Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

mat hat Jhm schon dervor etlichemohlt gewo- 
rend er soll sich mit sein gegentheill vergleichen 
dem selben befriedigen und hats nicht getuhen 
dem selben hoben sie wohl macht entweder in 
Baan zu legen oder in Arest zu führen lossen. 
Eine Ergänzung dieser Statuten ist die von der 
Herrschaft bestimmte Eidesformel für den Juden¬ 
richter und der jüdischen Kassiere. Die Eidesformel 
lautet: 
„Der Jud so schwören soll, muss mit seinen Roch, 
Gürtel und Mantel Behleydet seyn, sein Kaplein 
auf dem Kopf haben und bei ablegung des Aydtes 
auf denselben Behalten, Er muss seine Tfillim oder 
gesäz Riemen an die Stirn und den Linken armh 
anziehen, Ferner muss eine grosse Pergamentene 
Rolle auf welche die fünf Bücher Moysis gehörig 
geschrieben, und die mann in der Synagog zu Vor¬ 
lesung des gesäzes gebrauchet so in gegenwarth 
Christlichen zeugen aus der Synagog von einigen Ju¬ 
den abgehollet werden Beyhanden sein, die solle 
der Jud, so zu schwören hat küssen auf den rechten 
armb nehmen, die Linke Hand darauf legen sich ge¬ 
gen Morgen, als in welcher Gegend Jerusalem lieget 
wenden, den Eydt einen Christen deutlich und lang- 
samb nachsprechen und nach dessen Endigung das 
volumem Legis oder gesäz Rolle abermahls küssen 
Im J. 1720 wird die Gemeinde beim Fürsten vor¬ 
stellig mit der Bitte, er möge Ihnen einen Tempel 
bauen lassen und die Erweiterung des Friedhofes ge¬ 
statten. Der herrschaftliche Baumeister legte dem 
Bittgesuch einen Plan bei, worauf der Fürst folgend 
antwortet: 
Da wundert uns nicht wenig, wie der Baumeister 
sich einfallen lassen kann, dass er in einer Christli¬ 
chen Stadt Vor eine Handvoll Juden eine Schul mit 
einer solchen Facciata und allerhand Zieraten bauen 
will, welche ein schöneres Aussehen, als der Christen 
ihre dasige Kirche haben würde. Sondern wollen 
zwar erlauben, dass denen Juden in ihrer Gasse eine 
neue Schul, doch nur in der Form wie ein anderes 
von ihren Häusern, ohne derley Zierlichkeit oder 
Facciata aufbauen. 
Das fernere innere Leben der K. G. entwickelt sich 
zum Besten der einzelnen Mitglieder, es wurden ver¬ 
gessen die Mühsalen und schmerzlichen Erinnerungen 
der Ausweisung, der obrigkeitliche Druck wurde 
auch zusehends gemildert. Sobald aber die Fesseln von 
außen her gelockert schienen, kamen innere Zerwürf¬ 
nisse zum Vorschein. In der Mitte des 18. Jhts. wird 
des verstorbenen Judenrichters und jüdischen Landes¬ 
deputierten Simon Sehmey Schwiegersohn, Lazar 
Hersehl zum Richter gewählt. Einundzwanzig Jahre 
lang bekleidete er diese Würde. So um die Mitte sei¬ 
nes Wirkens scheinen persönliche und isachliche 
Gründe zum Streit vorhanden zu sein. Ein unseliger 
Krieg bricht zwischen ihm und der Mehrheit der Ge¬ 
meinde einerseits und dem Rb. Salamon Salman 
Neuern anderseits aus. Gehässige Eingaben folgen eia- 
ander von beiden Seiten an den Fürsten, der schlie߬ 
lich eine Untersuchungskommission einsetzt. Das Re¬ 
sultat scheint dem Richter Hersehl nicht günstig ge¬ 
wesen zu sein, denn nách 21 jährigem Wirken sah er 
sich veranlaßt, beim Fürsten um seine Entlassung an¬ 
zusuchen. Im J. 177$ wurde sein Demissionsgesuch 
günstig erledigt. Endlich trat Ruhe in der Gemeinde 
ein, welche sicherlich zum Wohle des Ganzen gereicht 
hat. Wir sehen fortan jüdische Institutionen erstehen, 
die von der Wohlhabenheit der einzelnen Mitglieder 
zeugen. Die inneren Unruhen haben allmählich nach¬ 
gelassen, da kam wieder von außen her Unglück, im 
J. 1781 brennt die ganze Judenstadt ab. Die fürst¬ 
liche Obrigkeit läßt Milde walten, es werden den Ju¬ 
den die Schutzgelder für zwei Jahre nachgelassen, die 
Wohnhäuser, der Tempel, die Fleischbank, die Her¬ 
berge und das Tauchbad werden wieder mit Hilfe des 
Fürsten aufgebaut und im J. 1788 als emphiteutisches 
Eigentum für den Betrag von 350 Gulden 33 Kr. 
der Gemeinde überlassen. Neunundzwanzig Jahre spä¬ 
ter wurde abermals die ganze Judenstadt eingeäschert. 
Und wieder erwies der Fürst Gnade der Gemeinde, 
indem er auch diesmal alle obgenannten Objekte er¬ 
bauen ließ. Auch wurden sie diesmal bittlich, damit 
ihnen auch eine Schule erbaut werde und so bekam 
die Gemeinde im J. 1817 die erste Schule. 
Ende des 18. Jhts. finden wir schon zwei Juden, 
Josef Glaser, Glasermeister, und Jakob Flei¬ 
scher, Fleischermeister, in der Stadt in Christen¬ 
häusern wohnen. Allerdings waren förmliche Schlach¬ 
ten zwischen dem Magistrat, dem Kreisamt in Saaz 
und der Herrschaft dieser Bewilligung vorangegangen. 
Schließlich dekretiert das k. k. Kreisamt Saaz: 
„Und da vermög des hierortigen Berichts der 
israelit (das erstemale finde ich in diesem Doku¬ 
ment die Benennung Israelit) Abraham Wolf noch 
nicht vollbrachten Bau der erwähnten zwo Juden¬ 
wohnungen ebenauch in demselben das Unterkom¬ 
men finden dürfte, so sitze derselbe ebenauch in 
seiner bisherigen Wohnung noch ein Jahr und zwar: 
in Berücksichtigung seiner nach Versicherung des 
Amts freiwillig und gut geleisteten 9 jährigen Mili¬ 
tärdienst, dann erhaltenen Blessur, zu dulden.44 
Noch einmal wurde die Judenstadt in panischen 
Schrecken versetzt, als das Kreisamt Saaz die im J. 1838 
erworbenen Rechte der Juden in der Judenstadt nicht 
anerkennt, weil sie fast gar keine Dokumente in Bezug 
auf ihre Eigentumsrechte besitzen. Drei bange Jahre 
in Sorge um die Zukunft verstreichen, ehe sie ihre im 
J. 1759 und 1788 erworbenen Eigentumsrechte mit 
Gub.-Vdg. vom 5. August 1841 bereits das drittemal 
erhalten. 
Mit diesem Dokument schließen im Schwarzenber¬ 
gischen Arch., die Nachrichten über das jüdische Le¬ 
ben in P. ab. Die weiteren Berichte beruhen auf münd¬ 
licher Überlieferung, wie sie im Gedächtnisse einiger 
Mitglieder weiterleben. In den 50 ger Jahren finden 
wir den ersten akademisch gebildeten Rabbiner, Dr. 
Samuel Müh sa m, der später als Landesrb. nach 
Graz kam. Nach ihm übernahm Wilhelm Stein 
auf Grund einer Bewilligung der Statthalterei, das 
Rabbinat und wirkte vom J. 1867 bis 1912. Es folgten 
hierauf Rb. Dr. Arpad Hirschberger, Rb. Emil 
Klauber und Rb. Samuel Ungermann. Die letzten 
K. V., welche noch in Erinnerung stehen, waren im 
vorigen Jht.: Moritz P o 11 a k, Dr. Ignatz Stern und 
Moritz Glaser. Die markanteste Gestalt war Moritz 
Glaser der mit seiner autoritativen Persönlichkeit 
und echt jüdischem Herzen ein beispielgebender K. V. 
und Jude zugleich war, der es verstanden hat, das 
traditionelle Judentum mit modernem Geist zu ver¬ 
flechten und zu erhalten. Es war daher kein leichtes 
Unterfangen das Erbe Moritz Glasers zu übernehmen 
und in seinem Sinne weiterzuführen. Nach dem Heim¬ 
gange Moritz Glasers erstanden in seinen Jüngern 
energische, zielbewußte, vor allem aber echt jüdische 
Männer, welche die Leitung der K. G. in die Hand 
nahmen und mit viel Geschick und heiligem Eifer 
ihres Amtes walteten. Es sind dies Karl Klein, und 
Handelskammerrat Wilhelm Bechert. Letzterer 
Postoloprty 
514 
Postelberg 2
	        
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