Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

im Sinne der Autonomie der K. G. (1893) sucht 
dieselbe um eine selbständige Matrikenführung bei 
der k. k. Bezirkshauptmannschaft an; die neuen 
Statuten werden durch den I. u. II. Vorsteher sowie 
Adolf und Ignaz Pick, Gabr. Taussig und Dr. 
Julius Hirsch ausgearbeitet und eingereicht; die 
Grenzen des Gemeindesprengeis werden festgelegt 
(nördlich bis Zinnwald, östlich bis Bruch bei Brüx, 
Tempel und Gemeindehaus 
westlich bis Türmitz-Schönfeld, südlich bis zum 
Schloßberg Teplitz); die Statuten wurden genehmigt 
und vom J. 1896 mit den Eintragungen begonnen, 
die bis zu dieser Zeit beim ehrw. Rabbiner in Teplitz 
erfolgten. Auch Wahlmänner wurden 1894 gewählt, 
h. zw. Karl Weinfeld, Massin Hahn, Karbitz, 
o. Adolf Pick, Turn. Im selben Jahre wird ein neuer 
Gemeindekustos, Adolf L e d e r e r, aufgenommen, 
der 25 Jahre diesen Dienst treu versah. 
Der Rabbiner, resp. Lehrer, hatte bisher seine 
Wohnung neben der Schule. Die Schule war auf¬ 
gelassen worden und die Wohnung des Seelsorgers 
stand weit unter dem Niveau der Zeit, so daß die 
K. G. sich zum Ankauf des neben dem Tempel ste¬ 
henden kleinen Häuschens Nr. 31 um den Höchst¬ 
betrag von 850 fl. entschloß, um daselbst einen schö¬ 
nen Neubau zu errichten. 
Dieses neue Gemeindehaus mit Winterbetsaal 
(Sitzungssaal) wurde 1899 feierlichst eingeweiht. 
Auch Tempel und Turm wurde 1900 renoviert und 
in die kupferne Kugel des Turmes eine kurze, vom 
Rabbiner Heinrich Galandauer s. A. verfaßte Ge¬ 
schichte der Gemeinde, deren Daten für diese Arbeit 
verwendet wurden, nebst verschiedenen damals gül¬ 
tigen Geldmünzen eingelegt. 
Der allseits geachtete und gelehrte Rb. Galan¬ 
dauer verschied plötzlich am Roseli Haschano wäh¬ 
rend seiner Amtsausübung im Tempel im 53. Lebens¬ 
jahre. Gemeinde und Ch. K. ehrten sein Andenken 
durch die Errichtung eines würdigen Grabsteines 
und durch die Fürsorge für die hinterbliebene Witwe. 
Die Wahl um die Jahrhundertwende ergab fol¬ 
gendes Ergebnis: Vorst. Carl Weinfei d, II. Vorst., 
Kassier und Schriftführer Adolf Bloch, Adolf 
Pick, Turn, Dr. Julius Hirsch, Gabriel T a u s- 
s i g, Modlan, Ignaz Pick, Massin Hahn, Karbitz. 
In die Repräsentanz wurden gewählt: Carl Wein¬ 
fei d, Adolf Bloch, Ignaz Pic k, Bernhard Steck- 
1 e r, Philipp Bloch, Dr. Julius Hirsch, Josef 
Gunst und Ignaz 0 r n s t e i n5 Salomon Eck¬ 
stein, Gabriel Taussig, Modlan, Massin Hahn, 
Karbitz, Bernhard Bloch, Eichwald, Philipp R o- 
bitschek, Karbitz, Nathan Steiner, Bruch, 
Adolf Pick, Turn; Ersatzmänner: Eduard Löwy, 
Turn, Julius L a u b e r, Siegmund P o 11 a k. 
Im J. 1901 wurde der Tempel wieder gründlich 
renoviert. 1902 wird der renovierte Tempel im Bei¬ 
sein der Vertreter der Bezirksbehörde feierlich ein¬ 
geweiht. Die Einweihung war wohl erhebend, aber 
mehr durch die Begeisterung für alles andere, fürs 
Neue und Fortschrittliche, als durch die Töne der 
nicht nur aus-, sondern auch derangierten Orgel, so 
daß die K. G. nach der Aufnahme des stimmlich 
äußerst begabten Kantors Nußbaum 1904—1908 
zur Anschaffung einer neuen Orgel bei der Fa. Schiff- 
ner in Prag um den Preis 1600 K schritt. Kantor 
Nußbaum verließ den Posten, aber auch Rb. Galan¬ 
dauer, der in orth. konservativem Geiste erzogen, 
konnte sich nach Kantor Nußbaum schwer in den 
kantoralen Dienst mit Orgelbegleitung einfügen; der 
vorzeitige Tod hat ihm die Anpassung an den Geist 
der neuen Zeit erspart. Er war Literat und Verfasser 
des anerkannten Werkes: „Der Sozialismus in der 
Bibel und Talmud." 
Der täglich zweimalige Gottesdienst, zu dem die 
Juden mittels Hammerschlages auf ein glockenartiges 
Stahleisen gerufen wurden, hörte dann auf. Denn 
die Juden in S. wurden nicht nur weniger, sondern 
auch geschäftiger. Die Industrie und das Bergwerk 
nahmen ihren Aufschwung und man begnügte sich 
nunmehr mit dem Gottesdienst am Freitagabend und 
Sabbat und zu Jahrzeiten. Perek-Vortrag und Mincha- 
gebet am Sabbatnachmittag wurden ebenfalls weg¬ 
gelassen. Das rituelle Bad verfiel schon längst wegen 
Frequenzlosigkeit, aber auch die Beobachtung der 
Speisegesetze hat mit dem steigenden Wohlstande der 
Vorkriegszeit immer mehr und mehr eingebüßt. Von 
1906—1908 hatte S. keinen Rabbiner. Als Proviso¬ 
rium wurde Rb. Bass in Aussig für Funktionen 
bestellt. 
Tempel (Innenansicht) 
Im Juni 1908 wurde dann der Lehrer Max Kohn 
aus Münchengrätz als Rabbiner und Kantor aufge¬ 
nommen. Bei allen beliebt, erfüllte er die an ihn 
gestellten Aufgaben gewissenhaft. Besonders als Kt. 
hat er mit seiner klangvollen Stimme viel zur Hebung 
der Andacht beigetragen. 
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