Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Senftenberg. 
Bearbeitet von 
Karel Hostovsky, 
JJ ie am Fuße des Adlergebirges gelegene Stadt 
Senftenberg (c. 2amberk) ist aus einer im 13. Jht. 
vermutlich unter König Premysl Ottokar II. gegrün¬ 
deten Ansiedlung entstanden. Die Stadt S. gehörte in 
alten Zeiten zur gleichnamigen Herrschaft und war 
den Burg- oder Schloßherren Untertan. Wann sich hier 
die ersten Juden angesiedelt haben, läßt sich nicht 
genau feststellen. Die erste geschichtliche Aufzeich¬ 
nung über Juden in S. besitzen wir, wie des weiteren 
berichtet wird, aus dem J. 1666. Das vorhandene ge¬ 
schichtliche Material ist in einem besonderen Kapitel 
des Werkes „Parneti zamberske' zusammengetragen. 
Autoren dieses im J. 1890 erschienenen Buches sind 
der verstorbene Wiener Chirurg und Univ. Prof. Hof¬ 
rat Eduard Albert, ein gebürtiger Senftenberger 
und P. K. Choto vsky. Das betreffende Kapitel, 
betitelt „Drive jsi mesto zidovské66 (Die gewesene Ju¬ 
denstadt), sei hier in Übersetzung wiedergeben: 
„Die älteste Erwähnung von Juden in S. stammt aus 
dem J. 1666. In einem Schreiben des Jindrich Vrba 
wird von ,einem hiesigen Juden6 gesprochen. Ge¬ 
meinderechnungen aus dem J. 1688 besagen, daß vom 
Senftenberger Juden Markus für Nachtwächter¬ 
anzüge Tuch gekauft wurde. Wir wissen ferner, daß 
unter den Marktläden, welche vor dem J. 1700 auf 
dem Ringplatz standen, sich auch ein jüdischer 
Laden befunden hat. Man findet nämlich im alten 
Grundrecht (Grundbuch) einen Kaufvertrag, durch 
welchen Graf Franz Adam von Bubna im J. 1699 dem 
Isak Markus ein gegenüber der Mühle stehendes 
Steinhaus verkauft, dazu auch ,einen Judenladen, ne¬ 
ben den Fleischerläden am Ringplatz stehend, für die 
Summa 10 fl.6. (Diese alten Fleischerläden befanden 
sich dort, wo jetzt die Statue steht; später wurden sie 
auf der Nordseite des Platzes, oberhalb der Nummer 
147, errichtet.) Dieser Isak Markus Sachsel war aus 
Dacie. Das Haus Nr. 235 kaufte im J. 1699 von der 
Herrschaft der Jude Moses Abraham. Daraus ist er¬ 
sichtlich, daß Graf Franz Adam bemüht war, die Stadt 
zu vergrößern und den Handel zu heben, weshalb er 
den Juden erlaubte, sich hier anzusiedeln. Es waren 
sogenannte privilegierte4 Schutzjuden. Sie durften 
nur in der unteren Stadt wohnen, ihre Häuser waren 
in den Grundbüchern von den anderen getrennt ein¬ 
getragen und mit römischen Zahlen bezeichnet. (Noch 
in unsern Kinderjahren sahen wir unten, in der Tiefen 
Gasse, am Hause Nr. 102, einen in der Luft über die 
Gasse gespannten Draht, welcher das Judenviertel 
Eruv von der übrigen Stadt trennte.) Im Laufe 
des 18. Jhts. nahm die Zahl der Juden langsam zu, so 
daß sie im letzten Viertel desselben -°hon 9 eigene 
Häuser besaßen. 
Im josefinischen Kataster sind sie wie tolgt einge¬ 
tragen: 
Nr. I. Franziin, Witwe. 
Nr. II. Isaks Witwe. 
Nr. III. Josef Saxl. 
Nr. IV. Samuel Simon (ein Garten beim Hause). 
Nr. V. Anna, Witwe (ein Garten bis zur Adler). 
Nr. V. David Katz (mit Garten). 
Nr. V. Marie, Witwe (mit Garten). 
Nr. VI. Jüdisches Gemeindehaus (in demselben Josef 
Aaron und Herschel Loebel). 
Nr. VII. Isak Gabriel. Josue Abraham. 
Nr. VIII. Herschel Abraham. 
Nr. IX. Abraham Israel. 
Bei der Konskription vom J. 1805 sind folgende 
Judenhäuser bezeichnet worden: Nr. I bis IV (jetzige 
Nummern 226—229), V bis VII (103—104), VIII bis 
XII (230—234). 
Noch im J. 1797 gebietet der Graf durch einen De¬ 
kret, daß kein Jude aus dem Judenviertel in die Stadt 
übersiedeln darf. Joachim Saxl erhielt die Er¬ 
laubnis, nur ein Jahr in einem Christenhause wohnen 
zu dürfen, damit er inzwischen auf seiner Brandstätte 
ein neues Haus erbauen kann. Jakob Saxl durfte es 
bloß ein halbes Jahr, um sich nach einem andern Platz 
umzusehen. Dem David Brady wurde befohlen, 
aus dem Hause Nr. 168 auszuziehen. Aber in einem 
Dekret vom 21. Juni 1806 verordnete Gräfin Marie 
von Bubna, geb. Gräfin Kolowrat, daß Juden, welche 
hierher übersiedeln, 175 fl. bezahlen sollen, dafür 
wird ihnen jedoch erlaubt christl. Wohnungen zu 
mieten. So wurden die Juden freier und einige Jahre 
später erbauten sie sich in der Judenstadt eine Syna¬ 
goge, die noch heute besteht. 
Ein im Pfarrhaus befindlicher Status animarium 
vom J. 1811 enthält das Verzeichnis aller Senften¬ 
berger Juden. Aus diesem ist ersichtlich, daß sie auch 
Wohnungen in Christenhäusern gemietet hatten. Sie 
haben sich meistens in der Tiefen Gasse angesiedelt. 
Es waren im ganzen 24 Familien (19 mit Vätern, 
5 mit verwitweten Müttern und 89 Kindern). 
Seit dieser Zeit gab es für dlie Juden keine Hinder¬ 
nisse, sich in der eigentlichen Stadt niederzulassen. 
Gegenwärtig steht nur noch die Synagoge in der ge¬ 
wesenen Judenstadt. Einige gewesene Judenhäuser 
machten Neubauten Platz, andere wechselten ihre 
Besitzer. 
In der Stadtchronik findet man verzeichnet, daß 
am 6. Oktober 1810 ein großer Brand in S. gewütet 
habe, welcher einen Teil der Stadt eingeäschert hat, 
darunter auch „die Juden auf der oberen Seite bis 
zum Moses66. Desgleichen am 17. Mai 1833 sind „ober¬ 
halb der Mühle 3 kath. und 7 jüd. Häuser abge¬ 
brannt 
Interessant ist ferner eine Eintragung im Grund¬ 
buch in B. fol. 104: 
„Herrschaftliches Weissgerberhaus in welchem 
Weissgerber Johann Georg Beichmar sitzt und davon 
10 fl. jährlich dem Rentamt zahlt. Es wohnt hier ein 
Jude. Es ist von Miets wegen dem Flusshaus ange¬ 
schlossen. In diesem wohnt der Flusser Löwel Khue 
Dieser Flusser war also der Jude. 
¿amberk 1 
594 
Senftenberg 1
	        
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