Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

in R. Schwierigkeiten in den Weg gelegt haben muß. 
Ob die Firma Bassewi für ihre Zweigniederlassung 
in R. ein eigenes Haus gebaut oder gekauft hat, ist 
aus den Quellen nicht ersichtlich. Jedenfalls dürften 
auch jüdische Bedienstete dieser Firma in R. ge¬ 
wohnt, oder zumindest sich aufgehalten haben. So 
sandte einmal Jacob Bassewi einen jüdischen Abge¬ 
ordneten zur Bezahlung von Tuchen nach R., der, 
wie er sagt, „in sonder Zeit unserer ingestandener 
Feyertage etwas geweilt4'. Das Ausmaß der Geschäfte 
rechtfertigt den Ausspruch eines volkswirtschaftli¬ 
chen Schriftstellers unserer Tage, daß aus der erst 
nur der Person des Fürsten dienenden Hof firma 
eine dem allgemeinen Nutzen förderliche Landes¬ 
firma geworden sei. Bassewi folgte allerdings seinem 
Gönner wenige Monate nach dessen gewaltsamen 
Tod in die Ewigkeit. 
Das vom Herzog den Bassewischen als Anlage und 
Betriebskapital überlassene Darlehen im Betrage von 
40.000 fl. scheint nicht auf einmal, sondern raten¬ 
weise, in der Regel zu 1000 fl., vorgeschossen wor¬ 
den zu sein. Hierauf deutet auch ein von der Jici- 
ner Kammer am 6. Juni 1633 an den Burggrafen 
zu R. ergangener Befehl hin. Er sollte die Verfügung 
treffen, daß die Tuchmacher in R. die 400 R.-Th., 
die sie für Wolle den fürstl. Renten schulden, den 
beiden Juden oder ihren Vertretern auszahlen mö¬ 
gen, welche Summe „die gemeldeten Juden an dahero 
1000 Fl. die Ihnen Ihre fürstl. Gn. für ihren Handel 
anbefohlen, defaliert und abgekürzt werden sollen". 
Aus dem Hauptbuche der Jiciner Kammer geht her¬ 
vor, daß manchmal auch die 1000 fl. in den fürstl. 
Renten den Bassewis nicht zur Verfügung standen. 
Die Grafen Gallas und Clam-Gallas. 
Wie wenn man aus dem Freien in einen Raum mit 
gesperrter Luft tritt, so ist es einem zumute, wenn 
man in diese Geschichtsperiode eintritt. Über zwei¬ 
hundert Jahre gehörte R. zum Dominium dieser gräfl. 
Häuser. Während dieser Zeit konnten die Juden in 
R. keine Bürger, nicht einmal Untertanen werden. 
Der Grund lag aber nicht in der Grundherrschaft 
allein, sondern auch in den gesetzlichen Bestimmun¬ 
gen. Denn das Judenpatent vom 14. August 1725, 
sowie vom 20. September 1725, verbot an Orten, wo 
bis dahin keine Juden ansässig waren, sie aufzuneh¬ 
men, und legte infolge der „Connivenz der Landes- 
innwohner und Ortsobrigkeitfen66 jüd. Familien ge¬ 
genüber den Grundobrigkeiten größere Verantwor¬ 
tung auf. Im Judenpatent des Franz II. vom 
3» August 1797 spürt man, daß es nach der franz. 
Revolution erlassen wurde. Es ist ein Meilenstein auf 
dem Wege der gesetzlichen Gleichstellung der Juden. 
Wohltuend berührt die Förderung ihrer Bildungs¬ 
bestrebungen, abstoßend wirkt dagegen die Aufrecht¬ 
erhaltung des pharaonischen Familiantenwesens. 
Auch bezüglich des Wohnrechtes war dieses Patent 
recht reaktionär. Bestimmte es doch: „Es soll einer 
jüd. Familie nur in dem Orte, wo im J. 1725 Juden 
geduldet waren, Aufenthalt gegeben werden" Die 
Grafen Clam-Gallas hatten manchmal den guten Wil¬ 
len, Juden auf ihrer Herrschaft ansässig zu machen, 
aber die gesetzlichen Vorschriften hinderten sie 
daran. Man wußte es nicht, oder vergaß es, daß Juden 
schon ein Jahrhundert vorher in R. ansässig waren. 
Aus diesem Grunde durften die Juden auf 
der Herrschaft kein unbewegliches Gut erwerben. 
Am 16. August 1799 kaufte der Prager Jude Przibram 
im Dorfe Hänichen von Josef Porsche ein Haus, 
mußte es aber auf gräflichen Befehl binnen eines 
Jahres einem Christen verkaufen. Diesen Angaben 
Fiebigers kann man Glauben schenken, auch abge¬ 
sehen davon, daß er nicht so detaillierte Daten ge¬ 
bracht hätte, die seine Zeitgenossen überprüfen und 
widerlegen konnten. Auch im J. 1804 mußten die 
Gebrüder Seegen, Handelsjuden, das Haus, das das 
Gericht in das Grundbuch von R. eingeantwortet 
hatte, zwei Monate später verkaufen. Es wurde ihm 
aufgetragen: „Für einen Besitz- und stadtfähigen 
Käufer zu solidieren." Diese judenfeindlichen Be¬ 
stimmungen wurden durch die Zeitrichtung begün¬ 
stigt. Der Begriff der Volkswirtschaft war damals 
noch uiibekannt und wie es heute eine Autarkie der 
Staaten gibt, gab es damals eine Autarkie der Städte. 
Daher wirkten die Körperschaften auf die Ämter 
ein, daß den Juden in Reichen ber g, wenn überhaupt 
schon, dann kein langer Aufenthalt gewährt 
werde und daß ihre Zahl sich nicht vermehre. 
Noch im Jahre 1833 beschwerte sich der Handels¬ 
stand: „So haben die Israeliten auf unserem Platze, 
wovon man ein Teil ganz von hier verweisen 
könnte, das Agiogeschäft, sonst in unseren Händen, 
unser Verdienst, an sich gezogen.44 Einerseits dachte 
man durch die Fernhaltung und Niederhaltung der 
Juden die Lokalinteressen zu fördern und anderer¬ 
seits zwangen gerade die wohlverstandenen Inter¬ 
essen gebieterisch, die Gesetzesparagraphen zu um¬ 
gehen, oder zu mildern und die Juden, wenn auch 
oft nur stillschweigend, zuzulassen. Freilich bedrohte 
sie oft das Damoklesschwert der Ausweisung und 
waren sie Schikanen aller Art ausgesetzt. Trotzdem 
hielten sich fast ununterbrochen Juden in R. auf, 
wiewohl ihnen der Aufenthalt nur während der Jahr¬ 
märkte gestattet gewesen wäre. So mieteten sie be¬ 
ständig Magazine und Gewölbe. So besaßen solche 
beispielswèiise die Brüder Marx aus Jungbunzlau um 
die Mitte des 17. Jhts. So hatte auch Salomon 
Lobi aus Münchengrätz im J. 1747 ein Gewölbe bei 
Karl Hoffmann, vermutlich 24-III, Ecke Hablau und 
Tuchplatz, wo früher das „Deutsche Haus44 und jetzt 
der „Donauhof44 steht, in Pacht. 1780 erging seitens 
des Magistrates an das Kreisamt eine Bitte um „Be¬ 
lehrung44, ob die Gewölbe habenden Juden zur 
Kriegssteuer herangezogen werden können. Aber 
nicht nur beständige Niederlagen hatten die Juden in 
R., sondern sie nahmen, wenn auch nur geduldet und 
zeitweilig, doch immer wiedler Aufenthalt. Als im 
J. 1649 die Wirtin des Reichenberger Ratskellers er¬ 
mordet wurde, wurde gleich darauf auch nach den 
geraubten Schmuckgegenständen gefahndet. Daraus, 
daß nur auswärtige und nicht hiesige Juden zu 
Kundschaftsdiensiten herangezogen wurden, darf 
keineswegs gefolgert werden, daß es hier keine gab. 
Ein positiver Beweis für das Vorhandensein von 
Juden ist ein Konzept des hiesigen Magistrates aus 
dem J. 1697, wo es heißt „allda die Juden44. Hätte es 
damals keine Juden in R. gegeben, so wäre die Ant¬ 
wort auf eine sie betreffende Auskunft eine sehr 
einfache gewesen. Der Magistrat hätte bescheinigt, 
daß die Stadt keine Juden beherberge. So aber wurde 
die Auskunft in „öffentlicher Raths-Session44 vorge¬ 
lesen und „Hinn v Her fleisige nach forschung an¬ 
gestellt" 7). 
Im J. 1704 erfolgte die Verpachtung des herr¬ 
schaftlichen Branntwein- und Gerberhauses in Maf- 
fersdorf an den Leipziger Juden Israel Gyhel. im 
Pachtvertrag heißt es nun u. a., daß dem Pächter 
„die freie Macht gegeben wird, seine Handlung an 
denen Juden noch zu R. und aussen ganzen Landes 
zu treibenDieser Passus beweist deutlich, daß es 
damals Juden in R. gab. Sonst wäre ein Hinweis auf 
sie schon aus dem Grunde unmöglich gewesen, weil 
Reichenberg 4 
532
	        
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