Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Suncll war und in welcher er den in Bud weis seßhaften 
Juden zu rituellen Zwecken einen Betraum zur Ver¬ 
fügung stellte. Zur Bildung einer selbständigen Glau¬ 
bensgemeinde genügte die anfängliche, geringe Zahl 
der Juden nicht, diese konnte erst zu einer1 Zeit ent¬ 
stehen, als die Zahl der Glaubensgenossen gewachsen 
war, Sundl hatte außer der Synagoge noch Grundbesitz 
in der judengasse. 
1442 werden folgende Juden in Budweis genannt: 
Israël genannt Schwarzmann mit seiner Gattin Sara, 
Smoël und seine Gattin Reclia, Lazarus, Sundl, Mosse, 
Isak, die Jüdin Krasa und ihr Sohn Jakob, die Jüdin 
Punczin. Rechnet man noch die kurz vorher genannten 
Juden Abraham (1436), Béla judea (1433) und die 
nach 1442 erwähnten: Mandl (1446), Lazar (1449) 
hinzu, so war unter Berücksichtigung der mündigen 
männlichen Familienmitglieder die Zahl von „zehn" 
männlichen Personen, die nach jüdischem Gesetze zur 
V ornahme gemeinsamen Gottesdienstes nötig ist, längst 
überschritten. Jedenfalls wurde damals auch die Ju¬ 
dengasse vollständig ausgebaut, denn 1482 zählte man 
dreizehn Häuser, die in jüdischem Besitze standen, 
Auf der linken Seite der Judengasse: 
1. Nr. 219: als Synagoge, 
2. Nr. 220: Merkl judeus, 
3. Nr. 222: Moyses judeus, 
4. Nr. 223: Salamon judeus, Welfflini junior Filius, 
5. Nr. 224: Salamon judeus, Welfflini junior Filius. 
Im linksseitigen Teile der Schanzgasse: 
6. Nr. 196: David judeus (niedergerissen), 
7. Nr. 197: Israhel Ungarus judeus (Eck der 
Schanzgasse). 
Im rechtsseitigen Teile der Schanzgasse: 
8. Nr. 281: Lew judeus et Chana uxor ejus (linkes 
Eck der Priestergasse), jedoch erst nach 1482, da in 
diesem Jahre noch Janko Fuetrar als Eigentümer er¬ 
scheint, 
9. Nr. 229 (?): Isak okulista. 
10. Nr. 230 (?): Josef judeus, 
11. Nr. 232: Moisés Rabi cum uxore Khel, % quart, 
a diomuncula o lini Oswaldi pellificis retro suam do- 
mum circa murum civitatis (von einem Häuschen, ehe¬ 
mals dem Kirschner Oswald gehörig, hinter seinem 
Hause an der Stadtmauer). 
12. Nr. 235: Samuel judeus, 
13. Nr. 236: David niger Jacobi Filius (erst nach 
1487, da in diesem Jahre noch Schuster Gira als Nach¬ 
bar des Juden Samuel genannt wird). 
Zu dieser Zeit hatte die Judengemeinde jedenfalls 
ihren höchsten Stand erreicht. Sie besaß ihren Rabbi¬ 
ner, Tempeldiener (1492 als „Schuelklopfer" erwähnt) 
und einen eigenen Friedhof. Über seine Lage hat das 
städtische Archiv mehrere Aufzeichnungen. Die erste 
findet sich in einer Chronik des XVII. Jhts. und be¬ 
zieht sich auf ein Ereignis des Jahres 1468: 
„1468 ist in der Pfaffengassen in Pulverthurn ein 
unterirdischer Gang bis mitten in das lange Gaß] 
(heutige Schanzgasse) neben dem jüdischen Freithoff 
gewölbt worden, wo rinnen 46 Zentner Pulver sein und 
ist der Eingang in den unterirdischen Weg unter dem 
Fußpfiaster verschüttet und darauf gepflastert wor¬ 
den, welches Pulver also vorsichtig ausgehoben, um 
damit es in der Feinde Hände nicht gerathen möchte. 
Gott behüte jedweden, wann durch einen Unglücksfall 
dieses Pulver losgehen möchte/* 
Nach dieser Angabe hätte man den ältesten Juden¬ 
friedhof an der Schanzgasse zwischen der Sterneck- 
und Priestergasse an jener Stelle zu suchen, wo sich 
später der „Pfaffen-46 oder Kaplanzwinger befand, der 
heute einen Teil des Gartengrundes des alten „Magda- 
lenenbades" (Gasthaus „zum Bad") bildet. Er lag dem¬ 
nach zwischen der inneren (hohen) und äußeren (nied¬ 
rigen) Stadtmauer links von jenem Mauerturme, der 
1468 als Pul ver turni bezeichnet wird und der die Pfaf¬ 
fengasse nach außen hin abschloß. Daraus erklärt sich 
auch die wiederholte Auffindung von menschlichen 
Skeletten an dieser Stelle (1885, 21. Oktober: 1 Ske¬ 
lett; 1899, 10. Juli: 3; 1906, 30. Mai: 2; 1906, 25. 
August: 4), auf die man gewöhnlich in einer Tiefe von 
einem Meter stieß und deren „unregelmäßige Lage" 
besonders auffiel. Der kleine Judenfriedhof hatte dort 
Platz genug und wie die christlichen Friedhöfe bei der 
Pfarrkirche zu St. Niklas und bei der Dominikaner- 
kirche lag eben auch dieser Friedhof ursprünglich in¬ 
nerhalb der Ummauerung der Stadt. Wie lange er sei¬ 
tens der Juden benützt wurde, läßt sich nicht sicher¬ 
stellen. Jedenfalls wurde er später vor das Strodenitzcr 
Tor verlegt. In den beiden Grund- und Haussteuer- 
büchern von 1514 angefangen wird wiederholt von 
Äckern „circa (penes) coemiterium judeorum" gespro¬ 
chen und in einer Eintragung vom 24. August 1565 
heißt es direkt, daß der Bürger Prokschi Steuber einen 
Garten mit einem kleinen Acker vor dem Strodenitzer 
Tore „zwischen der Straßen gegen Strodenitz und des 
Judenfriedhofs" um 80 Schock vom Bäcker Sebastian 
Friedpurger kaufte. 
Die Juden besaßen für die Durchführung ihrer 
Rechtsangelegenheiten ihre eigenen Richter. Der zur 
näheren Kennzeichnung der Person dem Taufnamen 
angefügte Beinamen „Judenrichter" (1390 erwähnt), 
wie Johlinus Judenrichter (1446) oder Paulus Juden¬ 
richter, der von 1469 angefangen bis 1487 fast un¬ 
unterbrochen im Rate saß und noch 1497 als Haus¬ 
besitzer erwähnt wird, bestätigen diese in den Ottoka- 
rinischen Judenschutzgeisetzen begründete Einrichtung 
auch für B. 
Während der südböhmischen Grenzfehden lebten 
auch die Juden in Budweis in Ruhe. Da und dort mö¬ 
gen sie auf ihren Reisen behelligt worden sein. We¬ 
nigstens kommt es 1475 zu Auseinandersetzungen zwi¬ 
schen dem Burggrafen Burian von Martic in Pracha- 
titz und dem Krummauer Burggrafen Konrad von 
Petrowie wegen Beraubung eines Schutzjuden durch 
Leute der Rosenberger in Plan, auch von 1468 an gab 
es zwischen den Budweisern und demselben Krum- 
mauer Burggrafen durch eine Reihe von Jahren Ver¬ 
handlungen wegen der Rückgabe verschiedener Sa¬ 
chen, darunter auch Schriften, die ein Budweiser Jude 
dem Burian zur Aufbewahrung übergeben hatte und 
nicht zurückerhalten konnte, in Budweis selbst aber 
war das Einvernehmen noch das beste. Am 12. Juli 
1477 rechtfertigen sich die Budweiser noch gegen den 
Vorwurf des Bohuslaw von Schwamberg, als wollten 
sie einem (ungenannten) Juden nicht zu seinem Rechte 
verhelfen, indem sie ihm antworten, es sei „ihr" Jude, 
und sie würden schon dahin wirken, daß ihm sein 
Recht werde. Wenige Jahre später hatte sich die Stim¬ 
mung schon gewaltig geändert. Man nahm zwar im J. 
1485 über Befürwortung des Unterkämmerers Samuel 
Hradek von Valecov trotz des Widerspruches der an¬ 
deren Juden noch Samuel, den Schutzbefohlenen des 
Johann von Janovic von Petersburg auf Frauenberg, 
als Schwiegersohn des Budweiser Juden Moisés in die 
Stadt auf, aber schon im nächsten Jahre beginnen die 
Klagen der Bürger gegen die Juden und König Wla- 
dislaw sieht sich zum ersten Male zum Einschreiten 
genötigt. Auf Grund eines Berichtes des Pfarrers 
Thomas Reichenauer verbietet er den Bürgern, weder 
selbst Gewalt gegen die Juden anzuwenden noch sol¬ 
che gegen sie von anderen anwenden zu lassen. Habe 
C. Budèjovice 2 
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Böhm. Budweis 2
	        
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