Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

dig, auch bis zum Heil. Johannes alle F orderungen 
wo immer sie sie haben, aufgezeichnet und aufge¬ 
schrieben, dem höchsten Herrn Hofmeister des K. R. 
Böhmen zu übergeben. Falls sie dies nicht tun und 
nach dieser Zeit des Heil. Johannes welche Schulden 
immer sie eintreiben wollen, würde ihnen zu diesen 
kein Recht zur Einbringung bewilligt werden 2).66 Zu 
gleicher Zeit jedoch hatte ein anderer Biberstein 
zahlreiche Juden aus Böhmen nach Sorau gezogen 
und Hans v. B. belehnte dort im J. 1365 einen Juden 
mit einem Dorfe3). Unter Ulbrich IV. und Hierony¬ 
mus Biberst. lebten Juden, zu Anfang und Mitte des 
16. Jahrhunderts, auf der Herrschaft Friedland. Das 
dortige Schloßarchiv enthält nur einen Rest der Bi¬ 
bersteinakten. Darin befindet sich allerdings kein 
einziges Stück, das sich auf Juden bezieht, und auch 
in den ziemlich zahlreichen Schuldscheinen taucht 
kein einziger jüd. Name auf. Aber aus anderen Quel¬ 
len geht doch hervor, daß mancher Sproß dieses 
Adelsgeschlechtes V erbindungen und Verbindlichkei¬ 
ten mit Juden einging. Trotz der gegebenen äußeren 
Bedingungen und innerer Wahrscheinlichkeit ist es 
aber urkundlich nicht erwiesen, daß es unter den 
Bibersteins Juden in R. gegeben hätte. Deshalb ver¬ 
dient auch Felgenhauers Bericht, zumal er ohne 
Quellenangabe erfolgt, keinen Glauben. Schon die 
hohe Ziffer, 18 Juden sollen sich auf einmal ange¬ 
siedelt haben, klingt phantastisch und macht stutzig. 
Unser Chronist erzählt ferner: „Im J. 1498 hatten 
zwei Juden einen reichen Krämer unter dem Galgen¬ 
berge im Tale so schrecklich geschlagen, daß er ftir 
tot liegen blieb. Als er zu sich kam, meldete er es 
dem Magistrate. Man setzte ihnen nach und ließ sie 
in Zittau, wo man sie bekam, einsetzen. Diese Juden 
wurden nach Prag eingeliefert.64 Felgenhauer ver¬ 
schweigt, woher er seine Daten schöpft. Seine Er¬ 
zählung ist ebenso anekdotenhaft, wie die Geschichte 
von der Audienz des Juden Benjamin bei Berka von 
Dauba im J. 966. Er beschwerte sich über die Er¬ 
mordung seines Reisegefährten und! der Gründer von 
R. ließ hierauf alle Mörder hinrichten. So interes¬ 
sant auch das so frühe Vorkommen von Juden auf 
dem Hammerstein-Reichenberger Gute wäre, müssen 
Felgenhauers Nachrichten als wertlos bezeichnet und 
ins Reich der Fabel verwiesen werden. 
Die Freiherren yoii Rädern. 
Da stehen wir schon auf geschichtlichem Grunde. 
Nach durchaus glaubwürdigem Zeugnis betraten Ju¬ 
den zum erstenmale im J. 1582 den Boden Reichen¬ 
bergs. Das ist eine sichere Nachricht, die wir dem 
Hauptmanne der R. Herrschaft, Joachim Ulrich v. 
Rosenfeldt, verdanken. Seiner Lebensbeschreibung 
fügt er unter anderem hinzu: „Es sind auch Juden 
aus Furcht vor der Pest von Prag hieher geflohen; 
ich habe deren über 60 auf meinem Vorwerke" Daß 
der Biograph nicht aus dem Born der Erinnerung 
schöpft, sondern in der Gegenwart spricht, erhöht 
noch den Reiz dieser Notiz. Die erste Kunde über 
Juden in R. bezieht sich auf eine menschenfreund¬ 
liche Aktion in ihrem Interesse. Sie fanden ein Asyl. 
Das Vorwerk befand sich hinter der „roten Neisse 
Rosenfeldt war ein vorurteilsloser Mann, der in sei¬ 
ner Jugend in Polen und Rußland lebte, wo er je¬ 
denfalls Juden kennen lernte. Mit Recht galt er als 
der „Vater" von R. Ob und wieviel von den aus Prag 
Geflüchteten mehr als 60 Juden in R. verblieben, 
wissen wir nicht. Vielleicht hat mancher sein Grab 
hier gefunden. Nicht nur beim Hauptmann, sondern 
auch bei der Herrschaft wehte ein freierer Geist. 
Melchior v. Rädern geißelt in seiner neuen Landes¬ 
ordnung auch den christl. Wucher, der mit Geld und 
Korn getrieben wird. Der freiere Geist der Rädern¬ 
zeit zeigt sich auch darin, daß sich Juden in R. a n- 
siedeln konnten. Ja, es war ihnen auch nicht 
verwehrt, sich ein unbewegliches Gut zu erwerben. 
Wir finden den Juden Isaac als wohlbestallten 
Hausherrn. In einem der herrschaftlichen Kauf- 
bücher (VIII, S. 343) findet sich nämlich folgende 
Eintragung: 
©rbfauff. 
@liaj3 @í)rliá)f5 eineft ^aufge^ nnb falben Scheuer. Som 
Qfaac Qubenn alliier 2íct. be§ 23. ÏRart. 2lrtrto 1622. 
$n ben ©tabtgeridjtenn alfjier ift btfê auf SSngerê gne- 
bigen «"permît ®ero grtebtge SßtEftgung ein aufrichtiger 
nnb SBnWberrufpidfjer ©rbiauff Befd^Ioffert morben mie 
folget^. nerïauft Qfaac ber Qube fein $cmf§ neben 
^3aul @d)ri3tterê, an ber $ran Slaronn garti)enn ge= 
fegen, mit erbte niebt nnb nagelfefte in rechtem 9îatn 
nnb fteinin fambt einer falben ©djenerrn, Sin £aufê 2lgne§ 
Zimmermanns an berer Hälfte getegenn, 2Bie .fiaffar 
Leumann biefelbe gnoor in üftuijungen 3Snbt gebrand) ge= 
galten, ober gelegen, @itaß ©ijrlidjenn in einer Summe 
0 155 alpalbt baar Qu begaben, ®afür ift Siirge SIbra* 
f)amb ©fjrltdj, Sterbet) oerbleibet ober nnb Unter $an§* 
mef)re. SBegen beé nidjt §altenê ber #errfdjaft gnr Vßom 
10 ß nnb ber gemeine ein i)albe§ $af§ bier. 2)abet)ge^ 
mefen SDÎidjel Mofé ©tabtridjter, $amtê (Bieber ' 9îai)tê* 
frennbtt. Im Index des Grundbuches ist verzeichnet: 
©liafj @ï}rltd)f3 eineê $auffe§ nnbt falben @d)enrenn oonn 
$faac $nben Ijier. 
Der Käufer des Hauses war ein angesehener Tuch¬ 
macher und Stadtrichter. Noch zwei Jahrzehnte spä¬ 
ter betrug die Gesamtzahl der Häuser in R. 263. In 
einem im J. 1708 erfolgten Proteste des Stadtrates 
gegen die geplante Errichtung eines Accisenamtes in 
R. hebt er besonders vor: „Dieser Enge orth Ist von 
Lauter Holtz aufgebaut."' Das Haus des Isaac, das 
etwa das zweite Haus linker Hand vom Altst. Platz 
in der heutigen Schückerstraße gestanden sein mochte, 
wenn es auch verhältnismäßig stattlich gewesen war, 
wird dennoch von den übrigen Häusern nicht merk¬ 
lich abgestochen haben. 
Aus dem herrsch. Grundbuch geht also hervor, daß 
im ersten Viertel des 17. Jhts. bereits 
ein Jude in Reichenberg ein Haus be¬ 
saß. Da in der grundbücherlichen Eintragung zwei¬ 
mal das Wort „hier" steht, so wird dadurch aus¬ 
drücklich bestätigt, daß der jüd. Hausbesitzer nicht 
etwa anderswo, sondern in R. domiziliert hat. Übri¬ 
gens begegnet uns sein Name noch in zwei Eintra¬ 
gungen der Stadtbücher. In der „Stadtraitung66 vom 
J. 1619 heißt es bei den aufgewandten Kosten für 
Pflasterung: „Isaac dem Juden von 3% Ta¬ 
gen mit 3 Pferden Steine zu führen, gegeben am 
1/12 zus. 4 Schock 12 Gr.4' Und in der Kirchen¬ 
rechnung des gleichen Jahres ist verzeichnet: „Isaac 
dem Juden für den grünen Taf ft u. Frenzell umb 
Taufstein 18 Schock 30 Gr.44 Zwei dürftige und 
doch köstliche Notizen, die sich glücklich ergänzen. 
Es scheint, daß Isaac sich vielseitig betätigen konnte 
und auch das Vertrauen der Leitung der damals 
evangel. Kirche in R. genoß. Weshalb er R. verließ 
und wohin er sich wandte, ist nicht bekannt. Viel¬ 
leicht ist er identisch mit Isaac aus Münchengrätz, 
der 17 Jahre später als Lieferant auftaucht. Da er 
in R. bekannt und wohlgelitten war, so ist es mög¬ 
lich, daß man deshalb sich seiner bediente. 
Durch die gelegentliche Äußerung eines einwand¬ 
freien Zeugen ist es erwiesen, daß es damals noch 
einen zweiten jüd. Inwohner in R., namens S a - 
m u e 1, gab. Der Schloßhauptmann von Friedland 
Reichenberg 2 
530
	        
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