Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wendet sich nämlich an den Rat von Jungbunzlau 
mit der Bitte, diesen Juden, der seinen Wohnsitz 
dorthin verlegt haben solle und gegen den ein 
Friedländer Bürger ein Klagebegehren anhängig 
machte, zu veranlassen, daß der Jude im Schlosse 
sich stelle, und bemerkt dabei, daß „Samuel der 
Jude vorhin lange Zeit in R. wohnhaft gewesen6 sei. 
Da dieses Ansuchen vom September 1623 datiert ist, 
muß sich dieser Jude noch unter den Rädern ange¬ 
siedelt haben. In einem zweiten Schreiben beruft 
sich der Schloßhauptmann ausdrücklich darauf, daß 
„er, Jude zu R. angesessen und Untertan gewesen, 
sich bis dato ordentlich aber nicht los gemacht, son¬ 
dern noch vor Ihr. f. Gn. Untertaner gehalten wird66. 
Da er also noch immer zur Reichenberger Gerichts¬ 
barkeit gehörte, sagte er Repressalien an4). Aus der 
weiteren Bemerkung des Hauptmannes, wonach er 
„glaubwürdige Nachricht habe, dass gemehlter Jude 
sich häuslichen in Jungb. eingekauft habe'6, ist der 
Schluß berechtigt, daß Samuel sich eines gewissen 
Wohlstandes erfreute. Es ist nicht ausgeschlossen, 
daß auch noch andere Juden, wenn auch nur einige 
wenige, damals in R. wohnten. Jedenfalls ist der 
bündige Beweis erbracht, daß Juden in der Rä¬ 
dernzeit in R. die Ansässigkeit be¬ 
saßen. Da sich auch auf anderen Herrschaften 
dieser Grundherren Juden befanden, so ist es wohl 
wahrscheinlich, daß die Rädern die Absicht hegten, 
noch mehr Schutzjuden anzusiedeln. Finanzielle 
Rücksichten werden dabei maßgebend gewesen sein, 
da sie doch den üblichen, besonderen Judenschutz- 
zins erlegen mußten, aber auch der Geist von Rosen- 
feldt wird wohl noch nachgewirkt haben. Doch die 
Herrschaft der Rädern nahm nach sechs Jahrzehnten 
ein frühes Ende und die Zeit war für derartige Pläne 
nicht günstig. 
Albrecht Wallensteiii, Herzog von Frietllantl. 
Der bisherige Besitzer der Herrschaft R. wurde 
als Anhänger des Winterkönigs geächtet und land¬ 
flüchtig. Am 5. Juni 1622 erfolgte die Belehnung 
Albrechts von Waldstein mit der vom Fiskus käuf¬ 
lich erworbenen Herrschaft. Noch am 8. veranstal¬ 
tete der Stadtrat anläßlich der Malzurbarrechnung 
ein großes Festessen. Erst später erfuhr man, daß 
der neue Grundherr die Gerechtsame der Stadt, das 
Bierbrauen, Malzerzeugen und den Salzhandel, ihr 
entziehen wird. Dafür entschädigte er sie durch die 
Förderung der Tuchmacherei und in seiner Baulust 
durch die Anlegung der Neustadt. Auch für die Ju¬ 
den war der Grundherrschaftswechsel von großer 
Bedeutung. Für ihre wirtschaftliche Betätigung er¬ 
öffnete sich nunmehr ein weites Feld. Wallenstein 
war nicht bloß ein großer Feldherr, sondern auch 
ein genialer Volkswirt. Es ist naturgemäß, daß er 
zum Ausbau der von ihm angestrebten Territorial¬ 
wirtschaft in seinem Herzogtume auch Juden heran¬ 
zog und sie zu diesem Beliufe mit Privilegien ver¬ 
sah. Für R. kommt namentlich der ehemalige Prager 
Bank- und Kaufherr großen Stils, Jacob B a s s e w i, 
in Betracht. Er war der erste Jude im alten Öster¬ 
reich, der in den Adelsstand des Römischen Reiches 
erhoben wurde. Es wurde ihm das Prädikat von 
Treuenberg und ein mit Kleinodien versehenes Wap¬ 
pen verliehen. Bassewi kann man nur mit Josef Süss 
Oppenheimer (genannt Jud Süss) vergleichen, der 
ihn freilich an Finanzkonzeption und namentlich 
staatsmännischer Begabung übertraf. Bassewi bewarb 
sich schon 1622 um das Vorrecht, auch in Orten, wo 
keine Juden ansässig seien, sich Häuser erwerben zu 
dürfen. Wallenstein kannte ihn noch von früher her 
und schätzte ihn als großzügigen Kaufmann. Sol¬ 
cher Mitarbeiter bedurfte er für seine weitausgrei¬ 
fenden Pläne. Als stiller Teilhaber des Münzkonsor¬ 
tiums stand er mit ihm in Geschäftsverbindung. Als 
nachher den Erben des Statthalters Lichtenstein und 
Bassewi der Prozeß gemacht wurde, wagte sich an 
den allmächtigen Generalissimus niemand heran5), 
Schon aus Dankbarkeit nahm er sich seines jüd* Ge¬ 
schäftsfreundes an und blieb sein Gönner bis an sein 
Lebensende. So schien Bassewi nach seinem Sturze 
von stolzer Höhe durch Wallensteins Gunst eine 
Spätherbstsonne. Aus dem früheren kaiserl. Hof¬ 
handelsjuden wurde nun der fürstlich Wallensteini- 
sche Hofhandelsjude. Am 4. Juni 1632 erhielt er 
und sein Vetter Leon, der Gesellschafter seiner Fir¬ 
ma war, vom Herzog von Prag aus ein Privilegium. 
Obschon ihnen darin die Freiheit eingeräumt ward, 
,.,in allen Städten, Märckchen und Fleckchen unnse- 
rer Herczogtumber Friedlandt, Sagan und Glogau" 
ungehindert Geschäfte zu betreiben, wurden ihnen 
am gleichen Tage ein eigenes Privilegium für R. er¬ 
teilt. „Ferner geben wir viel besagten Bassewi, auf 
dass sie ihren handel undt wandel desto füglicher an¬ 
stellen, Vndt ihren Nahrung suchen Vndt haben mö¬ 
gen, diese absonderliche Freyheit ihnen zue lassen 
vndt vergönnen, dass sie auch in unserer Stadt Rei¬ 
chenberg ein Hausz an orth vndt ende, wo es ihnen 
zu ihrer Handtlung am dienlichsten vndt bestens ge¬ 
legen, ihres beliebens nach bauen mögen, maszen 
Wirr ihnen, auch zue desto schleuniger Verfertigung 
derselben, durch Unser enn Haubtmann selbiger 
Herrschaft, an materialmen Vndt sonsten, vndt die 
be Zahlung wie es denen bauenden bürgern daselbst 
gefolget würdt, allen vorschuebt vndt beförderung 
leisten lassen wolle. Imfall Sie auch ein erbautes 
Hausz, so ihnen wohlgelegen, antreffen, geben Wir 
ihnen gleichfalls macht, dasselbe zu erkauffen, her¬ 
nach für sich oder ihre Kindt vndt Freunde, denen 
Sie, die Christen oder Juden Zu bewohnen, zur hand- 
lung sie darin einzusetzen vndt ihres beliebens wid- 
dumb ab Zu schaffen hernach anders dieselbe Zu¬ 
bringen: Welche mit ihren weibern, Kindern vndt 
Gesinde Von allen menniglich Vndt ungehindert, 
ihrer, wie Bassewi handlung darin treiben Vndt füh¬ 
ren sollen Vndt mögen, Ihnen auch, ivie allen an¬ 
dern Christen Vndt Juden so die Bessewi in ihren 
diensten vndt geschäften, zu Hause, in Städten, auf 
dem Lande Vndt in Vunserem ganzen Herzogtumb 
Friedlandt, sowohl als auch im Königreiche Böhmen 
gebrauchen werden, jederzeit aller nottürftiger 
Schutz Vndt Schirm von Vns, Vnsern Offizieren, be- 
amten geleistet werden soll. 
Hierwieder zutun, keiner wage bei vnserer Vn- 
gnadt vndt vnausbleibender straffe. Mit Urkuhndt 
diesz brieffs, besiegelt mit anhangendem Vnserm 
fürstlichen größeren Insigell6). 
Es ist bemerkenswert, daß das Privil. für R. als 
eine besondere Freiheit hingestellt wird. 
Von der Jiciner Kammer erging am 5. Dezember 
1633 an den Schloßhauptmann zu R. folgender Be¬ 
fehl: „Die Bassewijuden bei Ihren für die Judten 
erteilten Privilegy, dass sie ihren handel und kauf 
vndt verkauff allerhandt wahren ohne jedermännig- 
liches Behindernyss frey angehen dort treiben vndt 
fortsetzen möchten, abschrifft, peschiert vndt befoh¬ 
len, die besagten Bassewi bey so ihnen erteilten Pri¬ 
vilegio auch daselbst zur R. gelassen, gehandhabet, 
geschützt vndt geschirmet, auch bestens zu ihrer 
frey en Forttreibung Ihrer Handlung alle gehörige 
Assistenz erwiesen werde.66 Dieser Befehl, IV2 Jahre 
nach Erlaß des Privilegiums, zeigt, daß man Bassewi 
34* 
531 
Reichenberg 3
	        
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