Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Staab. 
Bearbeitet von 
Prof. Dr. AI. Bergmann, Olmiitz. 
J_Jie erste Erwähnung von Juden in Staab (c. Stod) 
in dem uns zur Verfügung stehenden Schriftmaterial 
des Stadtarchives St., geschieht in der 1. Hälfte des 
17. Jhts. In den Stadtrechnungen der Zeit nach dem 
30jähr. Kriege ist wiederholt von einem Juden aus 
Kladrau die Rede, wahrscheinlich einem Branntwein- 
schänker. 100 Jahre später, im J. 1782, findet sich im 
Gemeindeprotokoll, p. 12, unter der Note: „Wegen 
Pachtung der Cridarischen Prockopischen Wurth- 
schafft d. Gub. Dec.66 folgende wörtliche Feststellung 
„den nemblichen Tag (21. XII. 1782) zu Mittagszeith 
um 12 uhr ist angelangt eine Oberamtliche Verord¬ 
nung mit bey schlissigen Hohen Gubernial Befehl No. 
7/12. XII. a. c. daß nur denen Juden das Obrigkeit¬ 
liche Brandwein Hauss oder sonst ein order grund zu 
Verpachten gestattet wirdt, (Anmerkung d, Publizi¬ 
sten: „wenn ein Jude im Orte ansässig war" soll er¬ 
gänzt sein.) so kann die ansinnende Verpachtung eines 
gantzen bürgerlichen Hauss mit steuerbahren Feldern 
in den Marckt Staab dem Merkliner Juden Lazar Abra¬ 
ham um so weniger erlaubet werden, daß ohne hin in 
diessen orth kein Jud jemahls gewesen. 
(Akt: Wegen Pachtung der 
Cridarischen Prockopi¬ 
schen Würtschafth d. Gub. 
Dec.) 
Um den Sinn dieser dunklen Rede verstehen zu 
können, muß voraugeschickt werden, daß die Chotie- 
schauer Obrigkeit sowohl, als auch die ihr unter¬ 
tänigen Bürger, von jeher stark judenfeindlich oder 
mindestens judenablehnend waren. Die Juden, die vor 
allem nach den gewinnabwerfenden Gastwirtschaften 
trachteten, wurden aber durch zit. obrigkeitlichen 
Befehl von der Verpachtung ausgeschlossen. Der Tra¬ 
dition nach waren die Bürger des untertänigen Städt¬ 
chens Dobrzan am judenfeindlichsten, was sich in 
zahlreichen Judenvertreibungen äußerte. Schaller er¬ 
wähnt, ebenso wie Sommer (1838), daß in der ganzen 
Herrschaft Ch o tieschau nur eine Judenfamilie 
mit obrigkeitlicher Erlaubnis siedelte (Sommer: p. 106, 
Der Pilsner Kreis). In der nächsten Nachbarschaft da¬ 
gegen siedelten wieder mächtigere Diasporen auf klei¬ 
nen Herrschaften, die die Juden als willkommene 
Steuerzahler betrachteten, um ihre Einnahmen, die 
nur im Ertrage der schlecht und recht betriebenen 
Landwirtschaft entstammten, zu vergrößern. Die in¬ 
teressanteste Nachbargemeinde Staabs mit Juden¬ 
familien war entschieden das zwei Stunden entfernte 
Nedraschitz. Schaller erwähnt diese Nedra- 
schitzer J. G. nicht, dagegen zitiert sie Sommer (p. 
122, Pilsner Kreis), bei Nedraschitz 11 Israe¬ 
litenfamilien, von denen nunmehr ein Großteil abge¬ 
wandert, das Bethaus jedoch erhalten geblieben und 
noch im Gebrauch ist. Als interessantes Bauobjekt ist 
noch ein Haus zu sehen, das ehedem von Juden be¬ 
wohnt worden war. Es entspricht in seinem Stil, dem 
im Pilsner Kreise gebräuchlichen und dürfte dem 
Ende des 17. Jhts. entstammen (s. a. a. O.). 
In der Umgebung Staabs fanden sich weiters alte 
Juden in Gemeinden Merklin, Kladrau, Dölitschen, 
Piwana (dort waren nach Sommer 1838 noch 7 Juden¬ 
häuser mit 10 Judenfamilien), dann in Mies, in Tusch¬ 
kau Stadt und in Nürschan. Die Juden der vereinigten 
Gemeinde Rakolus-Rajowa und Dollana im Miestal 
bildeten schließlich den Grundstock, der nach dem 
J. 1848 zu St. aufkommenden J. G. Um den genannten 
Zeitpunkt beginnen Juden aus dem Mieser und Tusch- 
kauer Bezirk nach St. einzuwandern. Ihr Haupterwerb 
bildete das Hausieren. Genügsam und geschäftstüchtig, 
gelang es ihnen, innerhalb eines halben Jhts. der wich¬ 
tigste wirtschaftliche Faktor der Stadt St. zu werden. 
Aus jenen Zeiten der Einwanderung und Gründung 
áind uns 3 Dokumente im städt. Arch, zu St. erhalten 
geblieben, die wohl wörtlich gebracht werden müssen, 
um die Situation zu beleuchten und festzustellen, 
unter welchen Bedingungen und woher, die Juden der 
Gemeinde St. kamen. Es handelt sich um amtliche Do¬ 
kumente, um Wohlverhaltungszeugnisse. Das erste 
lautet: 
©tempel 15 !r. 
Seugtttêê 
SSorn ©emeinbeoorftanbe 9îaïoIu§ u. ®oiïcma totrb 
mit beftätttget ba§ ber $ele öernarb au§ 9iaioIu§ feine 
rebli^ett Sßanbel redjtfRaffen ficf) bnrd) feine SeBenê jähre 
fo lang er fid) in nnferen Orte aufgehalten redjtfdjaffen 
aufgeführt ïjabe- Saher ^h^ Befte gengnté auêgeftellt 
raerben ïann. 
Sftaïoluê n. Sottana ben 22 t. Qäner 1857 
fteBen 
Sauren j£@tengl 
©emeinbe S8orftei)er 
(®emeirtbeftegel) 
Das zweite: 
15 !r. 
3eugnt§§ 
SSon ©emetnbeoorftanbe 9îa!olu§ u. SSerbanb Sottana wirb 
hirmit beftätttget baß ber âlbraljam 33e mar b au§ 
Siaïoiuê feine rebü^en SBanbel redjtfdfjaffen ftdj burdf) 
feine ÔeBenêjähre raeIdEje er fidfj Bet hterortigen aufgehalten 
haBe aufgeführt fyattz baher $hm &a§ befte ¿eugntéS 
auêgeftellt werben ïann. 
3ïaïoïu§ u. Sottana ben 22. te $aner 1857 
fteBen 
ßaureng (Stengl 
©emetnbc $orftei)er 
(©emehtbefiegei) 
Staab 1 
608
	        
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