Soborten 3
Anlaß des Wiedersehensfestes der Herrscher und
Fürsten in Teplitz im J. 1835. Neben dieser Tafel
steht die Fahne, welche Fürst Edmund von Clary-
Aldringen der jüdischen National-Garde von S. in
den Sturmjahren 1848/49 widmete.
In diesem Jht. vollzieht sich in S. eine bedeutende
Wendung auf wirtschaftlichem und kulturellem Ge¬
biete. Die Tradition wird wohl noch mit der alten
Intensität gepflegt, die Vorbeter werden noch aus
den Reihen der Gemeindemitglieder gestellt, unter
denen besonders Chaim Pick und Joachim Taus¬
sig als stimmlich begabte Vorbeter dieses Ehren¬
amt ausübten. Auch die Ch. K., die um diese Zeit
47 Mitglieder zählte und deren Obmann viele Jahre
hindurch Joachim Taussig war, betrachtete es
noch als Ehrenpflicht, im Todesfalle die Särge selbst
zu zimmern und die Toten nach der üblichen Wa¬
schung der Erde zu übergeben.
Als Kustos und Schächter finden wir in der zwei¬
ten Hälfte des 19. Jhts. Bernhard Rothenstein
und nachher Moritz W i 1 1 n e r.
Die Revolutionsjahre 1848/49 brachten trotz alle¬
dem neues Licht in die jüdische Gasse von S., die
nur an ihrer Peripherie noch einige Christenhäuser
hatte, deren Bewohner sich von der Sabbatarbeit bei
den Juden ernährten. S., politisch zur Stadtgemeinde
Graupen gehörend, erhält in diesen Jahren die erste
fahrbare Straße, die bis zum J. 1852 bis Mariaschein
verlängert wurde. Diese Straße, später bis zum Mük-
kenberg verlängert, baute der damalige K. V. Chaim
T a u s s i g, der dieses Amt viele Jahre hindurch
innehatte. In letztgenanntem Jahre wird auch das
Dach und die Turmuhr des Tempels repariert. Durch
den Bau der durch S. laufenden ersten Eisenbahn
der A. T. E. und der bald darauf folgenden Ent¬
deckung der Kohlenschächte, 1866—1870, nimmt S.
(besonders in der Nachkriegszeit 1866) einen rapi¬
den wirtschaftlichen Aufschwung.
Nach relativ gründlicher Schulung durch den Leh¬
rer Josef Strasser ziehen die Söhne der Juden
von S. in die Stadt und die christ. Bevölkerung sie¬
delt sich hier an. Schon im J. 1873 hat S. 93 Häuser
mit 1220 Einwohnern. (In der ersten Hälfte des
19. Jhts. einige 40 Häuser mit 300—400 jüd. Seelen.)
In diesem Jahre zählt die K. G. bloß 121 Seelen.
Vorsteher Bernhard Stein. Ausschußmitglieder: Da¬
vid D a s c h, Salomon N e u m a n n, Simson und Joa¬
chim Pick und Daniel Cantor. Lehrer, Kantor
und Koreh: Adalbert Kohn. Schächter und Kustos:
Bernhard Rothenstein. Die K. G. hatte zu die¬
ser Zeit zu erhalten: 1. den Tempel, 2. Rabbiner-
und Lehrerwohnung und die des Schächters, die
Schule und den Friedhof durch die Ch. K., Schlacht¬
hof, rituelles Bad und Backofen für die Sabbatspei¬
sen waren verpachtet.
1862 wird die neue deutsche Schule eingeweiht
und Ende 1870 nach dem Abgang des letzten Leh¬
rers der jüd. Schule wird diese Schule auch von den
jüd. Kindern besucht. Wahrscheinlich wird auf Grund
dieser eigenen Schule S. im J. 1868 zur selbständigen
politischen Gemeinde ernannt. Im selben Jahre er¬
hält S. Licht- und Kraftstation.
Als Vorsteher der Ch. K. zeichnet Israel Schlad-
n i c h. Weiterer Vorstand: Mosche L ö w y, Ephraim
Eckstein, Jakob Gunst, Jakob Langstein,
Markus P o 11 a k. In den folgenden Jahren zeichnet
als Vorstand: Salomon Eckstein, Josef Gunst,
M. N e u m a n n, Markus P o 11 a k und Isak Bauch.
Um diese Zeit errichtete Moses Bloch, späterer
langjähriger und verdienstvoller K. V., eine Posa¬
mentenfabrik (heute von den Söhnen Adolf und
Gottlieb Bloch geleitet), die vielen im Orte noch
heute Brot und Beschäftigung gibt. Letztere errichte¬
ten auch noch eine Dampffärberei und Hülsenfabrik.
Das J. 1880 bringt neues Leben in die Gemeinde¬
stube. Außer dier Wiederwahl des Moses Bloch
zum K. V. wird nach 30 jähriger Unterbrechung ein
Rabbiner und Kantor namens J. H. S c h w a r z,
bisher in Potsdam, geb. zu Neutra in Ungarn, ge¬
wählt, jedoch schon nach zwei Jahren gekündigt.
Grund der Kündigung war die gleichzeitige Annahme
des Rabbinates in Gablonz a. N. und der daraus
sich ergebenden Meinungsverschiedenheiten in der
Gemeindestube. Ein Jahr später (1883) wurde Hein¬
rich Galandauer, Rabbiner in Mähr. Kromau,
mit 500 fl. Jahresgehalt und einjähriger Kündigung
akzeptiert.
Dem engeren Ausschusse um diese Zeit gehörten
an: M. N e u m a n n, Julius Taussig, Ignaz Pick,
Philipp Bloch, Bernhard! Steckler und Alfred
P o 1 1 a k.
Bernhard Rothenstein als Schochet und Schammes
tritt 1884 zurück und an seine Stelle trat Moritz
W i 1 1 n e r.
In diese Zeit fällt auch die Modernisierung
Gottesdienstes. Man begann mit dem Ausschluß nicht¬
schulpflichtiger Kinder aus dem Tempel, wegen Stö¬
rung des Gottesdienstes (1888). Nicht lange darauf
folgte der Sitzungsbeschluß, an die Adresse des Rab¬
biners gerichtet, die Gebete von nun an ohne Gesang
und deutlich vorzutragen. Der Eindruck des Gottes¬
dienstes in dem neuerbaulen Tempel der altehr¬
würdigen Nachbargemeinde Teplitz pochte auf die
Gemüter der S. K. G. und entfachte sie zur Nach¬
eiferung im Rahmen des Möglichen. Aus dem alten
Teplitzer Gotteshause wanderten die Kandelaber in
unseren Tempel und wurden 1901 elektrifiziert und
aufgestellt. Eine Verhandlung mit den Herren der
Bodenbacher K. G. (1888) wegen Anschlusses der¬
selben an die K. G. S. führte zu keinem endgültigen
Resultat. Eine Sammlung wird zwecks Errichtung
einer „Zeremonienhalle" beschlossen und auch durch¬
geführt.
Auch sämtliche Grabsteininschriften wurden im
J. 1897 aufgefrischt.
Friedhof
Die Kultusgemeindewahlen im J. 1893 bringen
neue Männer an die Spitze, die sich wohl schon
vorher durch ihren Eifer und ihr großes Interesse
für die K. G. besondere Verdienste erworben hatten.
Karl W e i n f e 1 d als I. und Adi. Bloch als II. Vor¬
steher, Kassier und Rechnungsführer; als Revisoren
Salomon Eckstein und Moritz N e u m a n n. Karl
Weinfeld war gleichzeitig Obmann der Ch. K.;
in seine Amtsperiode fällt die Erbauung der Zere¬
monienhalle und die Auffrischung der Grabinschriften
sowie der Kauf eines Leichenwagens.