dieselbe. Im Laufe der Zeit jedoch, erzeugte der 
Druck den Hußmann ausübte, eine Unzufriedenheit, 
die in Klagen gegen die Juden zum Ausdrucke kam. 
Die Fleischer und die Gerber fühlten sich durch die 
Juden geschädigt. Den Fleischern kam Hußmann mit 
der Verordnung entgegen, daß die Juden nur von den 
Metzgermeistern gemästetes Vieh kaufen dürften und 
nach ihrem Belieben schlachten konnten. Den Gerbern 
wieder mit dem Privileg, daß keiner für die Juden 
Häute und Felle arbeiten dürfe; es dürfe keiner in 
den Dörfern den Juden Häute, Felle oder Leder ver¬ 
kaufen. Eine Übertretung dieser Verordnung zieht den 
Verfall der betreffenden Artikel nach sich8). 
Im J. 1663 erfuhr die Judeninstruktion vom J. 1605 
eine Ergänzung, nach welcher 2 Anleger und ein Er¬ 
satzmann aufgestellt und unter Eid genommen wur¬ 
den, daß sie ein jedes Mitglied zwecks richtiger Auf¬ 
teilung der Gemeindelasten, nach bestem Wissen und 
Gewissen einschätzen werden. Die Durchschnittsquote 
betrug von je 100 fl. 10 kr., nach dem Verhältnisse 
des Bedarfes um 1 kr. mehr oider weniger. 
Bei der Übernahme der Herrschaft durch den Gra¬ 
fen Losi von Losimtal wurden 8 Häuser mit 21 Juden¬ 
familien gezählt9). 
Am 17. Oktober 1719 wurde vom Grafen Losi die 
Judeninstruktion vom 3. Jänner 1663 erneuert, wobei 
er sich die strikte Einhaltung derselben unter Andro¬ 
hung einer Strafe von 10 Dukaten angeloben ließ/Bei 
dieser Gelegenheit wurde auch das Verhältnis des 
Lehrers neu geregelt, nach welchem er auch Tosaphot 
Tachau 
032
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.